Vorratsdatenspeicherung light plus [Update]

Kurt Biedenkopf, Ex-Generalsekretär der CDU, soll 1973 gesagt haben: „Was sich heute in unserem Land vollzieht, ist eine Revolution neuer Art. […] Revolutionen finden heute auf andere Weise statt. Statt der Gebäude der Regierungen werden die Begriffe besetzt, mit denen sie regiert.“

Richtig: Wenn man dem politiischen Gegner die eigenen Begriffe und Definitionen aufzwingt, dann infiltriert man ihn auch mit den eigenen Ideen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger versucht es gerade wieder, einerseits, um der Überwachungs- und Zensurmafia die halbherzige FDP-Position schmackhaft zu machen, andererseits um die Gegner der Vorratsdatenspeicherung ins Leere laufen zu lassen.

Vorratsdatenspeicherung heisst jetzt Quick Freeze Plus. Jawoll. Folter heisst jetzt „rubuste Wahrheitssuche“, das Atommüllager nennen wir jetzt „Entsorgungspark“, und den Krieg kennen wir ohnehin schon als „Friedenserzwingung“.

Noch mal zum Mitschreiben: „Vorratsdatenspeicherung bezeichnet die Verpflichtung der Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur Registrierung von elektronischen Kommunikationsvorgängen, ohne dass ein Anfangsverdacht oder eine konkrete Gefahr besteht (Speicherung bestimmter Daten auf Vorrat).“

Die Regierung will alle Verkehrs- und Kommunikationsdaten aller Bürger auf Vorrat sammeln – ohne konkreten Anlass. Im Prinzip ist die Richtlinie 2006/24/EG der Europäischen über die Vorratsspeicherung von Daten schuld; wie diese Vorgabe juristisch umgesetzt wird, bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht erklärte die deutschen Vorschriften – also den ersten Versuch zur Vorratsdatenspeicherung – mit seinem Urteil vom 2. März 2010 für verfassungswidrig und nichtig.

Das interessiert die Zensur- und Überwachungsmafia und deren politischen Lautsprecher natürlich nicht. Und Leutheusser-Schnarrenberger ist nur so eine Art feministische Theologin: Sie versucht, das Falsche, Lächerliche, Böse noch irgendwie angenehm zu kostümieren und uns schmackhaft zu machen. Mit der Vorratsdatenspeicherung ist es aber wie mit der Schwangerschaft – ein bisschen geht nicht.

Wie absurd die Diskussion mittlerweile ist, zeigt das Beispiel: Welche Reaktion würde jemand ernten, der forderte, alle Jogger und sonstigen Fußgänger würden ab sofort generall überwacht und ihre Wegstrecken protokolliert werden, weil man auf diese Weise auch zu Fuß flüchtende Bankräuber erwischen würde? Genau so argumentieren die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Was offline gilt, muss auch online gelten: Anonymität im Internet ist ein Bürgerrecht!

Die German Privacy Foundation hat das so formuliert: „Die zunehmende Überwachung der Kommunikation erfordert das Recht auf und den Schutz der Privatsphäre. Die Freiheit in der digitalen Welt muss verteidigt werden. Das Recht auf ungehinderte Kommunikation ist ein Menschenrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also auch auf Anonymität, ein unverzichtbares Bürgerrecht und eine Grundfeste des Datenschutzes. Jeder hat das Recht, selbst zu entscheiden, welche Informationen er oder sie über sich selbst preisgibt. Solange nicht ein staatliches Gesetz oder die Rechte anderer entgegenstehen, kann jeder Mensch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der Form ausüben, dass er anonym auftritt und sich insbesondere im Internet anonym bewegt.“

Update: Vgl. Thomas Stadler: „Die Vorratsdatenspeicherung ist aus grundsätzlichen rechtsstaatlichen Erwägungen heraus abzulehnen und es hat dabei zu bleiben, dass deutschen Ermittlungsbehörden nicht dieselben Imstrumente an die Hand gegeben werden dürfen, wie den Behörden totalitärer Staaten. Zudem wäre wünschenswert, dass die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung stärker in den Kontext des Datenschutzes gestellt wird. Denn die Politik kann nicht einerseits ein hohes Datenschutzniveau, das nur durch die gesetzlich normierten Ziel der Datenvermeidung und Datensparsamkeit erreichbar ist, propagieren und andererseits eine Vorratsdatenspeicherung fordern.“

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