Nicht sexuell-exhibitionistisch und sittlich nicht korrekt, Herr Ermittlungsführer

„Es handle sich ‚eindeutig um eine nicht akzeptable Grenzüberschreitung‘, die die Mädchen belastet habe. Die Lehrerin habe aber bestimmt nicht sexuell-exhibitionistisch gehandelt, ’sondern aus einer mangelnden Sensibilität‘.“ Um was könnte es sich hier handeln? Um das 19. Jahrhundert? Nein, damals kannte man die Begriffe „exhibitionistisch“, „sexuell“ und „sensibel“ noch nicht. Um einen calvinistischen Prediger, der eine nackte Lehrerin auf einem öffentlichen Marktplatz brandmarkt?

Nein. Wie die Süddeutsche berichtet, (via lawblog), haben die Schüler einer sechsten Klasse an einer Münchener Schule für mehrere Sekunden den Büstenhalter einer Lehrerin gesehen.

Ja, in Deutschland grassiert Hysterie. Wieder mal. Anders kann man es nicht mehr nennen.

„Kurz vor Weihnachten erfährt die Schulleitung von dem Vorfall (…) Über mehrere Personen erreicht die Nachricht die Schule. Anfang Januar schickt ein Mitglied der Schulleitung einen Bericht an die ‚Zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung‘ im Personalreferat. (…) .. leitet das Personalreferat ein Disziplinarverfahren ein: Von einer Grenzüberschreitung ist die Rede, weil sie sich ’sittlich‘ nicht korrekt verhalten habe. ‚Die Eltern müssen sich vollkommen darauf verlassen können, dass sie ihre Kinder einer zuverlässigen und integren Person anvertrauen‘, schreibt die Vize-Chefin des Referats, Angelika Beyerle.“

Was ist „sittlich“? Sind wir schon wieder soweit, dass wir eine Sittenpolizei brauchen, in Bayern womöglich auch noch eine katholische Religionspolizei?

Wenn man bei der Süddeutschen wüsste, was Online-Journalismus ist, hätten die uns ein paar Links mitgeliefert. Aber wie gewohnt Fehlanzeige. Nur Papier auf dem Monitor.

Hier erfahren wir, dass es sich um Frau Dr. Angelika Beyerle handelt, die auf einer undatierten Website von muenchen.de als „Gesamtstädtische Antikorruptionsbeauftragte“ gehandelt wird. (Seit wann ist „gesamtstädtisch“ ein Adjektiv? Und was soll es bedeuten?) Hier ein unscharfes Bild von ihr – schade: ich hätte gern sehen, ob sie die zusammengekniffenen Lippen eines Jugendschutzwarts hat. (Nein, hier sieht sie freundlich aus, ganz untypisch für eine Sittenpolizistin.) Hier steht mehr über ihre Karriere: „Dr. Angelika Beyerle, ebenfalls Juristin, hatte 1983 beim Umweltschutz der Stadt begonnen.“

Doitsche Bürokratie at it’s best – man glaubt es kaum: „Anfang Mai findet sich um 14 Uhr die erste Schülerin, elf Jahre alt, in Zimmer 033 ein, ihre Mutter begleitet sie. Mit anwesend: Zwei städtische Beamte als ‚Ermittlungsführer‘, ein Schriftführer, und Anwalt Tersteegen. Die Vernehmung dauert eine Stunde, das Mädchen soll sich an ein paar Sekunden im Dezember erinnern. Beamte und Anwalt wollen viel wissen: Wie lange dauerte das Umziehen? Hatte ihr Pulli V-Ausschnitt oder einen runden? Trug sie unter dem Pulli außer dem BH noch was? Hat sie alles ausgezogen? Das Mädchen malt eine Skizze des Zimmers, um zu zeigen, wo die Lehrerin stand. Dann wollen sie noch was zum angeblichen ‚Nacktfoto‘ wissen. Nach einer Stunde verlässt das Kind das Rathaus, weinend.“

Die Taliban und die iranischen Tugendwächter lassen grüssen. Vor solchen selbst ernannten Sitten- und Tugendwächtern kann man nur aus tiefster Verachtung ausspucken. Nein, ich pädiere nicht für’s Auspeitschen. Solchen Leuten gefällt das womöglich noch.

Deutschland, mir graut vor dir. Wie geht das weiter und wo geht es hin….?