Geldpolitisch immer schön locker bleiben

Leider müssen wir uns heute mit dem langweiligen Thema Ökonomie befassen, also mit den zwei zentralen Fragen, die, würden sie korrekt beantwortet, auch jedes andere Thema hinreichend klären: Wo kommt die Kohle her? Wo geht sie hin?

Cicero schreibt: „Die Bundesrepublik hat weit mehr von der Eurokrise profitiert als bisher angenommen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben sich auf Kosten des Südens saniert. (…) Die Bundesregierung erzielte nicht nur satte Zinsgewinne auf die Notkredite, die sie an die Krisenländer zahlte. Mehrere hundert Millionen Euro wurden 2012 allein von Griechenland abkassiert. (…) Weil die Anleger aus Südeuropa flüchteten und einen ’sicheren Hafen‘ in Deutschland (und Frankreich) suchten, fielen die Renditen für Bundesanleihen auf ein Rekordtief nach dem anderen. Bei 21 der 70 Auktionen im vergangenen Jahr musste der Bund gar keine Zinsen an seine Gläubiger zahlen, sondern kassierte eine Prämie.“

Der Freitag und das Handelsblatt fassen zusammen, was George Soros in einem Interview mit CBN gesagt hat: „Die Deutschen glauben an Einsparungen, und der Rest der Welt glaubt an geldpolitische Lockerungen“.

Das heißt im Klartxt: Das deutsche Kapital hat ein Interesse daran, dass die so genannte Krise weitergeht, weil die nützlich war und ist, um die weniger produktiven Ländern Europas auszuplündern und um sich auf deren Kosten gesundzustoßen. Darüber sollte man sich nicht empören, das ist legitim. Man sollte sich viel eher darüber aufregen, dass die freiwillig gleichgeschalteten deutschen Medien immer noch von finanziellen „Hilfen“ sprechen, obwohl genau das Gegenteil gemeint ist, oder das die Sprachpolizei bei der Tagesschau verbietet, das Wort „Kapitalismus“ zu benutzen.

Interessant ist übrigens eine Randnotiz im Print-Spiegel (S. 63): Banken müssen bisher für Staatsanleihen, die sie besitzen, kein Eigenkapital zurücklegen – „als seien die Papiere ein ausfallsicheres Geschäft. ‚Für Aktien und Unternehmensanleihen in ihrem Bestand sind die Institute dagegen verpflichtet, eigenes Geld vorzuhalten als Absicherung gegen mögliche Verluste.‘ Charles Dallara, Geschäftsführer des Internationalen Bankenverbandes, will das ändern. Staatsfinanzierung würde schwieriger.“

Wir hatten das Thema hier schon einmal („Unter Schnellballsystemikern und Couponschneidern„, 03.08.2012):
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung formuliert in ihrer Studie „Anspruch und Wirklichkeit der Finanzmarktreform“ unfreiwillig komisch:
„Neben der Forderung nach höheren Eigenkapitalanforderungen für systemrelevante Finanzinstitute vereinbarte die G20 in ihrer Pittsburgh-Erklärung, dass systemrelevante Finanzinstitute für den Fall einer Pleite Pläne zur geordneten Abwicklung vorhalten müssen.“

„Systemrelevante“ Finanzinstitute: Besser hätte das Anshu Jain auch nicht sagen können. Um mal Klartext zu reden: Das sind diejenigen Banken, die am so genannten „Primary-Dealer-System“ teilnehmen. Diese Finanzunternehmen müssen dem Staat eine bestimmte Menge seiner Schulden – also known as Staatsanleihen abkaufen – und das nach einem vorher festgelegten Zinssatz. Nicht sehr „frei marktwirtschaftlich“, möchte man einwerfen. Zu recht, denn der Staat sorgt zwangsweise für eine Mindestnachfrage für den Kauf seiner Schulden. Da aber die Banken an den Zinsen satt verdienen und wegen der Vollkasko-Versicherung bei der EZB meckern sie nicht allzusehr.

Das ist doch ein lustiges System. Die Finanz-Primärdealer aka „systemrelevanten Banken“ müssen eine bestimmte Menge an Staatsanleihen kaufen, aber Eigenkapital brauchen sie dafür nicht. So möchte ich auch mal wirtschaften dürfen.

Die Japaner haben jetzt eine andere Methode gewählt, um der in konjunkturellen Schüben wiederkehrenden kapitalistischen Überproduktionskrise, im Laufe derer unproduktives Kapital vernichtet werden muss (das sich auf dem Finanzmarkt als Blase bemerkbar macht), Herr zu werden. Sie sparen nicht, sondern vermehren die Geldmenge: „Die Zentralbank muss solange Geld drucken bis die Preise um mindestens zwei Prozent steigen.“

Kapitalistisches Vodoo at its best: Wemn man Geld druckt, dann steigen automatisch die Preise? So einen Quatsch erzählen doch nur die Anhänger der Glaubensgemeinschaft Freier Markt(TM), Studenten der „Volks“wirtschaft oder andere Sprechblasenfacharbeiter.

Hierzu noch einmal das Handelsblatt: „Die Debatte über die Gefahr eines globalen Abwertungswettlaufs zwischen wichtigen Währungen wurde zuletzt dadurch befeuert, dass die neue japanische Regierung eine höchst expansive Finanz- wie auch Geldpolitik verfolgt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in Davos ihre Sorge darüber ausgedrückt.“

Schon klar. Merkel wird nichts tun, was dem deutschen Kapital und dessen finanzpolitischen Arm, den Banken, irgendwie schadet. Japan ist in einer anderen Situation – rundherum gibt es nicht so viel, was man ausplündern kann. Und außerdem sind oft schon die Chinesen vorher da. Die Zeit nennt das „Japan steckt in der Deflationsfalle“.

Es sind also eine Menge Variablen im Spiel: Die deutsche Wirtschaft ist sehr exportabhängig, sie braucht die sogenannte Finanzkrise und den Euro, um zu verhindern, dass die schwächeren Ökonomien – wie Griechenland – einfach ihre Währung abwerten, um die Exporte anzukurbeln – also genau das, was Argentinien nach dem Staatsbankrott getan hat.

Japan hat ein anderes Problem: Die Exporte sinken – man verkauft ja nicht so viele Waffen wie Deutschland und ist auch nicht an so vielen Kriegen wie wir beteiligt.

Die „Warnungen“ und „Sorgen“ von Soros und Merkel dokumentieren also nur unterschiedliche Kapital-Interessen und wie deren Büttel und Helfershelfer, die Politik, meinen darauf reagieren zu müssen.

(Ich muss jetzt einkaufen, und die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser können ja auch allein weiterdiskutieren.)