Computerklischees im Film und die Online-Durchsuchung

Ich musste doch heftig schmunzeln beim Lesen der Postings auf Spiegel Online zum Artikel „Wer hustet, stirbt„. Wie gewohnt sind die Kommentare der LeserInnen in Online-Artikeln, die kommentiert werden können, oft besser als die Artikel selbst.

Auch die Hinweise auf Links wie tvtropes.org oder fnynf.at hätten in den Artikel gehört. Aber mit den Links ins weltweite Internet hat SpOn schon immer Probleme gehabt.

Sehr nett sind die Computer-Klischees, die zum Teil schon in meinem Buch über die so genannte „Online-Durchsuchung erwähnt habe: (…) „ueber einen Computer hat man mit 3 Eingaben immer Zugriff auf Spionagesatelliten, die auf den Boesewicht zoomen, 5. Es gibt immer Akten ueber gesuchte Personen mit boesem Bild 6. Informationen ueber Gebaeude sind im Detail verfuegbar und zeigen in der Regel die fahrenden Aufzuege an 7. Mit einem Tastendruck ist der Bildschirm schwarz 8. Genausoschnell faehrt ein Computer hoch, naemlich mit einen Tastendruck (und gleich wird wird drauf herumgehackt) 10. Wenn eine neue Email kommt, kuendigt das eine Stimmme an“ (…)

Oder: (…) „Nicht jedoch, dass es in jeder Abteilung einen Nerd gibt, der mal schnell einen Filter programmiert, mit dem man mehr Informationenen aus dem Überwachungsvideo herausholen kann als eigentlich drin ist. Zum Beispiel Wechsel der Kameraperspektive.
Beim Programmieren werden die grünen Zahlenfolgen immer auf des Gesicht des des Programmierers projeziert.
Ach ja, und wenn man einen Virus programmieren will, muss man auf dem Bildschirm die Würfel richtig zusammenstecken. “ (…)

Oder: „Computerprofis, die Daten aus jedem Rechner kitzeln können, tragen immer eine Brille.“

Das hier ist besonders hübsch: „Selbst die geheimsten Geheimdaten sind auf dem Computer immer mit einem nachvollziehbaren Passwort geschützt.“

Ich warte darauf, dass der erste „Tatort“ produziert wird, in dem der Nerd unter den Ermittlern den Rechner eines Verdächtigen „online“ durchsucht. Das wird bestimmt kommen und sehr lustig werden. Wie moderne Märchen so sind.

By the way: Zum Thema Online-Durchsuchung habe ich einen sehr informativen Artikel von Alexander Heidenreich (Hallo, Alex!) gefunden, den ich noch aus Mailbox-Zeiten kenne. Die Argumente beweisen schlagend, dass es eine „Online-Durchsuchung“, wie Klein Fritzchen oder Wolfgang sich das vorstellt, nicht geben kann und auch nie geben wird. Quod erat demonstrandum.




I left Gor and stay away from the Oasis of Sand Sleen

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Gestern habe ich die virtuelle SL-Welt Gor verlassen und mein Experiment Gor zeitweilig beendet. Wenn es am Schönsten ist, solte man aufhören. Neun Monate sind erst einmal genug. Ich weiß alles und es wiederholt sich jetzt nur noch. Aber zum Schluss gab es noch eine wunderschöne Intrige gegen mich, ähnlich wie vor einigen Jahren im DJV. Ich wurde aus meiner virtuellen Heimat Oasis of Sand Sleen vertrieben, weil ein paar dämlich Nasen mein Erfolg nicht passte und der Sim-Besitzer „Guru“ sich erpressen ließ und nicht Manns genug war, sich gegen die Intriganten durchzusetzen. Ein etwas komisches Gefühl hatte ich schon, denn zwölf „Sklavinnen“, die ich „besaß“, hinter sich denen reale Menschen und deren Spielspaß verbergen, rennen jetzt ohne Schutz und hiflos herum und werden vermutlich bald gekidnappt und gebrandmarkt werden.

Ein Fazit kann ich schon ziehen: Es ist nicht anders als im realen Leben. „Rollenspiel“ ist nicht wirklich ernst gemeint, denn niemand kann so einfach aus der „Rolle“ fallen und zum Beispiel einen „Obersklavenhalter“ spielen oder bewaffnete Amazone, wenn der reale Charakter gar nicht dazu passt. Und einen Kerl, der in Gor eine Frau spielt, erkenne ich auch recht schnell. Auch die empirische Verteilung der Charakter sie wie im wirklichen Leben: Zwei Drittel sind Opportunisten und Feiglinge, die Idiioten überwiegen, ein paar wenige sind Idealisten, und in Gor kommen noch eine Menge Leute dazu, die vermutlich nicht ganz richtig im Kopf sind und unter ärztliche Aufsicht gehörten. Aber zum Glück bleibt das, was sie tun, nur vituell, und das ist auch gut so.

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Nein, Gor ist nicht jugendfrei, aber zum Glück wissen das die hiesigen schmallippigen Jugendschutzwarte nicht, sonst wären Gor und Second Life schon längst verboten und man sähe nur ein Warnschild vor www.secondlife.com. Vorsicht, Sex und brutale Gewalt! Wenn ich meine Artikel fertig und publiziert habe, wird es bei jedem Amokläufer dann heißen: Man fand den Second-Life-Clienten auf seinem Rechner, er hat bestimmt vorher Gor gespielt.

Irgendwie bin ich gut darin, Leute zu etwas zu überreden. Die bildhübschen Sklavinnen kamen zuhauf, um sich zu unterwerfen und virtuell alles zu tun, was ich wollte. Ja, auch Cybersex. Ich galt als orthodoxer Goreaner, den man zu allem befragen konnte, obwohl ich nie auch nur einen dieser 26 Schundromane ganz gelesen habe. Wozu gibt es Google. Wer Erfolg hat, dem folgen die Neider und die Niedertracht auf dem Fuße. Die „Nachbarn“ in Gor, in „Wastelands in Sand Sleen“, versuchten alles, um mich aus dem Weg zu räumen, sie schickten mir sogar einen Killer auf den Hals. Vergeblich, sie kriegten mich nicht klein. Irgendwann fälschten sie sogar private Nachrichten und schickten sie zum Besitzer des Areals. Das geht leider in Second Life sehr leicht. Und sie drohten damit, das Areal zu verlassen – und ihnen gehörte die Hälfte des Marktes, die Einnahmen in Form von Lindendollar bringt. Und das gab den Ausschlag mich hinauszuwerfen.

Ich muss zugeben, dass ich ein wenig stolz darauf war, dass ich danach von Angeboten, „Head Slaver“ zu werfen, nur so überschüttet wurde. Wollt Ihr wissen wo, Goreaner? In Treve, Ushindi, Teletus, Olni, Sardar, Bosk Woods, Sulport, Zamora! Ich aber sage Euch, meidet bloß die Oasis of Sand Sleen! Und wenn ich aus meinen umfangreichen virtuellen goreanischen Kaderakten plaudern soll, dass fragt mich nur. Stay away from the Oasis of Sand Sleen and Wastelands of Sand Sleen!

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Heute war ich wieder in Second Life (Bild unten). Gefällt mir immer noch. Demnächst mehr.

Nachtrag: Die Kommentare stellen noch mehr klar.




Einfach nur yeah!




Sicherheit…ein geteiltes Schicksal (2009)

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Spiegel Online ist ja wieder nett und typisch deutsch: „Al-Qaida droht mit Anschlägen nach Bundestagswahl“

„Die Drohung ist konkret, echt und offenbar sehr ernst gemeint: In einer neuen Videobotschaft von al-Qaida kündigt das Terrornetzwerk Attacken nach der Bundestagswahl an – falls sie kein Signal für einen Abzug aus Afghanistan bringt. Überbringer der Botschaft ist der Bonner Islamist Bekkay Harrach. (…) Das Video liegt SPIEGEL ONLINE vor. Es wurde am Freitagnachmittag auf mehreren dschihadistischen Web-Seiten verbreitet, die al-Qaida und andere Terrorgruppen für ihre Propaganda nutzen.“

So? Und wo kann ich es sehen? Auf welchen „dschihadistischen Web-Seiten“ liegt es zum Download bereit? Das geruht uns Spiegel Offline nicht mitzuteilen. Die Rezipienten sind sittlich gefährdet, nur deutsche Journalisten nicht. Hier, und wenn es dort nicht mehr liegt – ich habe es kopiert. Das Video liegt BURKS.DE vor. Und ich halte die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser fur mündig genug, sich die islamistische Agitprop anzusehen.




Verfasse eine textbezogene Erörterung zum Text

Mein Telepolis-Artikel: „Die Medien und die grausamen Bilder – Sollen Journalisten entscheiden, welche Bilder die Öffentlichkeit sehen darf?“ vom 13.05.2004 ist jetzt vom Klett-Verlag in einem Lehrerband nachgedruckt worden: deutsch.punkt 6 Gymnasium (Klett Nr. 313936).

„Klassenarbeitsvorschlag zum Lernvorhaben: Argumentieren und Erörtern: 1. Erläutere, was man mit Blick auf die Anordnung von Argumenten unter dem ‚Sanduhr-‚ und dem ‚Reißverschlussprinzip‘ versteht. 2. Lies den text und nenne die Gründe, die der Autor für seine Auffassung anführt, Bilder bzw. Videos der im Text genannten Art zu zeigen. 3.- Welchen Gegengrund, grausame Kriegbilder nicht zu zeigen, deutet der Autor an? 4. Hältst du die Aussage ‚Die Bilder Goyas unterscheiden sich in ihrer Wirkung nicht von den schrecklichsten Kriegsfilmen, die heute gezeigt werden.‘ für richtig: Bewerte die Aussage. 4. Verfasse eine textbezogene Erörterung zum Text.“

Ein Gegengrund, etwas nicht zu zeigen…ähhh…muss ich jetzt dafür oder dagegen sein? Und habe ich wie eine Sanduhr oder wie ein Reissverschluss argumentiert?




Linux Baby Rocker




Genau hier

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…sitze ich gerade. Die ganze Wohnung für mich allein. Endlich in den großen Raum umgezogen. Und 3000 Bücher per Hand geschleppt.




Tools für Plausibilitätscheck

Beim Lesen der Heise-Meldung „Bluewater-Reinfall: dpa verordnet sich schärfere Regeln“ musste ich schallend lachen. „Um den Journalisten die Überprüfung von Domains zu erleichtern, soll ein Tool entwickelt werden, ‚mit dem jeder Mitarbeiter einen ersten Plausibilitätscheck vornehmen kann‘. Büchner fordert auch die Einhaltung allgemeingültiger Recherchegrundsätze wie eine Mehrfachüberprüfung von Informationen bei zweifelhafter Quellenlage.“

Auf das Tool bin ich gespannt. Vielleicht versteckt es sich ja hier? Und man muss bei dpa neue Regeln aufstellen, dass jetzt Informationen „mehrfach“ überpüft werden? Schön, dass wir darüber geredet haben.




Gebt das Dings frei

Oft gegen die schönsten Meldungen im täglichen Kleinkram und Mainstream unter. Ein klitzekleiner, aber gar wunderbarer Artikel erschien gestern im Tagesspiegel: „Lateinamerika will keinen Drogenkrieg mehr führen“. „Auch in Argentinien erklärte der Oberste Gerichtshof vor kurzem einstimmig den privaten Drogenkonsum für nicht strafbar – und sprach damit fünf junge Leute frei, die beim Rauchen von Marihuana erwischt worden waren. Drogenkonsum; Kolumbiens Justiz hat schon 1994 diesen Weg eingeschlagen – trotz mehrerer Versuche des rechten Präsidenten Alvaro Uribe, den Drogenkonsum erneut zu kriminalisieren.“

Was lehrt und das? Rechts ist unvernünftig, führt Krieg gegen die bösen Drogen und scheitert. Links ist das Gegenteil. Für Lateinamerika stimmt das.

Deutschland führt jedoch immer noch den schon längst verloren gegangenen Krieg. Man muss nur einen x-belieben Politiker fragen, ob sie oder er für die Freigabe von „Drogen“ ist. Wer Marihuana und Haschisch raucht, wird in Deutschland immer noch bestraft. Fragt sich, wer hier eigentlich die „Dritte Welt“ ist.




Kurzlehrgang Kapitalismus

Was war noch mal gleich Kapitalismus? Im aktuellen Spiegel wird wird das in einen äusserst kurzen Artikel (S. 22) erklärt. auch andere Medien berichteten. Die FDP hat sehr viele Großspenden über 50 000 Euro von deutschen Banken und Finanzdienstleistern erhalten: 250 000 Euro von der Deutschen Bank, 150 000 von der Deutschen Vermögensberatung AG („Deutsche Vermögensberatung erzielt im Krisenjahr 2008 erneut Rekordergebnisse“) und 100 000 von der Allfinanz Deutsche Vermögensberatung (Was übrigens auf dasselbe hinausläuft, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Ich habe hier Google und der Spiegel nicht.). „Im April erhielt die FDP 150 000 Euro von der Düsseldorfer Finanzierungsgesellschaft Substantia. Die CDU konnte sich über 106 000 Euro von der Hamburger Berenberg Bank („Herzlich willkommen bei Deutschlands ältester Privatbank!“) freuen und über 200 000 Euro von der Deutschen Bank“.

Das nennt man übrigens seit Flick politische Landschaftsplfege. Noch mal ganz langsam zum Mitschreiben: Kapitalismus ist nicht, wenn das Kapital die Parteien direkt finanziert und bezahlt. Nein, Kapitalismus ist, wenn die Bürger es wissen und diese Parteien trotzdem wählen. Die Dummheit des deutschen Wählers an sich beschreibt der Mathematiker schon seit jeher mit einer liegenden Acht.




Polizeiübergriff auf der Freiheit Statt Angst Demo 2009 [Update]

Mehr Links bei Felix Leitner aka Fefe, z.B. media.ccc.de, hier (Polizeiprügelvideo in 768×432, H.264 mit MP3, 58 MB.) und hier. Spiegel Online (ja, heute ausnahmsweise mit Links ins welweite Internet!) verweist auf Ruhrbarone (lesenswert, mit Fahndungsaufruf): „Doof für die Prügelpolizisten, dass die Nerds, die von Freiheit reden, mit Camcordern rumlaufen und sich nicht einfach so wegklatschen lassen, wie die alte Antifa.“

Update: Presseerklärung des Opfers




Von IP-Adressen und Browsern

Hatte ich ganz übersehen: ein taz-Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Sie liefert ein schlagende Argument, warum man die Piratenpartei wählen könnte:

„Die technische Entwicklung geht mit Rasanz voran, wer weiß, ob wir nicht in fünf Jahren eine neue Generation des Internets haben. Vielleicht hat dann jeder Mensch eine individuelle IP-Adresse, die so unverwechselbar ist wie seine Telefonnummer? Was hieße das denn für die Anonymität des Netzes? Aber von solchen Entwicklungen wissen viele Piraten offenbar gar nichts – jedenfalls diskutieren sie nicht darüber. “

Die technische Entwicklung geht mit Rasanz voran, wer weiß, ob wir nicht in fünf Jahren eine neue Generation von Geologen haben, die uns beweisen können, dass die Erde doch eine Scheibe ist? By the way: Was war noch mal ein Browser? Es hat sich nichts geändert in den Köpfen der Entscheidungsträger. Quod erat demonstrandum.




Taliban dehnen Einfluss auf fast ganz Afghanistan aus

Die Bundeswehr ist in Afghanistan im Krieg. Das hiesige Ministerium für Wahrheit nennt den Krieg Stabilisierungseinsatz.

Spiegel Offline meldet in einem gewohnt linkfreien Artikel: „Die radikal-islamischen Taliban sind nach Einschätzung des internationalen Forschungsinstituts Icos mittlerweile wieder in fast ganz Afghanistan aktiv. Derzeit seien sie in 80 Prozent des Landes durchgehend präsent, teilte der in London ansässige International Council on Security and Development (Icos) am Freitag mit.“

Mit Verlaub, SpOn, Ihr seid so etwas von lächerlich und schlampig. Hier ist der Link zum ICOS und hier ist der Link zum Report (pdf): „Afghanistan Situation Report August 2009: Insecurity, Power Plays and Legitimate Grievances“. Ist schon ein paar Tage her, dass der erschienen ist. Warum könnt ihr keinen Link darauf setzen? Darf ich den Report im Original nicht lesen? Link: Das ist das mit dem Internet. Schon mal davon gehört?

Ich empfehle auch den Artikel: „The Taliban are back: Situation update December 2008“. 2008? Ja, richtig gelesen.




Zensur bei Facebook

Warum ich nicht bei Facebook undsoweiter mitmache? Eine mögliche Antwort steht hier (via Infamy). Warum ich nicht mehr bei Flickr mitmache? Hier lesen. Bei den meisten Leuten ist jedoch der Drang sich mitzuteilen oder darzustellen stärker als die politische Moral.




Kooperation RAF – Verfassungsschutz

Michael Buback, Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, über die Weigerung von Innenminister Schäuble, RAF-Akten freizugeben, ein interessantes Interview in Zeit online: „Dies spricht für einen entsprechend früheren Kontakt von Verena Becker zum Verfassungsschutz oder zu „Diensten“. Beides, eine schützende Hand für Terroristen wie auch enorme Schlamperei wären schlimm und würden eine Belastung der Sicherheit darstellen, sodass eine vollständige Klärung erforderlich ist. Vielleicht gab es beides nebeneinander, Schlamperei und eine schützende Hand.“




Verurteilt ohne Urteil aka Massenhysterie

„Der Deutsche Bundestag hat gestern auf Antrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Immunität des unter Kinderpornografie-Verdachts stehenden Abgeordneten Jörg Tauss aufgehoben“, meldet u.a. Heise.

Der beste Artikel überhaupt zum Thema steht in der Stuttgarter Zeitung: „Verurteilt ohne Urteil“. Dort heißt es über Tauss‘ Ehefrau: „Der Tatvorwurf bahnte sich erst später seinen Weg ins Gehirn und traf sie mit voller Wucht, als die Kripo ihr empfahl, die Rollläden runterzulassen, die sie nicht hatten, durch den Hintereingang hinaus und möglichst lange in Urlaub zu gehen. Pädophile stehen in der Rangliste der Verbrecher ganz unten. Wenige Kilometer südlich, auf dem Marktplatz in Bretten, wo ihr Mann sein (zeitgleich durchsuchtes) Wahlkreisbüro hat, befragte ein Fernsehteam bereits Passanten, ob Jörg Tauss schon als Grabscher aufgefallen sei.“

Das sagt schon genug. Krankheitsbild: öffentliche Hysterie, natürlich metaphorisch gemeint: „Auch der Hexenwahn des Mittelalters und andere massenhaft auftretende Ängste (etwa die Kommunistenangst im McCarthyismus) werden häufig als Massenhysterie bezeichnet.“ Die Angst vor dem Kommunismus und den Drogen wurde mittlerweile ersetzt durch die Angst vor der angeblich in signifikanter Anzahl vorhandenen KiPo im Internet. Auch das ist ein Wahn, der durch die meisten Medien kritiklos mitgeschürt wird und durch rationale Argumente nicht zu erschüttern ist. By the way: Chapeau, Stuttgarter Zeitung.

„Tauss‘ Anwalt Jan Mönikes (Ludwigsburg) vermag hinter dem Hin und Her zwei Gründe zu erkennen: eine „sehr dünne“ Beweislage und die Absicht, das Thema wabernd im Wahlkampf zu halten.“ Exakt.




Demi Moore, Perez Hilton und Kinderpornografie

„Vorwurf der Kinderpornografie“ subtitelt Spiegel Online. Und jetzt alle gemeinsam: Kopf ab zum Gebet.

Und wenn sich der moraltheologische Staub gesenkt hat, können wir jetzt normal weitermachen? Gut. Es geht um: „Demi Moore legt sich mit Promi-Blogger an“. „Perez Hilton ist der erfolgreichste Klatschberichterstatter im Web, bloggt Wahres, Boshaftes und Geschmackloses über Prominente. Demi Moore hat nach einer Attacke gegen ihre 15-jährige Tochter nun genug – sie wirft Hilton vor, Kinderpornografie zu betreiben.“

Natürlich ist der Artikel bei Spiegel Online komplett linkfrei, noch nicht einmal das Blog Hiltons wird verlinkt. Und auch das Foto, um das es geht, bekommt niemand zu sehen. Das nennt sich eben deutscher Online-Journalismus. Man schreibt irgendwo etwas ab und hofft, dass der Leser das Original nicht findet und lieber dumm stirbt.

„Bruce and Demi’s youngest daughter pAArtied it up at her older sis Scout’s 18th birthday party at Cicada in El Lay on Friday night, where the 15-year-old pAArty girl was spotted flirting with an older man!“ Der voyeuristische Klatsch interessiert mich nicht wirklich.Typisch heuchlerische calvinistische Prüderie.




Internet-Manifest (Schwarmverhalten, update)

1. Das Internet ist anders.

Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln – das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.

2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.

Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt – zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.

3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.

Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiter existieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.

4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.

Die offene Architektur des Internet bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.

5. Das Internet ist der Sieg der Information.

Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.

6. Das Internet verändert verbessert den Journalismus.

Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.

7. Das Netz verlangt Vernetzung.

Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.

8. Links lohnen, Zitate zieren.

Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen langfristig die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.

9. Das Internet ist der neue Ort für den politischen Diskurs.

Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.

10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.

Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.

11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.

Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationen zu mehr Freiheit führen – sowohl für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.

Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren

13. Im Internet wird das Urheberrecht zur Bürgerpflicht.

Das Urheberrecht ist ein zentraler Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet.

14. Das Internet kennt viele Währungen.

Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeher zu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.

15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.

Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.

16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.

Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.

17. Alle für alle.

Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für den gesellschaftlichen Austausch dar: Die “Generation Wikipedia” weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte – und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.

Internet, 07.09.2009

www.internet-manifest.de, unterzeichnet von den üblichen Verdächtigen

Es gäbe einiges anzumerken, zum Beispiel dass es „das Web“ nicht gibt, sondern dass WWW eine Art und Weise meint an Daten zu gelangen („ein über das Internet abrufbares Hypertext-System“). Das „Web“ ist mitnichten ein Synonym für Internet. Das Manifest soll ja auch für das Usenet und IRC gelten. (Erbsenzählmodus off)




Schwarmverhalten

SpOn über Schwarmverhalten: „Sobald fünf Prozent der Tiere in einer Herde ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, imitiert die Mehrheit der übrigen dieses.“ Diese evolutionäre Prinzip erklärt auch die Medienberichterstattung über die Online-Durchsuchung und andere urbane Märchen.




Rory Gallagher – Moonchild

Die Musik zum Sonntag vom besten Gitarristen aller Zeiten neben Jimmi Hendrix. Ja, ich hatte das Glück, den Gott der Gitarren einmal live zu sehen und zu erleben, irgendwann in den 70ern, als es noch gute Musik gab. Ich hatte sogar alle Schallplatten von ihm. „Eine Schallplatte ist eine meist kreisrunde, schwarze Scheibe, die als analoger Datenspeicher für Schallsignale dient.“