Abscheuliche Freitagsblogger

Zeig Mal

Ich habe mich auf der Website des Freitag umgesehen. Das ist die Wochenzeitung mit Ost-Wurzeln, die Jakob Augstein gehört. Beim Freitag kann man sich als Blogger registrieren und dann unter deren Logo gleich loslegen. Man hofft wohl auf eine Art Schwarmverhalten, wofür der Deutsche ohnehin empfänglich ist.

Das gewohnt linkfreie Holzmedium FAZ hat sich darüber ironisch geäußert: „Auch über Politik wird beim ‚Freitag‘ diskutiert. Sogar versprengte Liberale schreiben mit“. Man riecht den Willen der bezahlten FAZ-Schreiberlinge, ein Schild aufstellen zu wollen: „Ab hier Qualitätsjournalsismus – wir werden schließlich dafür bezahlt!“

Dumm für den Freitag, dass ich „Allgemeine Geschäftbedingungen“ lese. Im Kleingedruckten finden man oft die wahren Absichten, die sich hinter dem einlullenden Werbe-Gefasel verbergen. Der Deutsche kann seinen Hang zur unkontrollierten Zensur natürlich nicht ablegen, auch wenn er ein „versprenger Liberaler“ ist oder gar ein nicht versprenger Linker. Was lesen wir also beim Freitag? „3.2 Insbesondere verpflichtet sich der Nutzer, keine Inhalte zu verfassen oder zu verbreiten, die rassistisch, beleidigend, obszön, vulgär, sexuell orientiert, abscheulich oder bedrohlich sind oder sonst gegen ein Gesetz verstoßen würden.“

„Sexuell orientiert, abscheulich oder bedrohlich“. Aha. No sex please, we are Ossis and Protestants? Abscheulich hat etwas mit „Scheu“ zu tun und kann auch „verwerflich“ bedeuten. Da haben wir wieder den deutschen Tugendwächter und Jugenschutzblockwart, der überall mit zusammengekniffenen Lippen lauert, wo es etwas zu melden, denunzieren, durchführen und verbieten gäbe, der aber beim Freitag vermutlich genau so wenig Honorar bekommt wie die Blogger. Bedrohlich? Ein Journalist, der keine Artikel schreibt, die für irgendwelche Schelme oder Bösewichter bedrohlich sind, hat seinen Beruf verfehlt.

Ich habe mich natürlich sofort auf die Suche nach etwas sexuell Orientiertem, Abscheulichen und Bedrohlichem gemacht. Der obige Screenshot zeigt die antiquarische Ausgabe des Aufklärungsbuches „Zeig mal“, das 1974 erschienen ist. Bei Wikipedia heisst es: „In dem Buch wird durch anschauliche Bilder die neugierige erwachende kindliche Sexualität gezeigt. Als Begleittexte dienen die Kommentare der fotografierten Kinder. Das Buch erlangte bei seinem Erscheinen hohe Anerkennung, wurde mehrfach von den Art Directors Clubs Deutschlands und der USA ausgezeichnet und unter anderem von Pro Familia und Organen der evangelischen Kirche empfohlen. Bis 1995 erschienen mehrere zum Teil erweiterte Auflagen, von 1988 an unter dem Titel Zeig mal mehr! Das Buch wurde in sieben Sprachen übersetzt und weltweit in nahezu einer Million Exemplaren verkauft.“

Nach der geistig-moralisichen Wende Helmut Kohl sah das plötzlich anders aus: „Nachdem 1996 die Junge Union Wuppertal und das Jugendamt Frankfurt am Main voneinander unabhängig erneute Indizierungsanträge gestellt hatten und die Zeit in einem Artikel Will McBride der Förderung von Kindersexualität bezichtigte, ließ der Autor selbst sein Werk vom Markt nehmen.“ O tempora o mores!

Heute würden Zensursula und Konsorten gleich von Kinderpornografie reden. Und wer über den Fall bloggt, darf das keineswegs beim Freitag tun, denn das Thema ist „sexuell orientiert, abscheulich und bedrohlich“ – weil man für Aufklärung heute schnell in den Knast kommen kann.