Stoppschilder gegen Sexismus und andere Nebenwidersprüche

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Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser erwarten zu Recht, dass ich auch meine unmaßgebliche Meinung zum gegenwärtigen Twitter Sexismus-Hype kundtue, zumal ich bekanntlich ExpertIn für alles bin.

Erika Steinbach, die Superoberexpertin zum Thema, sagt: „Als Frau habe ich jederzeit die Möglichkeit, ein Stoppschild zu setzen.“ Vermutlich hatte die Frau, die am Samstag in Berlin vergewaltigt wurde, nur gerade ihr Stoppschild vergessen. Steinbach, du dummschwätzende Vertriebenen-Nuss, halt einfach die Fresse, manchmal sollte man auch als Frau das Wasser halten können, wenn es angebracht ist.

Leider gleiten alle Säue Themen, die in Deutschland öffentlich durchs mediale Dorf getrieben werden, schnell ins Moralische ab. Politische Debatten sind weniger erwünscht. Frauen dürfen zum Beispiel erst seit 1977 ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten gehen. Das hat damals im Westen niemanden aufgeregt, obwohl laut Grundgesetz alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Ossis können heute über die hinterwäldlerische BRD nur den Kopf schütteln.

Mit dem Sexismus ist es wie mit anderen Ismen: Sie kochen so schnell hoch wie der Schaum vor den Mäulern des Feuilletons wieder abgewischt wird. Folgen hat das nicht. Und eine dämliche Bemerkung Brüderles im Halb- oder Viertelsuff ist beileibe kein glaubwürdiger kein Anlass, über das Thema zu diskutieren. Hatten wir nicht neulich bei Strauss-Kahn schon die Gelegenheit dazu?

Neben dem moralinsauren Mehltau, der schnell jede Diskussion bedeckt, kommt in Deutschland erschwerend dazu, dass der insgesamt restaurative Trend immer mit einer ekelhaften protestantischen Bigotterie und Prüderie einhergeht. Alice Schwarzer hatte sicher immer Recht, wenn sie über die nicht vorhandene Balance der Macht zwischen den Geschlechtern und deren Symbolik redete. Bei den Themen Pornografie oder gar Internet faselt sie nur dummes reaktionäres Zeug.

Die Linke hat schon seit mindestens einem Jahrhundert mit Sexismus das gleiche Problem wie mit dem Antisemitismus: Man liebsten würde man(n) sich hinter der These der schlichten Gemüter verkriechen, dass die Ausbeutung im Kapitalismus an allem schuld sei, und die Sache mit den Frauen und Juden nur „Nebenwidersprüche“ und/oder Relikte vergangener und weniger aufgeklärter Epochen. Das ist natürlich grober Unfug. Es ist keinesfalls so, dass der Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit sich nur zeitweilig als Gender-Debatte kostümierte. Wer wie welche Macht hat von den Geschlechtern, ist genau so ein eigenes Thema wie der 2000-jährige Hass der Christen auf die Juden, der eben schon vor dem Kapitalismus existierte.

Die Angelegenheit erscheint mir jedoch komplizierter als es auf den ersten Blick aussieht. „Sexistisch“ heisst ja nur, dass man meint, bestimmte Dinge zeigen, sagen oder tun zu müssen und sie gleichzeitig mit Sexualität verbindet. Inder Schule geht es darum, Jugendlichen wissen zu vermitteln – der Schulmädchenreport machte vor mehr als vierzig Jahren etwas ganz anders daraus.

Männer haben mehr Macht als Frauen und werden, wie immer und überall, diese Macht nur abgeben, wenn sie glauben, dadurch langfristig Vorteile zu haben. Alles andere wäre von der Evolution nicht vorgesehen.

Pornofilme sind hier sehr lehrreich: Sie zeigen nicht, was wirklich ist, sondern was der (durchschnittliche) Markt will, was also symbolisch dargestellt werden soll. Pornofilme haben also mit der Realität genau so wenig oder viel zu tun wie Computerspiele oder deren Teilmenge Ego-Shooter.

Bei japanischen Pornos (vgl. Screenshot unten) fällt zum Beispiel auf, dass sie oft ganz andere Bedürfnisse zu befriedigen scheinen. Pornos sind wie Karikaturen – sie reduzieren auf das Wesentliche, das auch noch im Zeitraffer geschehen muss. Japanische Pornos zeigen oft Gruppen von Männern, die über eine Frau herfallen, der das angeblich Lust bereitet – Bukkake ist ein prägnentes Beispiel. Nur in der englischen Wikipedia finden wir diese Passage:
American editor and publisher Russ Kick, quoting a sexologist, states that men enjoy a „sense of closure and finality about sex“, something that watching other men ejaculate provides. The viewer identifies with the ejaculating men, experiencing a sense of vicarious pleasure. According to English–American anti-pornography campaigner Gail Dines, the ejaculate on the female performer’s body „also marks the woman as used goods“, conveying a sense of ownership; she quotes veteran American porn actor and producer Bill Margold stating: „I’d like to really show what I believe the men want to see: violence against women. I firmly believe that we serve a purpose by showing that. The most violent we can get is the cum shot in the face. Men get off behind that because they get even with the women they can’t have.“

Das stimmt nicht, ist zu einfach, träfe auch auf „normale“ Pornografie zu und erklärt auch nicht, warum Bukkake aus Japan stammt und in japanischen Pornofilmen viel häufiger thematisisert wird. Anders ist dort auch, dass sexuelle Übergrffe wie das Begrabschen einer Frau in der U-Bahn oder in der Öffentlichkeit durch mehrere Männer gleichzeitig oft Thema von (Kurz-)Porno-Filmen sind, während der Trend bei russischen und US-amerikanischen Filmen eher dahin geht, „normale“ Frauen auf der Strasse (scheinbar) anzusprechen und sie für reichlich Geld das tun zu lassen, was in Pornofilmen eben getan wird; US-Pornos hatte eh schon die Kategorien „girl next door“ oder „amateur“.

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Es geht immer und überall darum, dass der Hans seine Grete kriegt oder umgekehrt. Es wäre also unrealistisch, „Sex“, also Anmache in jeder Form, aus dem Alltag oder Bereichen des täglichen Lebens verbannen zu wollen. Frauen sind – so wurde mir glaubhaft berichtet – genau so „sexistisch“ wie Männer, besonders, wenn die gar nicht dabei sind. Auch die US-Amerikaner sind nicht wirklich prüde, aber Sex hat eben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen – man könnte sogar sagen: Die prüde Obsession in den USA macht den Sex erst richtig interessant, was ja an sich nicht unbedingt falsch ist, solange alles freiwilig bleibt.

Die „härtesten“ Pornos (das Wort „hart“ ist einfach blödsinnig dafür) sind zur Zeit die, in denen Frauen Dinge tun bzw. über sich ergehen lassen, die im normalen Leben äußerst schmerzhaft und erniedrigend sind (Ausnahme: Sado-Maso-Filme), und heucheln müssen, dass sie das lustvoll finden. Man könnte vermuten, dass Männer, die sich das gern ansehen, etwas kompensieren müssen, dass die Rezeption wie katharsis wirken könnte, aber eben auch das Gegenteil. Wie kennen das aus der populistischen Pseudo-Diskussion über „Killerspiele“ und den damit verbundenen Theorien, wie Medien wirkten oder nicht. Nur mal unter uns Männern: Wenn man einen „flotten Dreier“, also zwei Männer und eine Frau, beim Sex beobachtet und das geil findet, könne das nicht auch bedeuten, das man allein sich gar nicht traut, also noch die Hilfe eines anderen benötigt, weil die Frau allein zu bedrohlich ist? Hahahaha.

Ich halte „Sexismus“ viel eher für einen gendermäßig „innenpolitischen“ Diskurs: Männer bestätigen sich gegenseitig in der Gruppe, wie viel Macht sie angeblich im Geschlechterkampf haben. Warum sind denn Frauen nicht einfach genau so sexistisch – dann könnte sich doch niemand mehr beklagen? Ich halte die Spam-Tipps für hilfreich: „Ich bin schön wie eine Weinkönigin? Okay, durch diese Ladung Pfefferspray werden Sie mein Weinkönig.“ Oder: „Gehen Sie eigentlich regelmäßig zur Prostataprophylaxe?“

Ich bin bekanntlich Zyniker und glaube, dass moralische Appelle rein gar nichts bewirken. Deswegen bin ich auch für Frauenquoten. Freiwillig geht gar nichts. Aber ein politisch korrektes moralpolizeilich totalüberwachtes Sprach- und Gestik-Umfeld ist auch Unsinn. Jedermann sollte das Recht haben, Blödsinn daherzuqatschen. In einem Land, das fromme Legenden als Teil des Schulunterricht erlaubt, sollte man sich weniger über sexistische Sprüche aufregen. Vielleicht gibt es da sogar einen Zusammenhang.

Wenn ich eine Frau wäre, würde ich bei dem, was zum Beispiel Patricia Dreyer, Chefin vom Dienst beim Spiegel, schildert („Verbinden Sie mich bitte mit dem Chef vom Dienst“), vermutlich ausrasten oder Dinge sagen, die niemand wirklich hören möchte. Liebe Frauen, Höflichkeit ist eine Zier, aber im Geschlechterkampf geht es besser ohne ihr.

Mehr fällt mir nicht ein. Das Publikum hat das Wort.