Betrug am Leser

Was sind das doch für Feiglinge bei Zeit Online! „Am vergangenen Donnerstag saß Oliver Bierhoff vor dem Restaurant des Mannschaftshotels in Südafrika. Es sollte eines dieser vielen WM-Interviews werden. Es wurde eines, dessen Veröffentlichung der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und er selbst im Nachhinein untersagten. Es hätte zu viel – ‚inhaltlich und sprachlich‘ – geändert werden müssen, lautete eine Begründung des Pressesprechers.“

Seit wann hat irgendjemand ein Recht darauf, ein Interview autorisieren zu lassen? Sind wir hier im realen Sozialismus?

Vor sieben Jahren veröffentlichte Telepolis einen Artikel zum Thema: „Neun bundesdeutsche Tageszeitungen wehren sich mit einer Aktion gegen zunehmend restriktiv gehandhabte Interview-Autorisierungen, Besserungen sind wohl nicht zu erwarten“. Die taze nannte die typisch deutsche Unsitte der Autorisierung „Betrug am Leser“. Zu Recht. Geändert hat sich nichts.

Als ich noch Chefredakteur des Medienmagazins Berliner Journalisten war, habe ich es schlicht verboten, Interviews autorisieren zu lassen. Wer nicht druckreif reden kann, sollte das Maul halten. Man kann auch glasklar zwischen einem Hintergrundgespräch, vom den nichts publiziert wird, und dem eigentlichen Interview trennen.

„Zu den Regeln, auf die Politiker bei Presse-Interviews pochen, gehört die nachträgliche Autorisierung des Gesprächs“, schrieb taz. Wer hat denn die Regeln aufgestellt? Niemand. Es war die Feigheit der deutschen Journaille – und ist sie immer noch. Kein Journalist im angelsächsischen Sprachraum würde so etwas tun. Wenn hierzulange keiner mitmachte, könnte sich kein Politiker oder Pseudo-Promi erlauben, zu herumzuzicken wie jetzt Bierhoff. Selbst schuld. Die heuchlerische Attitude von Zeit Online entlarvt sich selbst.