Warum die Linke Wulff zum Präsidenten machen wird

Dritter Wahlgang also. Ich lege mich darauf fest, dass nicht genügend Wahlfrauen und -männer der Linken beim nächsten Mal für Gauck stimmen werden. Das hat nichts mit Inhalten zu tun, sondern mit dem, was an kulturellen Traditionen in ihren Köpfen ist.

Die Linke ist, von ihrer Wählersubstanz her, sowohl preussisch-protestantisch als auch deutsch. Das heisst: Ihr fehlt die Leichtigkeit des Seins. Das hat auch sein Gutes. Deutscher Politik (außer der bayerischen) fehlt die Flexibilität der Italiener, die immerhin auf mehr als 2000 Jahre Erfahrung in Kungelei und Mauschelei zurückblicken können, aber eben auch auf Korruption. Jeder kann mit jedem in Italien, wenn nur die Kohle stimmt. In Deutschland kann keiner mit keinem, wie man in NRW gesehen hat.

Die Linke wird also „nach innen“ abstimmen, sich enthalten, also so, wie ihre eigene Klientel es mag, nicht wie es politischer Pragmatismus erwarten lassen könnte. Den Leuten im Beitrittsgebiet sind sowohl Wulff als auch Gauck egal, aus unterschiedlichen Gründen. Und die West-Wähler der Linken kommen zu einem großen Teil aus abseitigen politischen Kleinst-Milieus oder sind ohnehin Querulanten (mit Ausnahme der echten WASG-Proletarier). Warum sollten die jetzt plötzlich nicht mehr sektiererisch agieren?

Es geht um vermeintliche „Prinzipien“, nicht darum, wer am größeren medialen Rad drehen könnte. Um mich wiederholt selbst zu zitieren: Ich bin Realist und Zyniker. Ich wünsche mir Wulff. Wie ich schon zitierte: Es macht keinen Unterschied, ob nun Christian Wulff Bundespräsident wird oder ein lesbisches Suppenhuhn.

Update: ich habe Recht behalten.

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Kommentare

7 Kommentare zu “Warum die Linke Wulff zum Präsidenten machen wird”

  1. Georg Kraus am Juni 30th, 2010 6:04 pm

    Das, was Gabriel nun als Nebelkerze steigen ließ „Vorschlag an Frau Merkel: Herr Wulff tritt nicht mehr an und wir alle setzen ein Zeichen und wählen Herrn Gauck gemeinsam“ hätte Merkel schon vor zwei Wochen machen sollen. Das wäre mal ein genialer politischer Schachzug gewesen. Statt Zitterpartie wäre sie als der große Wahrer der deutschen Gemeinsamkeit gefeiert worden „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche.“ (Vaterlandsverräter Wilhelm Zwo 1914).

    Guido hätte das als sein Initialzündung verkaufen können und die FDP wäre wieder über die 5 Prozent in den Umfragen gehüpft. Die Linke wäre weiter isoliert geblieben.

    Aber nein. Auf mich hört ja keiner.

    Frank Rennicke hatte übrigens im Ersten Wahlgang 2 Stimmen – wie erwartet. Im Zweiten Wahlgang jedoch 3 Stimmen. Das wird noch ein Nachspiel haben. Das ist ein Thema für de investigative Gegen-Rechts-Postille, die ZEIT. Die kampagnierten vor ein paar Jahren einmal gegen ein Bäuerlein aus Niedersachsen. NPD-Mitgied und seit Jahrzehnten immer wieder in den örtlichen Kirchenvorstand gewählt. Genug Motiv für die ZEIT-Kampagne gegen ihn. Sie warfen ihm dann u.a. vor, daß er ein Blechschild an seiner Scheune hängen habe, daß für die Wiedervereinigung mit Ostdeutschland wirbt. Ich habe ihnen dann geschrieben, daß das eine Wahlkampf-Aktion der SPD aus den 50er Jahren war. Der Troll von Redaktör rief mich dann an, bedankte sich und insistierte, daß doch nur wichtig sei, gegen die „braune Pest“ anzugehen. Da habe ich mein ZEIT-Abo dann gekündigt – mit schriftlicher Begründung.

    Die Wahl ist tatsächlich spannend. Wobei die Linke nun doch wirklich etwas für ihr Image tun könnte mit einer Stimmabgabe für Gauck.

    Aber es wird wohl kommen, wie Sie prophezeien.

  2. Lesbisches Suppenhuhn « MondoPrinte am Juli 1st, 2010 5:47 am

    […] (wie auch andere Unions-Politiker bzw.  – huch! – Hans-Jochen Vogel). Wie meint Burkhard Schröder: Es macht keinen Unterschied, ob nun Christian Wulff Bundespräsident wird oder […]

  3. Georg Kraus am Juli 1st, 2010 1:11 pm

    Was ich überhaupt nicht verstehe ist:
    Ich habe den halben Nachmittag und Abend nebenher Phoenix geschaut und fand die Moderation sogar recht ansprechend. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß die Wahlergebnisse für wirklich alle erst durch den Wahlleiter, Herrn Lammerts, öffentlich bekanntgegeben würden.

    Daß dies für Frau Merkel nicht galt und sie schon vor der Verkündung das Ergebnis wußte… gut. Das akzeptiere ich noch.

    Aber das Ergebnis des 3. Wahlganges wurde schon einige Minuten vor der Verkündung in der Laufleiste am unteren Bildschirmrand eingeblendet. Auch nicht richtig, oder?

    Frage: Wie schätzen Sie die Langzeitwirkung des Umstandes ein, daß sich ja im Netz wirklich eine regelrechte Pro-Gauck-Kampagne gebildet hat, die aus völlig unterschiedlich Denkenden bestand?

    Könnte es sein, daß es hier nur vordergründig um die Person Joachim Gaucks ging, sondern eher um das Wittern einer Möglichkeit, die völlig verkrusteten politischen Strukturen aufzubrechen und etwas grundsätzlich neues zu initiieren? Ein kleines Schrittchen hin zu einer Art gesellschaftspolitischen Alternative, um nicht gleich von außerparlamentarischen Opposition zu sprechen?

    Oder hoffe ich da (einmal wieder) zu naiv?

    Wie ist Ihre Meinung, werter Burks?

  4. admin am Juli 1st, 2010 2:03 pm

    Die Kampagne pro Gauck „im Netz“ umfasste so viele Personen, wie zu einem durchschnittlichen Bundesliga-Spiel kommen, ist also eine zu vernachlässigende Größe.

  5. Georg Kraus am Juli 1st, 2010 9:06 pm

    Aber wenn man einen jeden Blogger, der sich für Gauck inkl. Begründung eingesetzt hat, als winziges Stückchen Hefe in einem großen Teig sieht, dann wird doch dieser Hefekuchen nach allen Seiten wachsen.

    Ist Zynismus nicht auch Resignation? Was, wenn alle diese Blogger zu Multiplikatoren würden? Könnte es nicht etwas bewegen?

  6. Jörg am Juli 2nd, 2010 10:36 am

    „Italiener, die immerhin auf mehr als 2000 Jahre Erfahrung in Kungelei und Mauschelei zurückblicken können, aber eben auch auf Korruption“

    Dieses Urteil ist ungerecht! Italien ist m. E. jedenfalls w e n i g e r korrupt als Deutschland.
    Nehmen wir mal die Justiz: Ich erinnere mich noch daran, daß es Ende der 1970ger Jahre ein i t a l i e n i s c h e r Richter war, der deutsche Babybreigläser (in Italien) verbot, weil dort (von Hipp? oder Alete?) hormonverseuchtes Kalbfleisch an die Babies verfüttert wurde. Deutsche Gerichte (immerhin kam die Babykost aus Deutschland!) waren zu einem solchen verbot offenbar nicht in der Lage.
    Auch die Richter die gegen den mächtigen Berlusconi ausurteilten, oder dieser mailänder Staatsanwalt: So was hat’s doch noch nie in Deutschland gegeben! Oder die Verfolgung von „Gladio“ -Terroristen oder von CIA-Terroristen, die Leute in Italien entführten, um sie nach Guantanamo zu verschleppen: Da hat sich doch die italienische Justiz – so gut wie sie es gerade konnte – . bravourös geschlagen. Oder die Aufhebung der Genua-Urteile durch ein höchstes Gericht vor ein paar Monaten: In Deutschland wäre doch so was doch fast undenkbar!

    Bei diesem Babykost-Skandal Ende der 1970ger Jahre beklagten sich übrigens (unter dem Schutz der Anonymität) viele Fleischbeschauer, daß sie von den Fleischkonzernen unter Druck gesetzt würden und von den (staatlichen!) Schlachthöfen entlassen würden, wenn sie aufmuckten.
    Hat sich jemals jemand gegen diese Fleisch-Mafia gewandt. Nein – niemals. Auch als ca. 15 Jahre später BSE auftauchte, beklagten sich die amtlichen Fleischbeschauer erneut über die Fleisch-Mafia und deren erfolgreiche Korruption an den staatlichen Schlachthöfen. Ist das je Abhilfe geschaffen worden? Nein – nie!
    Und die Müll-Mafia. Ich hoffe jeder weiß, daß man nichts in die gelb-grünen Wertstoff-Tonnen tun sollte. Denn die kommunalen Müllbetriebe sortieren die Wertstoffe selbstverständlich genauso effektiv aus, wie die hinter den Wertstoff-Tonnen steckende Müll–Mafia. Nur das letztere sich das mit dem drei(!)fachen Preis (glaube ich) vergüten läßt – aus der Landeskasse!
    Hat je einer was gegen die Müll-Mafia unternommen? Nein – nie!
    Oder die Pharma-Mafia, die Waffen-Mafia usw.

    Also: Italien muß sich da ausgerechnet vor Deutschland nun wirklich nicht verstecken!

    Deutschland – bzw. die Staaten auf dem Boden, den man später Deutschland nannte – war in den letzten „2000 Jahren“ auch immer korrupt! Wer durch die vielen deutschen Kleinstaaten reisen mußte, mußte fortlaufend die Zollbeamten bestechen. Letztere wurde dabei von ihren Landesfürsten zumeist so schlecht bezahlt, daß sie ihre Familien gar nicht anders durchfüttern konnten als durch die Annahme von Bestechungsgelder.
    Wenn wir nur die letzten 1000 Jahre betrachten (davor wird es sowieso schwierig, weil wir über die alten Griechen, Hethiter, Ägypter, Römer stets mehr wissen als über die Verhältnisse im ersten nachchristlichen Jahrtausend in Europa), dann war das durch und durch korrupte Deutschland auch stets in erbarmungswürdiger Weise rückständig und verarmt.
    Und auch stets haßerfüllt! An Haß hat es in diesem Deutschland allerdings nie gemangelt.
    Napoleon:“ „Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das Deutsche. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden, die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgen sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung, als ihre wirklichen Feinde“.

    Ein Aufblühen von Technik, Wissenschaft, Kunst, wie etwa in Italien, Frankreich, England oder den Niederlanden hatte es in Deutschland – bis zur Zeit der Aufklärung – nie gegeben. Erst durch die preußische Aufklärungszeit und den beiden bemerkenswerten Königen dieser Zeit kam es zur Beseitigung von Korruption. Dabei wurde auch drastische Mittel eingesetzt.
    Die Adligen, die den nach Preußen flüchtenden österreichischen Protestanten „Wegegeld“ abgeknöpft hatten, wurden von Friedrich-Wilhelm I. vor Gericht gestellt und anschließend hingerichtet. Das war ein Skandal in ganz Europa! Adlige hatten sich zwar schon immer gegenseitig umgebracht; aber daß sie vor Gericht gestellt und auch noch hingerichtet wurden war in Europa völlig neu (bis auf ganz wenige Ausnahmen – z. B. so ein franz. Adliger der um 1200(?) massenweise Kinder mißbrauchte und ermordete).

    Nun spurte auch das untere Beamtentum; denn wer mit Adligen kein Federlesen macht, wird dies auch nicht mit einem kleinen Zollbeamten machen (letztere wurden nun auch ausreichend bezahlt).

    Das Deutschland bis hinein in die 70ger Jahre relativ unkorrupt war, ist allein der Ausstrahlung der preußischen Aufklärung zu verdanken. Mit Verlöschen dieser Ausstrahlung ist Deutschland wieder genauso korrupt wie es immer war.
    Im Vergleich schneidet Italien m. E. besser ab (trotz der Mafia in – hauptsächlich – Süditalien).

  7. Jörg am Juli 2nd, 2010 10:38 am

    Nachtrag:
    „gelb-grünen Wertstoff-Tonnen“:
    Papier und Glas natürlich weiterhin in die dafür gedachten Container!

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