Schneewittchen und der melancholische Weltuntergang

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Saudumme Kinofilme kann man auch als Völkerkundler mit Interesse ansehen, um herauszufinden, wie welches Publikum ansprochen, verdummt oder unterhalten werden soll. Mir fallen da spontan „Angriff der Killertomaten“ ein oder „Echo der Berge„. Dümmer gehts nimmer.

Snow White and the Huntsman“ (etwa: „Schneewittchen und der Jägersmann“) ist auf der Beklopptheitsskala ebenfalls extrem weit oben. (Zu meiner Entschuldigung: Ich habe ihn in einem Unnaer Kino gesehen – es lief nicht anderes, und „Men in Black III“ kannte ich schon.) Warum spielt Charlize Theron nur da mit? Dustin Hoffman und Nicole Kidman traten ja auch nicht in Sexploitation Films auf…

Natürlich ist der Pseudo-Schneewittchen-Plot ein Film für junge Teenager; man hätte ihn auch im Vampir-Milieu spielen lassen können (die Klamotten sind ohnehin identisch). No sex, please, we are Protestants and keusch, und nur zarte, schmachtende Küsse, sonst kommt der Jugendschutzwart. Heutzutage tragen alle Filmfrauen glänzende schwarze Lederhosen, und je nach Story nabelfrei, auch bei klirrender Kälte. Kristen Stewart passt ganz gut, weil die Geschichte, falls man überhaupt davon reden kann, gegen Ende ein paar Anleihen bei Jeanne d’Arc macht. Ihr filmischer Charakter ist bestenfalls Comic Strip. Zum Gähnen.

Und erst dieser Pseudo-Mittelalter-Scheiß! Wenn schon Hauen und Stechen, dann sahen die alten Römer und Griechen viel besser aus. Mit diesen ultraschweren Rüstungen, in denen die Schauspieler (scheinbar, die sind ja auch Pappmache, sonst würde die schöne Kristen zu Fuß nicht weit kommen) herumlaufen, kann man rein gar nichts anstellen, außer einem frontalen Reiterangriff, um einen Haufen Fußvolks umzunieten. Eine Hundertschaft Langbogenschützen zu Fuß hätten so eine „Ritter-Kavallerie“ ziemlich alt aussehen lassen und die Rüstungen wie ein Sieb, noch bevor die Panzerreiter in Hauweite gekommen wären. Warum keine Kettenhemden? Die sehen bei Frauen doch auch schick aus, wenn man den Büstenhalter dementsprechend zurichtet.

Und wo sind die Bauern und Handwerker, die das Leben der Rittersleut überhaupt erst ermöglichen? Schon mal was von einem Bauernkrieg gehört? Die Burgen stehen alle irgendwie in einer leeren Gegend herum; von Landwirtschaft keine Spur. Hey, bei der Vorlage handelt es sich um den Feudalismus (Vorsicht: der Wikipedia-Artikel ist Schwachfug), in bürgerlich-dämlich-euphemistischen Kreisen auch „das Lehnswesen“ genannt.

Alle diese Hollywood-Schinken, die sich einer Märchen-Vorlage bedienen, sind gegenüber dem Original blut- und seelenleer. Eine ältere Frau fragt einen Spiegel, wer schöner sei als sie und der Spiegel antwortet – jedes Kind kann sich darunter genug vorstellen. Es muss kein schleimiges Geschöpf aus dem Spiegel hervortreten und dumm herumfaseln – wie in „Snow White“.

Märchen, obzwar die Grimmschen nur noch ein schwacher Abklatsch der alten Geschichten sind, enthalten einen mythologischen Kern, daher auch eine aus uralter Vorzeit hervorscheinende astronomische Aussage – wie etwa die Metaphern aus der biblischen Apokalpyse. (Man lese hierzu die „Weiße Göttin“ von Robert Graves.) „Snow White“ verhält sich zum Märchen „Schneewittchen“ wie ein Globuli zu einem Schweineschnitzel.

Kommen wir nun zu etwas völlig anderem. Melancholia erinnerte mich gleich an den großartigen The Hours, nur dass „Melancholia“ auch nicht entfernt die unheimliche Tiefe erreicht. Der Weltuntergang ist für das Thema des Films völlig überflüssig und wirkt deplatziert. Trotz der subtilen Anspielungen und der spürbaren Leichtigkeit in der Schwere fragt man sich: Kann es nicht auch eine Nummer kleiner sein? Vielleicht nur ein Autounfall mit demoliertem Rückenmark oder eine Explosion, die wichtige Dinge in Stücke reißt statt einen mondgroßen Meteoriten, der die Erde zerhämmert? Ich war weder erschüttert ratlos am Ende des Films, obwohl das manche Rezensenten vorhergesagt hatten. Vielleicht bin ich auch nur zu abgebrüht.

Eine Frau wird depressiv oder ist es schon, und kommt mit der drohenden Apokalypse besser klar als die anderen. Was will und der Künstler damit Neues sagen? Ich habe es jedenfalls nicht mitgekriegt.

Nun gut, „Melancholia“ ist ganz nette Unterhaltung, zudem ich gratis ins Kino kam, war doch die Chefin desselben die Schwester meiner besten Freundin. Wenn man beide Filme nicht ansieht, wird man aber nichts vermissen.