Gauck, das Fremde und dieses tiefe Unbehagen alteingesessener Europäer

Publikative.org hat den Volltext eines Interview mit Gauck (via Fefe):

Gauck: Also, das ist ein Problem der Wortwahl. Ich weiß was er meint, und ich denke, dass er in dieser Beschreibung etwas, was irgendwann einmal sein wird, vorgezogen hat. Denn wir würden uns eigentlich nicht helfen, wenn wir Fremdheit und Distanziertheit übersehen würden in der guten Absicht, ein einladendes Land zu sein. Diese gute Absicht ist ja lobenswert, aber wir haben doch ganz andere Traditionen, und die Menschen in Europa, das sehen wir allüberall, nicht nur in Deutschland, sind allergisch, wenn sie das Gefühl haben, dass was auf dem Boden der europäischen Aufklärung und auch auf dem religiösen Boden Europas gewachsen ist, wenn das überfremdet wird, um einen Begriff zu verwenden, der in Deutschland verpönt ist, aber ich verwende ihn hier ganz bewusst, denn ich habe in, sagen wir, älteren Zivilgesellschaften als Deutschland es ist, etwa in den städtischen Milieus von Rotterdam und Amsterdam oder Kopenhagen, wo wirklich die Menschen unverdächtig sind, Rassisten zu sein, dieses tiefe Unbehagen alteingesessener Europäer gegenüber dieser Form von, ja, plötzlicher Koexistenz, aber nicht mit einem System, mit dem wir jederzeit auf einer Wellenlänge kommunizieren, sondern, darum macht sich das am Islam fest, da entsteht eine Debatte mit voraufgeklärten Politikvertretern, das ist weniger politisch, aber es ist vor der Aufklärung, was in Teilen unserer Moscheen hier verbreitet wird, und auch der Ansatz des Islam ist nicht durch eine Reformation gegangen, wie in Europa, und auch nicht durch eine europäische Aufklärung, und deshalb jetzt einen Zustand zu beschreiben, als wäre dieser kulturelle Schritt innerhalb der muslimischen Welt schon vollzogen, das täuscht uns über diese Fremdheit, die nach wie vor existiert, hinweg.
Und Fremdheit zu leugnen ist genauso gefährlich wie wenn man(…) Feindschaften leugnet…

Jetzt muss ich mich selbst zitieren – aus „Nazis sind Pop„:
Der „Fremde“ ist immer ein fiktives Konstrukt, dem eine Definition im kollektiven Diskurs voraufgegangen sein muss. Auch „Inländer“ können zu Fremden gemacht werden. Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen – „Ausländer“ im Sinn des Wortes, etwa Isländer, Norweger, Dänen, werden in Deutschland weder angepöbelt noch zusammengeschlagen. Das geschieht aber Afrodeutschen, die noch nie einen anderen Pass besessen haben als den deutschen, jedoch eine andere, etwas dunklere Hautfarbe besitzen als der durchschnittliche Deutsche. (…)

„Fremd“ heisst im amerikanischen Englisch „alien“, aber es käme niemand auf die Idee, dieses Wort im Zusammenhang mit rassistischen Motiven zu benutzen. So etwas in nur in Deutschland möglich. Afroamerikaner sind keine „Fremden“ in den USA und natürlich auch nicht per se in Europa. (…)

Die These, der Kontakt mit „Fremden“ baue Vorurteile ab, ist ein populärer und penetrant vorgetragener Mythos, aber völlig falsch. Er wird durch das Paradigma der Kulturkonflikttheorie gespeist, das vom Bild „verschiedener“, untereinander a priori „fremden“ kulturellen Identitäten ausgeht, die ihr Verhältnis untereinander aushandeln müssten. Und wenn man wisse, so der Mythos, wer der andere sei, werde man ihn tolerieren.(…)

„Der Fremde“ ist, wie die Nation, ein politisches Konzept, das sich dem aktuellen Bedarf anpasst. Bürgerrechte und Assimilation bieten keinen Schutz gegen den eliminatorischen Rassismus, weil der seine Opfer mittels imaginärer Konstrukte kennzeichnet“.

Wenn der designierte Bundespräsident so weitermacht, werde ich noch gezwungen sein, ihn als Salonfaschisten zu titulieren, was ein reaa gar nicht existierendes höheres Wesen verhüten möge.