Masaya und Léon – von Löwen und Katzen

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Die Fotos habe ich 1981 in Masaya und Léon („der Löwe“) in Nicaragua gemacht.

Auch nach mehr als dreißig Jahren überkommen mich wehmütige Erinnerungen, wenn ich mir meine Fotos aus Nicaragua kurz nach der Revolution ansehe. Wenn ich Dinge fotografierte, die nicht „modern“ waren, wie etwas einen Ochsenkarren, waren die Leute oft pikiert. Sie fanden es unpassend, als rückständig dargestellt zu werden.

Ganz unpolitisch: Ja, ich bin so weit wie möglich in den Krater des Vulkans bei Masaya hineingeklettert. Irgendwann wurde es dann doch zu heiß und der Schwefelgeruch zu stark und der Boden blubberte unheimlich. Irgendwo habe ich noch ein Stück Lava als Andenken, würde es aber vermutlich nicht mehr identifizieren können.

Falls sich jemand Gedanken macht: Es gab keine Pensionen in Masaya, und wir übernachteten in einer (ehemaligen) Schule. Deswegen die Stühle in unserem Zimmer.

Nicaragua ist eines der wenigen Länder, in denen eine Revolution von Links erfolgreich war. Die gefallenen Revolutionäre werden dort immer noch als „Helden“ gefeiert, obwohl die Erinnerung bei der jüngeren Generation garantiert verblasst ist. Auf der interessanten Website der Agentur Polo’s Bastards Adventure Travel kann man noch etwas über die „Legenden von Léon“ nachlesen, unter anderem auch über den sandinistischen Guerilla-Kommandanten Edgar Munguia Alvarez, genannt „die Katze“. Auf seinem Grabmal in Léon (Foto links unten) steht, dass er am 13. September 1976 in den Bergen von Yaosca nordöstlich von Matagalpa im Kampf gefallen ist.

Warum bedeutet das etwas? Der Hass der Herrschenden verfolgt die Rebellen und Revolutionäre auch noch bis nach ihrem Tod. Der herrschenden Klasse ist es immer wichtig, die Erinnerungen an erfolgreiche Aufstände auszulöschen und totzuschweigen. Jede Generation muss ihre eigenen Erfahrungen neu machen; es nützt nicht, wenn jemand Jugendlichen erzählt, wie es damals was. Die heutigen Stundenten etwas sind meistens angepasst und kämpfen, wenn überhaupt, nur für ihren eigenen sozialen Status, den ihre eigenen Eltern ohnehin schon erreicht haben – nur die Mittelklasse kann ihre Kinder noch studieren lassen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Deshalb empört sich auch niemand. Und wenn, dann würde jede Bewegung, die das System als solches in Frage stellt, sofort niedergemacht. (Von der aktuellen Europa- und Wirtschaftskonferenz der Piratenpartei erwarte ich ohnehin nur reaktionäres Gefasel oder Kapitalismus-affine Sprechblasen oder noch Schlimmeres.)

Das gilt für Deutschland genauso wie für Nicaragua. Hier stehen überall Denkmäler von Kaisern, Königen und Fürsten herum. Warum eigentlich? Sind die es wert, sich an sie zu erinnern – die vermeintlich „Großen“ der Geschichte? Nur wegen des kulturellen Erbens der DDR kann man auch noch andere Personen als Denkmal sehen: Thomas Münzer etwa, den Luther hasste wie die Pest. Was ist mit Wolf Göftel, der nicht viel geschrieben hat, aber in Dutzenden von Dörfern im Erzgebirge die Bauern und Bergknappen zum Aufstand organisiert hat? Friedrich Hecker würde ich lieber als Denkmal sehen als Bismarck, und Georg Elser fehlt in Berlin – der passte gut vor den Reichstag – als Warnung.

Kann man sich das in Deutschland vorstellen? Ein Denkmal mit einem Gewehr davor – etwa von Max Reichpietsch, Hans Kippenberger oder Hugo Urbahns? Undenkbar.

In diesem Sinn ist Nicaragua für Deutschland ein Vorbild. Guckst du aber bei Wikipedia: „Während die sozialliberale Regierung der Bundesrepublik Deutschland unter Helmut Schmidt Nicaragua zahlreiche Wirtschafts- und Entwicklungshilfen zukommen ließ, fror die konservativliberale Regierung unter Helmut Kohl 1983 eine zur Zeit der Regierung von Anastasio Somoza Portocarrero bewilligte Entwicklungszusammenarbeit mit einem Volumen von 40 Millionen Deutscher Mark ein, machte deren Freigabe aber nicht von Wahlen abhängig.“

Schon klar. Kohl wird heute beklatscht und gefeiert. Ich aber vergesse nicht, für was und wen er steht.

Irgendwie bin ich heute ziemlich weitschweifig. Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser mögen es mir verzeihen.