Totall Recall Reloaded

total recallVorgestern habe ich mir das Remake von „Totall Recall“ angesehen.

Colin Farrell ist der Held, Kate Beckinsale ist das bad girl, Jessica Biel (gewohnt süß) das good girl. Ich kenne das Original und erwartete eigentlich Schrott. Zu meiner Überraschung wurde ich total positiv enttäuscht: Der Film ist richtig gut, selbst für verwöhnte Sci-Fi-Querulanten wie mich (vgl. Sammlung deutscher Kritiken).

Jeder Science-Fiction-Film muss sich an den Vorbildern messen lassen, die Maßstäbe gesetzt haben. „Totall Recall“ erreicht zwar nicht ganz die atmosphärische Dichte von Blade Runner, aber es ist nah dran. Man spürt den Einfluss, nicht nur am Regen und an den vielen Chinesen mit Regenschirmen. Wie könnten Städte der Zukunft aussehen? „Total Recall“ gibt sich da viel Mühe.

Auf Verfolgsjagden mit Schwebe-Autos kann ich aber verzichten, auch auf das ständige Herumballern mit Waffen, die ich überhaupt nicht Sci-Fi-like fand. Die Andriod-Soldaten sehen auch immer noch aus wie eine Mischung der imperialen Sturmtruppen in „Star Wars“ und den Robotern aus „I, Robot„. Natürlich muss „Total Recall“ auch anleihen bei „Matrix“ machen – die zentrale Frage ist, wie gewohnt: Was ist Realität?

Man weiss natürlich, dass Held und Heldin auch in scheinbar völlig aussichtslosen Situationen immer ein Schlupfloch finden. Mir macht an einem solchen Film Spaß, vorher blitzschnell raten zu können, wie es weitergehen wird. Bei mittelmäßigen und schlechten Filmen gelingt mir das fast immer. Bei „Total Recall“ war ich mir nie sicher. Zwar wusste ich, warum plötzlich ein Klavier in der Wohnung des Helden stand und was es damit auf sich haben würde, und dass das bad girl mehrere Tode würde sterben müssen, bevor wie wirklich tot war. Aber es gab Momente, die sogar mich überraschten – ganz im Gegenteil zum langweiligen „Prometheus„, bei dem ich hätte nebenher noch „Avatar“ spielen können.

Zur Ikonografie: Ich finde es witzig, dass Hollywood-Regisseure die Dreadlock-Dichte meinen erhöhen müssen, wenn es sich irgendwie um „Rebellen“ handelt. Einfach nur lange Haare als Zeichen für Anti-Mainstream zieht offenbar nicht genug, also müssen es Wursthaare sein. Wie wäre es denn mal mit einer Prinz-Eisenherz-Frisur? Man lernt: Es ist nicht wirklich alles möglich in der vermeintlichen Zukunft: Maßstab ist immer der Geschmack der Gegenwart.

Natürlich sind heute Klamotten in Sci-fi-Filme kompatibel mit dem (mir völlig unverständlichen) Vampir-Hype: Schlabberlook geht nur für Männer, Frauen tragen dunkle Cargo- oder eng anliegende Leder- oder Stretch-Hosen. Aus völkerkundlicher Sicht sind Frauen, was den Faustkampf angeht, mittlerweile emanzipiert; das hindert die dämlichen Regisseure aber nicht daran, zahllose Momente einzubauen, in denen der Held das good girl hinter sich her zerrt, weil sie gestolpert ist oder nicht so schnell rennen kann. Was für ein Quatsch. Anders herum würde es nämlich auffallen. Also keine wirkliche Emnanzipation.

Zum Sex-Faktor: Der dämlichste Einfall in „Total Recall“ ist eine Hure mit drei Brüsten, die nur eine überflüssige Szene von fünf Sekunden hat. Was ist denn mit Männer mit mehreren Penissen? Ausserdem sollte in Sci-Filmen virtueller Sex, vermittelt über Internet oder Apps vorkommen. Held und Heldinnen poppen gar nicht miteinander, vermutlich weil die klostertaugliche Jugend“schutz“gesetzgebung in den USA und in Deutschland dann nur noch über 18-Jährigen in die Kinos gelassen hätte, was den Profit schmälerte. No sex in Science-Fiction-Films, we are german or white anglo saxon protestants!