Schmierenjournalismus [2. Update]

Jörg Tauss wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Über den Schmierenjournalismus bei Spiegel offline habe ich mich aufgeregt. In ausnahmslos allen Handbüchern über seriösen Journalismus steht geschrieben, dass Tatsachen und Kommentare nicht vermischt werden sollten. Die Leser sollten fairerweise wissen, woran sie sind. Was schreibt Simone Kaiser? (Ich vermute, das ist dieses Partygirl.)

„Ansonsten versuchten die Verteidiger vielmehr, Tauss als Opfer der zweifellos missglückten Öffentlichkeitsarbeit der Karlsruher Staatsanwaltschaft darzustellen. Sie sprachen von der „sozialen Exekution“ des bis dato unbescholtenen Politikers. Und nährten wider besseres Wissen (hervorgehoben von mir, BS) mit zahlreichen Anspielungen die im Netz kursierenden Verschwörungstheorien… (…) Die bei Tauss sichergestellte ‚Kipo‘, wie der Anwalt die Missbrauchsdateien immer wieder titulierte als rede er von einem Mixgetränk und nicht von dem brutalen Missbrauch vier oder fünf Jahre alter Kinder, sei doch gar nicht Thema des Verfahrens.“ (Zeichensetzung im Original)

Vielleicht sollte man der Kollegin (sie scheint vorwiegend über Frauenthemen zu berichten) raten, den einschlägigen Wikipedia-Artikel zu studieren, anstatt ihre persönliche moraltheologische Keule zu schwingen.

Wikipedia: „Während sich die juristische Bewertung an rechtsstaatlichen Grundsätzen (geschützte Rechtsgüter) orientiert und die sozialwissenschaftliche Analyse Herstellung und Wirkung von Kinderpornografie untersucht, zielt die öffentliche Diskussion zumeist auf moralische Betrachtungen ab.“ Für die Moral sind jedoch, wenn überhaupt, Pfaffen zuständig (mit den dementsprechenden Risiken und Nebenwirkungen), aber nicht Journalisten.

„Während manche Menschen ‚virtuelle Kinderpornografie‘ als opferlose Straftat und deren Verbot als Angriff auf die Kunstfreiheit ansehen, wird deren gesetzliche Gleichstellung zu kinderpornografischem Foto- und Filmmaterial damit begründet, dass solches Material zu realem Kindesmissbrauch anstiften oder diesen verharmlosen könne. Die Medienwirkungsforschung gelangt dabei zu keinem eindeutigen Ergebnis, auch wenn der Zugang zu regulärer Pornografie als verhindernder Faktor von Kindesmissbrauch gesehen wird. (…) Manche Sexualforscher vermuten in der aggressiven Gesetzgebung gegen Kinderpornografie den Versuch sexualfeindlicher, moralkonservativer Gruppen, Pornografie allgemein zu kriminalisieren. Da dies aber wegen des politischen Klimas in westlichen Staaten oftmals nicht möglich sei, würden stattdessen Gesetze gegen Kinderpornografie forciert, die auf eine Weise geschrieben werden können, die nicht nur Kinderpornografie, sondern auch viele andere Medien mit pornografischem Inhalt, oder bloßer Nacktheit, kriminalisieren.“

Genau so ist es. Ich stimme den letztgenannten Sexualforschern zu. Aber ein rationalre Diskurs ist in Deutschland wohl kaum möglich. Der Reiz-Raktionsmechanismus bei bestimmten Themen ist standardisiert hysterisch – Drogen, Kipo, „Bombenbauanleitungen im Internet“.

Update: Empfehlenswert und sachlich ist ein Artikel bei golem: „Das Gericht habe klar festgestellt, dass kein Abgeordneter sich auf den Ausnahmetatbestand berufen könne. „Ein Journalist ja, aber kein Abgeordneter“, sagte der Anwalt. Deswegen sei jede Beschäftigung damit eine private, und damit strafbar.“

2. Update: Medienschau von Markus Kompa, lesenswert. Unterstreicht die Überschrift dieses Postings.

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Kommentare

7 Kommentare zu “Schmierenjournalismus [2. Update]”

  1. Serdar Günes am Mai 28th, 2010 4:44 pm

    Es gibt übrigens eine Stellungnahme der Piratenpartei zum Verfahren gegen Jörg Tauss

    Apropos Piratenpartei. Aaron Koenig hat nach seinem Abgang aus der Piratenpartei eine neue Partei gegründet: Freiheit

    Da steht z.B sowas drin: Beispiel Einwanderung :

    Wer in Deutschland leben möchte, muss die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen und sich zu den oben genannten Werten der Aufklärung bekennen. Die Staatsbürgerschaft per Geburt (‘Ius Solis’) wird abgeschafft. Man erhält die deutsche Staatsbürgerschaft entweder, wenn eines der Elternteile diese hat, oder durch ein klar geregeltes Aufnahmeverfahren.

    Aufenthaltsgenehmigungen für Nicht-EU-Bürger werden nur noch in Ausnahmefällen erteilt, zum Beispiel für Hochqualifizierte und für zuziehende Ehepartner ab 25 Jahren. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft sollte der Regelfall sein. Sie ist die Voraussetzung zur Teilhabe an den sozialen Sicherungssystemen.

    Ähm ja…was ist mit Kriegsflüchtlingen, politisch Verfolgung, demographische Entwicklung usw. ?
    Da wandelt jemand auf Wilders Pfaden.

  2. hfi am Mai 28th, 2010 7:56 pm

    Hi burks,

    sach mal: haste screenshot ab Mittags? Wurde Frau Kaisers inkompetentes Gelalle substanziell verändert?

  3. admin am Mai 29th, 2010 10:33 am

    Der Text steht da immer noch so, oder? Habe gerade nachgesehen

  4. hfi am Mai 29th, 2010 12:01 pm

    vielleicht hab ich mich getäuscht. kurz nach 12 klang ihr text in meiner erinnerung härter, als dann öffentlich wurde, dass gericht ein sexuelles interesse tauss´ verneint, schien sie es abgemildert zu haben. vielleicht erinnerungsfehler… jedanfalls stand der text 15 minuten nach urteilsverkündung online, war also vorher geschrieben.

  5. hfi am Mai 29th, 2010 12:57 pm

    ergänzung: Deinem link (Medienschau Kompa) entnehme ich, dass SpON sehr wohl verändert hat, sie haben nämlich ein neues, sozusagen negativeres Bild von Tauss eingestellt. Vielleicht deswegen mein Eindruck? Egal, ist nur ne Detailsache in diesem schlicht widerwärtigen Verfahren.

  6. admin am Mai 29th, 2010 5:32 pm

    ja,das ist anderen schon aufgefallen. Sie haben ein hässlicheres Bild genommen.

  7. hfi am Mai 30th, 2010 12:46 am

    mein lieber burks, das sagte ich ja: ich entnahm das Deinem link ;-)

    lg nach Berlin

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