Compañia Minera San Esteban Primera – eine kriminelle Vereinigung

Der Rettung der Bergleute in Copiapó in Chile hat mich aus mehreren Gründen bewegt. Ich stamme aus einer Bergarbeiterfamilie, einer meiner Großväter war vierzig Jahre lang Kumpel in Bönen. Mein Vetter Peter sitzt dort noch immer im Gemeinderat und macht sich dafür stark, dass die ehemalige Zeche als Kulturdenkmal erhalten wird.

Ich habe in Südamerika mehrere Minen besucht, bin zum Teil unter abenteuerlichen Umständen sogar eingefahren. 1980 war ich in der Mine von Oruro in Bolivien – zusammen mit einem Freund. Wir mussten mehrere Tage waren, bis wir die Erlaubnis bekamen einzufahren. Das ausschlaggebende Argument, das uns die Türen öffnete, war, dass mein Vater und beide Größväter auch mineros gewesen sind. Uns werde damals recht mulmig, als wir sahen, dass die Flöze nur selten abgestützt worden waren und dass jeder dort unten rauchte wie ein Schlot. Unsere Zigaretten wurden wir komplett los.

Interessant ist übrigens der Hinweis auf Wikipedia: „Der Kollaps des Zinnmarktes 1985 verursachte das Ende des Bergbaus in Oruro. Zunächst konnte der Abbau des Erzes in den Minen noch aufrechterhalten werden. Heute sind jedoch nur noch sehr wenige, größtenteils privatisierte Minen in Betrieb. Einige Bergleute haben sich nach der staatlichen Schließung zu Kooperativen zusammengeschlossen und betreiben den Abbau der Mineralerze nun in eigener Regie.“

Ich war 1984 natürlich auch in der weltberühmten Silbermine in Potosi, Cerro Rico. Am aufregendsten war aber die Minenstadt Llallagua in Zentral-Bolivien mit der Mine Siglo XX. Ich hatte mir von der COMIBOL in La Paz eine Erlaubnis geholt und durfte in Begleitung eines Ingenieurs einfahren. Leider habe ich meine Fotos von damals noch nicht digitalisiert.

Bergleute sind immer die am besten organisierten Arbeiter und sehr kämpferisch – sozusagen die Avantgarde der Arbeiterklasse. Das Thema hat mich nie losgelassen. (Nicht zu vergessen der Hinweis auf meinen Roman „Die Konquistadoren“, dessen Helden sächsische Bergleute im 16. Jahrhundert sind.) Leider reden die jetzt geretteten chilenischen Bergleute zu viel von höheren Wesen. Das liegt auch daran, dass der Einfluss protestantisch-evangelikaler Sekten in Lateinamerika leider sehr hoch ist.

Warum das Unglück überhaupt passiert ist, wird zur Zeit wenig diskutiert. Ausgerechnet bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, die nicht für Kapitalismus-Kritik berühmt ist, lese ich: „Mehrere Versuche, die Männer zu lokalisieren, schlugen fehl, was unter anderem daran lag, dass eine der Bohrsonden zwar die richtige Tiefe erreichte, den Zufluchtsort der Verschütteten aber aufgrund ungenauer Pläne von der Mine verfehlte. Fahrlässig des Weiteren der Umgang mit den Informationen durch den Besitzer der Mine, Alejandro Bohn. Dieser gab erst einige Stunden nach dem Einsturz die Nachricht weiter. Inzwischen wurde auch bekannt, dass den verschütteten Bergleuten eine lebensrettende Leiter fehlte, mit deren Hilfe sie durch einen Lüftungsschacht selbstständig ins Freie hätten gelangen können.“

Und: „Zudem stellte sich heraus dass das Bergwerk in diesem Jahr bereits einmal aufgrund von Sicherheitsmängeln und wegen des Unfalls eines Arbeiters für einige Zeit geschlossen worden war.(…) Unterdessen ergaben sich neue Probleme, da der Besitzer der Mine Insolvenz angemeldet hat.(…). Skandalös des Weiteren, dass die Zahlung der Gehälter, sowohl der eingeschlossenen Bergleute als auch derjenigen, die Tag und Nacht an der Befreiung ihrer Kumpel arbeiten, mittlerweile eingestellt wurde.“

Das kann man doch besser sagen. Die Mine wurde überhaupt nur wiedereröffnet, weil die Weltmarktpreise für Kupfer stark angestiegen waren. Wenn es um Profit geht, ist die Sicherheit egal – das gilt für private Bergwerke in Chile genauso wie für die in Russland und China. Über die Eigentümer kann im im Verzeichnis chilenischer Minen natürlich viel herausfinden:
Compañia Minera San Esteban Primera
Presidente: Marcelo Kemeny Fuller
Gerente General: Alejandro Bohn Berenguer
Dirección: Fidel Oteiza 1921 Oficina 806-Providencia
Fono: 2254651-2254648-2254630
Fax: 2238880-2747873
Fax: (52)212636-Copiapó

Die deutschen Medien haben bisher auch nicht erwähnt, dass der Präsident und der Geschäftsführer der Bergbaugesellschaft einschlägig bekannt sind: „El 4 de febrero de 2008, de acuerdo a una causa del Juzgado de Garantía de Copiapó, RUC: 0600853906-3 y RIT: 6147-2006, el presidente de la Compañía Minera San Esteban Primera, Marcelo Armando Kemeny Fuller, y el gerente general de la misma, Alejandro Miguel Antonio Bohn Berenguer, fueron formalizados por el juez Pablo Alonso Vergara Lillo por ‚cuasidelito de homicidio‘.“ Sie standen also beide 2008 wegen „Totschlags“ vor Gericht. Die Minengesellschaft kann man also getrost als kriminelle Vereinigung bezeichnen.

Der Kommentar auf stern.de hat mir gefallen: „Damit sich die chilenischen Bergleute der Weltöffentlichkeit nicht als Lumpenproletarier präsentieren, wenn sie aus der Rettungskapsel klettern, sind sie rechtzeitig mit Pflegeprodukten versehen worden: Schuhcreme soll den Bergmannsstiefeln Glanz verleihen, und für ein freundliches Gesicht gab’s zu den Rasierutensilien noch eine Hautlotion. Mehr benötigt auch Mick Jagger nicht für seinen Auftritt.“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Compañia Minera San Esteban Primera – eine kriminelle Vereinigung”

  1. Woodward am Oktober 13th, 2010 6:49 pm

    first class Journalismus ist das.

    Danke

  2. Kapitalistenschwein am Oktober 13th, 2010 11:41 pm

    Hat die Bergleute irgendwer gezwungen in der Mine zu arbeiten ? Sicher nicht. Die achso Ausgebeuteten haben wohl eher ganz bewusst einem Austausch mehr Einkommen für mehr Risiko zugestimmt. Aber ein tiefgläubiger Marxist wie sie wird das wohl nie verstehen. Auf was sie sich offenbar aber hervorragend verstehen ist Hygiene. Nach ein paar Wochen bei 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit, mussten die Bergleute mit Sicherheit von der kapitalistischen Weltverschwörung zum rasieren und zum Schuhputz gezwungen werden. Das ist Sonnenklar und leuchtet sofort ein. Und Hautcreme ?? Dann steckt bestimmt auch die böse Pharmaindustrie dahinter. War ein ganz übler Versuch von Produktplacement. Es waren ja schließlich auch schon Kameras bei den Eingeschlossenen.

  3. Lemmy Caution am Oktober 16th, 2010 5:32 pm

    In Chile waren die Minenarbeiter die eigentlichen Protagonisten der Berichterstattung. 33 Chilenen der unteren Mittelschicht wurden zu selbstorganisierten „Helden“. Fuer mich ist das der zentrale Punkt. Die 33 Maenner sind sicher KEINE amorphe Masse, die mit Schuhcreme ausgestattet werden muss. Damit gibst du die Realitaet dieser Maenner und dieses Landes einfach nicht wieder. Selbstverstaendlich bleibt hier in Sachen Arbeitsschutz und Loehnen einiges zu tun. Hab keine genauen Zahlen, aber sie machten schaetzungsweise zwischen 600 und an die 1000 Euro im Monat.

    Der chilenische Staat wird von der Minengesellschaft die Kosten der Rettungsaktion fordern. Damit ist die Gesellschaft pleite.

    Fuer lateinamerikanische Minenarbeiter bedeutet dies sehr vermutlich eine Verbesserung. Nach Unfaellen wird nun nach ihnen gesucht und sie werden nicht einfach fuer Tod erklaert.
    http://settysoutham.wordpress.com/2010/10/15/killed-becomes-trapped-a-big-change/
    Piñera sprach vor der Mine viel von einer ernsthaften Verbesserung der Arbeitsschutzgesetzgebung und ihrer Umsetzung. Er sprach von fehlenden Respekt fuer arbeitende Menschen. Mit seinen sehr deutlichen Worten hatte er leider recht. Ich trau der aktuellen Regierung hier wirkliche Verbesserungen zu. Und ich bin nicht „rechts“.

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