Die Schattenseiten des Internetzes

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Das ist doch mal eine halbwegs gute Nachricht: Laut Heise setzt zum Glück nur ein Viertel aller Eltern Software ein, um das Online-Verhalten ihrer Kinder zu überwachen. Das sind zwar immer noch viel zu viele, aber eine zweite gute Nachricht kommt gleich hinterher: Die Filter- und Zensursoftware ist in der Regel grottenschlecht. Quod erat demonstrandum.

„Demnach lassen sich mit 84 Prozent der untersuchten Programme nicht für Kinder geeignete Seiten recht gut blockieren. Während die Erfolgsquote wird vor allem beim Filtern von Erotikangeboten hoch sei, funktioniere das bei Webseiten rund um Magersucht, Suizid oder Selbstverstümmelung weniger gut. Gleichzeitig würden teils Angebote mit besonders kindgerechten Inhalten fälschlich blockiert.“

Bruhahaha. Wie kann man bei solchen Sätzen überhaupt ernst bleiben? Ist es ein Erfolg, wenn Kinder keine „Erotik“ mehr sehen dürfen? Und sind Websites, die sich mit Magersucht beschäftigen, jetzt auch verboten und fallen unter den klostertauglichen deutschen Jugend“schutz“? Die Erfolgsquote bei Selbstverstümmelung ist nicht hoch – ich weiß gar nicht, was die meinen?

Zugegeben, ich würde einem kleinen Kind die Fotos auf rotten.com nicht zumuten, selbst ich kann mir das kaum ansehen. Aber warum sollte ich das sperren wollen? Ich würde meinen Kinder eher verbieten, sich ohne Aufsicht einem katholischen Pfaffen zu nähern. Medienkompetenz bedeutet doch, dass man Kinder über die Risiken und Nebenwirkungen des Surfens aufklärt und diese erzieherische Aufgabe nicht irgendeiner Software überträgt, deren Programmierer ich weder kenne noch deren Kriterien. Vielleicht wollen die lieben Kleinen porn später an der University of Sussex studieren, können sich aber nicht informieren, weil der Rechner sich bei Eingabe der Zeichenfolge s e x gleich in die Luft sprengt?

Der Titel derartiger Medienberichte dürfte nicht heissen „Kinderschutz-Filter oft noch unzureichend“, weil das suggeriert, es gebe einen zureichenden Schutz durch Zensur-Programme, sondern: „Filter-Software ist nicht imstande, Kinder zu schützen.“ Und natürlich gehört zu einer guten Erziehung der lieben Kleinen, dass Eltern Hilfe leisten können, wenn Zensur im Internet umgangen werden muss.

Bei SpOff finden wir heute einen ähnlich schlampig formulierten Artikel: „Seit langem will der Inlandsgeheimdienst FSB Internetanbieter dazu zwingen, missliebige Seiten zu sperren. Ein Gesetz verpflichtet Internetdienstleister, auf eigene Kosten eine Hardware zu installieren, durch die der FSB – nach Genehmigung durch einen Richter – verfolgen kann, wer welche Web-Seiten besucht und welche E-Mails schreibt. Manche Unternehmen üben sich mitunter schon in freiwilliger Selbstzensur.“

Moment – wir hier Russland beschrieben oder Deutschland? Ein kritisches Wort vermisse ich – das wäre eine journalistische Aufgabe. Wie will ein Geheimdienst einen Provider zwingen, „missliebige“ (wem?) Webiste zu sperren? In Nordrhein-Westfalen wurden die Internet-Anbieter gezwungen, zum Beispiel die missliebigen Seiten zu sperren. Die deutsche TKÜV – ein Gesetz, dass die rot-grüne Regierung uns bescherte, verpflichtet Internetdienstleister, auf eigene Kosten eine Hardware zu installieren, durch die nicht nur der deutsche Inlandsgeheimdienst, sondern auch Polizeidienststellen alle E-Mails in Echtzeit mitlesen können. Freiwillige Selbstzensur ist bei deutschen Providern ohnehin Standard, (Die These, man könne mit einer Hardware verfolgen, wer welche Web-Seiten besucht, ist übrigens schlicht grober Unfug. Wer als Chef vom Dienst so etwas durchlässt, ist ein Internet-DAU.)

Ein verantwortungsvoller Journalist hätte in einem Artikel über „Russlands Angst vor Datenlecks“ erwähnt, dass Deutschlands „Angst“ nicht nur genauso groß ist, sondern dass auch die Zensur und die Überwachung hierzulande keinen Vergleich mit Diktaturen zu scheuen braucht.

Bei Heise lese ich, „dass 39 Prozent der europäischen Kinder und Jugendlichen bereits mit Schattenseiten des Internets in Berührung gekommen sind.“ Das muss ich energisch zurückweisen – so viele Benutzer hat burks.de denn doch nicht.

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Kommentare

One Kommentar zu “Die Schattenseiten des Internetzes”

  1. Christine am Januar 19th, 2011 10:59 am

    Schöner Artikel. Das Problem der meisten Eltern ist leider nur, dass sie keine Ahnung über die Gefahren im Netz haben und meist auch keine Zeit sich mit ihren Kindern zusammen an den PC zu setzen. Viele Kinder werden heute vor den PC geparkt. Daher kann einer Kindersicherung gerade für junge Kinder schon auch Hilfe für die Eltern sein.

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