Mali, Medien, Biedermeier und der Neo-Imperialismus [Update][II. Update] [III. Update]

biedermeier

Ein deutscher Journalist berichtet über Mali.

Ich glaube fest daran, dass wir in einer Epoche leben, die politisch und kulturell dem Biedermeier ähnelt, ein Zeitalter der Restauration, gut beschrieben mit den Etiketten „hausbacken“ und konservativ. „Als typisch gilt die Flucht ins Idyll und ins Private.“ Die Partei der Grünen ist der politische Arm des deutschen Biedermeier.

Die Medien sind ein Teil dieser Restauration. Ich frage mich manchmal, was in den Köpfen der Mainstream-Journaille vorgeht (ob überhaupt etwas vorgeht), wenn nur noch das Propaganda-Neusprech der Herrschenden und deren Lobbyisten übernommen wird, ohne auch nur eine Millisekunde die Hintergründe zu recherchieren.

Aktuelles Beispiel: die Berichte über die Intervention Frankreichs in Mali. Zeit online demonstriert sozusagen das „Maximum“ an Kritikfähigkeit, obwohl der Artikel noch viel weniger aussagt als Wikipedia zum Thema:
Diese Operation werde so lange dauern wie nötig. Er sei damit dem Hilfeersuchen des malischen Präsidenten Dioncounda Traoré nachgekommen, der Frankreich um militärische Unterstützung gebeten hatte. Hollande begründete, es gehe um die Existenz dieses „befreundeten Staates, um die Sicherheit seiner Bevölkerung und die unserer Landsleute dort“. Mali sei einer „Agression von terroristischen Elementen aus dem Norden“ des Landes ausgesetzt, deren „Brutalität und Fanatismus“ bekannt seien..

Ach?! Man vermutet irrig, ernst zu nehmende Journalisten würden jetzt nachprüfen, wer welche Interessen vertritt und ob die Propaganda des französischen Präsidenten wahr ist oder eben nur Propaganda. Aber nein, kein Wort! Das war’s schon mit der Recherche.

Es ist noch viel schlimmer. Die deutschen Medien haben sich angewöhnt, bei ausnahmslos allen neo-imperialistischen Kriegseinsätzen von „Hilfe“ oder „Hilfstruppen“ zu sprechen. Das Goebbelsche Propagandaministerium ist gar nicht nötig, die machen das freiwillig. Das Ministerium für Wahrheit lässt grüßen.

Die USA „helfen“ dem Irak, Deutschland „hilft“ in Afghanistan und jetzt auch in Mali, England „hilft“ Syrien, Frankreich „hilft“ Lybien und Mail. Wie schon in der Vergangenheit: Die USA „helfen“ weitweit, von Chile bis Grenada, damit dem Guten, Schönen, Wahren und den westlichen Werten zum Sieg verholfen werde – und natürlich ganz uneigennützig.

Gehts noch? Es fehlt nur noch, dass die Bundeswehr dem Entwicklungshilfeministerium unterstellt wird.

Guckst du bei Wikipedia: „Als Imperialismus (…) bezeichnet man das Bestreben eines Staatswesens oder dessen Anführers, seinen Einfluss auf andere Länder oder Völker auszudehnen, bis hin zu deren Unterwerfung und Eingliederung in das eigene Umfeld. Dazu gehört eine ungleiche wirtschaftliche, kulturelle oder territoriale Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten.“

Welches dieser Kritieren trifft nicht auf die französishen Militärintervention in Mali zu? Geschenkt, dass es heute gegen „Islamisten“ und „Terroristen“ geht. Das war schon immer so. Früher trugen die eben andere Namen. Warum zum Teufel hat kein Journalist den Mumm, hier klare Worte zu sprechen und das Ding beim Namen zu nennen? Feige, schleimige, obrigkeitshörige Bande!

Zugegeben, Mali interessiert niemanden. Arme Neger da unten. Timbuktu kennt man von Karl May, war schon zu Zeiten des Löwen der Wüste Marabut eine unruhige Gegend, was bis heute anhält. Ach ja, war da nicht was mit den Tuareg?

Ich habe mir mittlerweile angewöhnt, Themen selbst zu recherchieren, wenn es mich interessiert. Nach einer halben Stunde im Internet habe ich meistens mehr erfahren als wenn ich eine deutsche Zeitung lese.

Vor zehn Jahren fasste BBC die Lage in Mali zusammen: Das Land hat nichts zu bieten ausser Gold. Und wer schürft da heute? Warum sind die Franzosen so daran interessiert, dass alles so bleibt wie es ist? „Umfangreiche Prospektions- und Förderungslizenzen an ausländische Investoren, wie Randgold Resources, waren für die große Steigerung der Fördermengen verantwortlich“. „Headquartered in Jersey, Channel Islands.“ Nun kommen wir der Sache schon näher.

The company’s Tongon mine in Côte d’Ivoire poured its first gold in November 2010. Randgold’s latest mine, Gounkoto, south of Loulo, delivered first ore to the Loulo plant in June 2011. Randgold is fast-tracking Kibali in the Democratic Republic of Congo, where construction is underway. The first full year of production is planned for 2014. In 2009 the company acquired a 45% interest in the Kibali project, which stands at 10 million ounces of mineral reserves and is one of the largest undeveloped gold deposits in Africa. Randgold also has a major project at Massawa in Senegal and an extensive portfolio of organic growth prospects, supported by intensive exploration programmes in Burkina Faso, Côte d’Ivoire, DRC, Mali and Senegal.

Ein weiterer Minen-Konzern, der in Mali operiert, ist Avnel Gold. Die sitzen – Überraschung! – auch auf einer Kanalinsel. „Subsidiaries of the Company maintain corporate offices at London, England and Bamako, Mali.“ Auf der Website kann man mehr lesen:
Since 1996, foreign mining companies have increased gold mining operations in the country following the discoveries of large gold deposits such as Sadiola Hill, Yatela, Morila, and Mali has become a major Sub-Saharan gold exporter with approximately $672 million in gold exports in 2003, ranking second after cotton exports. Deposits of copper, tin, bauxite, iron ore, manganese, uranium and diamonds can be found in the country but only gold and phosphate are actually mined. Total gold production has significantly increased on an annual basis and in 2002 amounted to 55.6 tonnes. Mali is the third largest gold producing country in Africa, behind South Africa and Ghana.

Hübsches Detail am Rande: The Kalana Mine and Permit was historically owned by a Malian State company (Sogemork) with exploration and mine construction supported by Russian financial and technical aid. The mine operated for a few years until it was put on care and maintenance on the break up of the Soviet Union in 1991.

Auch wenn ich jetzt die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser mit Details nerve: Ich habe den Geschäftsbericht 2012 von Randgold gelesen. Das ist ein Konzern, der in vielen Staaten Afrikas Minen unterhält. Der Staatshaushalt Malis (und die Minister) leben von den Steuern der Minen-Konzerne; wie das funktioniert, kann man bei Avnelgold nachsehen:
Avnel is the holding company for Avnel Cayman and the subsidiaries thereof which own and operate the Kalana Gold Mine and Concession (…) Avnel Cayman, a wholly-owned subsidiary of Avnel, is itself a holding company whose principal asset is an 80% interest in SOMIKA. Pursuant to an operatorship agreement, Avnel Cayman earns fees as the operator and manager of SOMIKA’s mining and exploration activities.

Noch in den frühen neunziger Jahren gehörten die Minen in Mali dem Staat. Dann griff die Weltbank ein, um dem schrankenlosen Kapitalismus und dem Freien Markt(TM) zum Durchbruch zu verhelfen. Alles wurde „privatisiert“: Das bedeutet das Gegenteil vom dem, was im deutschen Grundgesetz unter „Vergesellschaftung der Produktionsmittel“ formuliert ist.

So. Jetzt weiß das Publikum genug, um sich ein eigenes Bild zu machen und selbst zu entscheiden, welche Gründe die Franzosen und andere Imperialisten bewogen haben mögen, in Mali militärisch zu intervenieren. Wenn ihr das nicht rauskriegt, dann fragt doch die Anhänger der Glaubensgemeinschaft Freier Markt(TM).

[Update] Titel bei SpOn: „Deutschland will Frankreich in Mali helfen“.

[II. Update] Spon: „Daneben verfolgt Paris aber auch wirtschaftliche Interessen.“ Ach ja. Und wobei „hilft“ Deutschland dann?

[III. Update] Telepolis: „Frankreich sichert Uranminen in Niger mit Spezialeinheiten“