Unter Sektenexperten

Ich werde immer hellhörig, wenn sich alle Medien im Gleichklang befinden (um das hässliche Wort „Gleichschaltung“ zu vermeiden). Hamburg schließt seine Arbeitsgruppe Scientology. Das ist doch eine gute Nachricht: Der Staat hat sich aus Aberglauben, Verehrung höherer („Gott“) und niederer Wesen („L. Ron Hubbard„) herauszuhalten. Jeder Bürger hat das Recht, an Blödsinn zu glauben und anderere damit maßvoll zu belästigen („Mission“).

Was lesen wir aber in deutschen Medien zum Fall der „SektenjägerinUrsula Caberta (Ex-SPD, Ex-WASG)? Sie müsse „aufgeben“, die „abservierte Sektenjägerin“ (taz), ein „Riesenskandal“ (Deutschlandradio),“Empörung bei der SPD und bei den Grünen“ (Süddeutsche). Die üblichen medialen Beissreflexe der Gutmeinenden eben. Das Neue Deutschland: „Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sieht nach der Entscheidung ‚freie Fahrt für Scientology'“. Ich frage mich,wer hier eigentlich irre ist…

Mir sind Leute, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, etwas mit Furor zu bekämpfen, immer ein Gräuel. Das erinnert mich an Saulus, der zum Paulus geworden und die Elche, deren größten Kritiker früher oder später selber welche waren – oder sind. Die taz schreibt ganz richtig: „Der Ton, in dem Caberta dieses Wissen vortrug, wurde jedoch immer schriller, ihre Auskünfte gingen mehr und mehr in Scientology-Beschimpfungen über.“ Man kann „mutig und ausdauernd“ (Hamburger Abendblatt) auch „verbohrt und fanatisch“ nennen. Wo eigentlich ist da noch der Unterschied zwischen „Jäger“ und „Gejagtem“?

Man muss sich nur Cabertas Amt genauer ansehen: „Die Oberste Landesjugendbehörde, genauer die ‚Oberste Landesjugendbehörde für den Jugendschutz bezüglich neuer und ideologischer Gemeinschaften und Psychogruppen‘, trägt durch Beobachtung und Analyse dieser Gruppierungen zur Aufklärung der Öffentlichkeit über deren Aktivitäten bei.“ Das ist so deutsch, deutscher geht es nicht. Eine unterste Landeserwachsenenbehörde für den Schutz der Rentner vor religiösem Wahn gibt es also nicht.

Caberte hat sich immer für ein Verbot der Psycho-Sekte Scientology ausgesprochen. Damit steht sie in einer Reihe mit ähnlichen Figuren wie Beckstein und anderen deutschen Innenministern: „Einschränkend sagte Körting jedoch, dass es bei dem Beschluss nicht primär um ein Verbot der Organisation gehe. Wichtig seien vor allem Prävention und Aufklärung.“

Zensur kostümiert sich also auch hier als „Jugendschutz“ und „Aufklärung“. Aufklärung bedeutet in Deutschland: Verbot – der Staat bestimmt, was sittlich gefährdet. (By the way: gibt es eigentlich noch die Sittenpolizei? Da würde ich gern mal ein Volontariat machen.) Und das „Propagandaministerium“ heisst natürlich „Ministerium für Wahrheit“ und „Krieg“ heißt „Friedenserzwingung“. Kennen wir alles schon.