Qualitätsjournalismus: Recherche an Firmen outsourcen

cml

Ich verstehe gar nicht, warum sich der stern so aufregt: „Das Privatleben von Berliner Spitzenpolitikern ist systematisch ausspioniert worden. (…) Dem Bericht zufolge hat eine Berliner Foto- und Recherchefirma namens CMK seit Ende 2008 über Monate hinweg immer wieder den SPD-Politiker Franz Müntefering und seine heutige Frau Michelle Schumann beschattet. (…) Die Aufträge zu den fragwürdigen Recherchen kamen von der Zeitschrift ‚Bunte‚“. (Ha, die hat sogar eine Website, die man verlinken könnte, stern Offline!)

Beschattet? Da recherchiert eine Illustrierte einmal investigativ oder tut so als ob und schon sind alle empört. Englische Boulevard-Blätter würden gar nicht verstehen, worüber die bräsigen deutschen Mainstream-Medien sich aufregen.

Der Skandal ist ein ganz anderer: Die Journalisten bei „Bunte“ waren offenbar nicht selbst in der Lage zu recherchieren, sondern mussten diese Aufgabe outsourcen, vermutlich weil sie ihr Handwerk verlernt hatten oder nicht wussten, wie diese ominöse „Recherche“ geht. „Aussagen ehemaliger Mitarbeiter der Firma“ – natürlich, ehemalige Mitarbeiter sind immer die erste und die beste Quelle. Das Motiv ist also klar.

Offenbar ging es aber vornehmlich um Fotos, nicht um Fakten, und Paparazzis schienen nicht verfügbar gewesen zu sein: „Seit über einem Jahrzehnt liefert CMK IMAGES professionelles und aktuelles Bildmaterial für Verlage, Redaktionen und TV-Sender.“ Und: „Unsere Bilddatenbank mit mehr als 200 000 Fotos, integriert im iPicturemaxx Netzwerk, ist bestens im Markt etabliert und wird täglich von allen namhaften Redaktionen der unterschiedlichsten Bereiche frequentiert.“

Alle tun es also. Nur nutzt der stern andere Agenturen als CMK. Eine Krähe kann der anderen also ein Auge auskratzen.

„Laut stern forschte CMK Lafontaines damaliges Domizil im Berliner Stadtteil Köpenick aus. Überwachungsprotokolle der Firma belegen, dass außerdem geplant war, eine Kamera zu installieren, die auf das Wohnzimmer Lafontaines gerichtet werden sollte.“ Aha. Wie kamen die „ehemaligen Mitarbeiter“ von CMK an diese Überwachungsprotokolle: Per unverschlüsselter E-Mail? Oder liegen die da so offen auf den Tischen herum?

Wenn man auf der Website der CNMK „Investigative Reporting Services“, „Report“ und „Research“ anklickt, erhält man die Meldung: „Sehr geehrter Besucher, leider steht Ihnen diese Seite Aufgrund eines Serverfehlers nicht zur Verfügung.“ Quod erat demonstrandum. Eine E-Mail-Adresse gibt es auch nicht. Das passt ja zum deutschen Qualitätsjournalismus wie der Arsch auf den Eimer.

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