Rechte werden immer öfter immer aktiver im Netz

Deutsche Mainstream-Medien lassen sich für die Propaganda diverser Pressure Groups aka Lobbyisten missbrauchen – das ist kein Geheimnis. Man kann das aus Faulheit erklären, aus mangelnder Professionalität, aus ökonomischem Druck, die Anzeigenkunden nicht zu verärgern. Es gibt viele Gründe. Keiner ist entschuldbar, aber so wie es schlechte Politiker, Ärzte und Juristen gibt, gibt es auch schlechte Journalisten.

Ein schlagendes Beispiel ist wieder einmal Spiegel offline mit einem überaus nichtssagenden, aber um schlampigeren Artikel über das beliebte Sprechblasen-Thema „Neonazis sind immer öfter im Internet“ (wahlweise: „Rechte werden immer aktiver im Netz“). Der Autor Hendrik Ternieden gibt sich noch nicht einmal mehr den Anschein, irgendetwas recherchiert zu haben, sondern plappert kritiklos die Agitprop der Dauer-Skandaltruppe Verfassungsschutz und die der Jugendschutzwarte nach.

„Zwar können viele Inhalte gelöscht werden – doch oftmals tauchen sie ebenso schnell wieder auf.“ Wer löscht hier welche Inhalte? Der Verfassungsschutz? Und welche Inhalte? Verbotene Inhalte? Oder nur ekelhafte, falsche oder unangenehme? Ternieden gibt hier den kritiklosen Nachplapperer der Zensur-Lobby. Es wird noch nicht einmal die Frage gestellt, ob überhaupt eine politische Meinung verboten werden sollte und ob das nützlich und Erfolg versprechend sein. Dieses suggestive Dampfplaudern ist aber typisch für moraltheologische Artikel „gegen“ Rechts, die weder journalistischen Ansprüchen genügen noch das Publikum über irgendetwas aufklären.

„Nie zuvor gab es so viele rechtsextreme Websites, warnte unlängst Jugendschutz.net, die Zentralstelle der Länder für Jugendschutz.“ Wie viele unabhängige Quellen haben wir denn hier? Nur eine abhängige, dazu noch eine umstrittene Lobby-Organisation: Eine kleine Recherche, zum Beispiel im Whois zur Domain, bringt zu Tage, dass jugendschutz.net in Wirklichkeit eine GmbH, also eine Firma, ist. Zwar präzisieren andere Quellen, dass es eine gemeinnützige GmbH sei, aber das sorgt im Wesentlichen nur für Steuervergünstigungen. Dabei ist jugendschutz.net bzw. die „LPR Trägergesellschaft für jugendschutz.net GmbH“ eine der wenigen Firmen, die es geschafft haben, in einem Gesetz erwähnt zu werden. Schon mal nachgeprüft? Oder Kopf ab zum Gebet, es sind ja Jugend“schützer“?

„Doch wie gefährlich sind die Braunen im Netz wirklich? Nur schwer lässt sich abschätzen, wie groß ihre Wirkung ist“, schreibt Spiegel Offline. Nichts Genaues weiß man offenbar nicht, nur, dass die Bösen immer böser werden und immer klüger und das „Netz“ immer öfter nutzen. Das habe ich schon 1993 so gehört. Ihr langweilt mich mit eurem sinnfreien Mahnen und Warnen.

Ich habe 2007 dem Tagesspiegel ein Interview gegeben: Nein, das Wort „neue Strategie“ oder „neue Qualität“ ist ein Textbaustein, den ich seit 15 Jahren in regelmäßigen konjunkturellen Zyklen höre, aus den immer gleichen Meldungen des Verfassungsschutzes: Neonazis werden immer böser, nutzen immer öfter das Internet… Ich höre da schon gar nicht mehr hin. Anfang der 90er Jahre wurde behauptet: Neue Qualität – Neonazis nutzen Mailboxen. Bombenbauanleitungen… Das war ja alles ganz fürchterlich. Später: Neonazis nutzen das Internet, und jetzt aufgesplittert: Neonazis nutzen Foren in den USA, jetzt nutzen Neonazis auch flickr.com, und jetzt nutzen Neonazis Web 2.

Bei der Lektüre des hysterisch angehauchten Artikels bei Spiegel Offline fragt man sich irgendwann: Was will uns jetzt der Künstler damit sagen? „Die staatlichen Kontrolleure sind machtlos. Solange keine strafbaren Inhalte veröffentlicht werden, haben sie keine Handhabe. Dann kann auch der Verfassungsschutz nur eines tun: beobachten. Und das ist in den Tiefen des Internets eine gewaltige Aufgabe. “

Wer hätte das gedacht? Muss man denen jetzt mehr Geld oder mehr Mittel geben? Vielleicht hat der geschätzte Kollege Ternieden in den letzten 30 Jahren hie und da die Forderung gehört, diese total überflüssige Organisation ersatzlos zu streichen? Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich vor langer Zeit ummehr als vierzig Kästen Champagner gewettet, dass es keinem unangenehm auffallen würde, wenn es den Verfassungsschutz nicht mehr gäbe.

Der „Jugendschützer Glaser“ ist eine der abhängigen Quellen, die der Spiegel-Offline-Autor zu Wort kommen lässt, ohne auch nur eine einzige These überprüft zu haben. Etwas klarer wird auf Endstation Rechts, wes Geistes Kind dieser „Jugendschützer“ ist: „‚jugendschutz.net‘ erreicht zwar in vier von fünf Fällen, dass unzulässige Inhalte gelöscht werden.“ Unzulässig! Was ist hier warum „unzulässig“? Was den Jugendschutzwarten nicht gefällt?

Ich frage mich, ob man bei den Mainstream-Medien einfach nur dumm und faul ist oder ob eine Methode dahinter steckt – ich wüsste aber nicht welche. Vielleicht machen wie wohlwollenden Leser und geneigten Leserinnen einfach einen Selbstversuch: Man lese den oben erwähnten Spiegel-Offline-Artikel noch einmal ganz unvoreingenommen und frage sich anschließend, welche Inhalte im Gedächnis haften geblieben sind und welchen Gefühl im Magen zurückbleibt? Keine? Und das dumpfe Grummeln: Der Staat muss da doch härter durchgreifen und die Jugend noch mehr klostertauglicher schützen? Zensur ist gut, wenn es gegen die Bösen geht?

Bei mir bleibt nur das Gefühl zurück, das sich gleich kotzen könnte, wenn ich diese als Journalismus getarnte Propaganda lesen muss.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Rechte werden immer öfter immer aktiver im Netz”

  1. Manuel Rodriguez am September 13th, 2010 8:56 pm

    Anmerken möchte ich, dass re rechtsextremes Gedankengut nicht nur im Real Life auftritt sondern auch in Medienformaten wie Big Brother. In Deutschland (RTL2) wurde beispielsweise Rebecca wegen des Ausspruchs „Sieg Heil“ vorzeitig aus dem Projekt ausgeschlossen. Michele hatte zu später Stunde im Garten türkenfeindliche Witze erzählt und Robert provozierte mit einem Hitler-Vergleich. Aber auch in Groß Britannien (Channel 4) gab es rassistische Äußerungen: Jade Goody hat eine Inderin beleidigt und Michelle Bass wurde wegen „offensive speach“ ins Sprechzimmer gerufen. Sie hatte wohl etwas gegen Schwarze gesagt.

  2. finkeldey am September 14th, 2010 9:17 am
  3. Michael am September 14th, 2010 10:56 pm

    Lass mal: An solche Themen werden mE gern Amateure und Anfänger drangelassen – schließlich wird man hier wahrscheinlich nicht verklagt oder abgemahnt, wenn man Bullshit schreibt. Herr Ternieden ist Volontär, hat Sportwissenschaften studiert, und noch ziemlich jung. Guckst Du http://www.spiegel.de/extra/0,1518,666492,00.html

    Erwähnenswert finde ich allerdings noch, daß in dem Spiegelartikel die Legende der „unterschwelligen Werbung“ aus der Rumpelkammer geholt wird

  4. admin am September 15th, 2010 12:27 am

    stimmt! „Seit November 2009 Volontär bei SPIEGEL ONLINE.“ Rechtsextremismus ist ein Thema für Volontäre…

  5. Dennis am September 17th, 2010 1:45 pm

    Und bald dürfen wir der Propaganda laut TP auch in Grundschulen lauschen: http://www.heise.de/tp/blogs/6/148384

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