Operation Murambatsvina

Von Mr. Jabu Zulu
Johannesburg South Africa
E-Mail:jabu-zulu@webmail.co.za

Dear Sir/Madam,
Guten Tag, mein Name ist Mr. Jabu Zulu , Chef Auditor der First Naional Bank of South Africa (FNB). Ich war ein sehr enger Freund von Mr. Thomas Frie, Staatsbürger ihres Landes. Mr.Frie arbeitete mit einer Mienennentwicklungsfirma in Zimbabwe zusammen. Am 21 Mai 2005 verunglückte Mr. Frie mit seiner Familie bei einem Autounfall. Sie befanden sich auf den Weg von Zimbabwe nach Süd Afrika um den Befehl von Präsident Robert Mugabe die Häuser der Mitglieder der Oppositions Partei zu zerstören (Operation Murambatsvina) zu entkommen. Alle Insassen des Autos starben bei dem Unfall. Seit dem habe ich zahlreiche Erkundigungen bei Ihrer Botschaft hier in Süd Afrika angestellt um Verwandte von Mr. Frie ausfindig zu machen. Leider war ich bisher erfolglos.
Nach zahlreichen ergebnisslosen Versuchen Mr. Frie’s Verwandten ausfindig zu machen, habe ich mich entschieden Ihren Namen /E-mail Addresse übers dasoertliche site ausfindig zu machen, da sie die gleiche Nationalität haben. Ich habe Sie kontaktiert um Ihnen dabei zu assistieren Anspruch auf einen Betrag von 10 Millionen US Dollar, hinterlassen von meinem Freund Mr. Frie, zu erheben, bevor es von der First National Bank of South Africa konfeziert wird . (…)

Ich möchte diese Mails nicht missen. :-)




Krass billisch lecker Paprika

Zutaten

Vielleicht wollen die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser etwas selbst kochen, vegatarisch (ich esse aber alles, was nicht mehr als vier Beine hat) und super lecker und billig (Neuköllner Preise sind wie üblich unschlagbar)?

Man und frau nehme drei rote Paprika (88 Cent bei Aldi), zwei Zwiebeln, dazu Lauchzwiebeln (ein Bund 25 Cent) oder drei Porreestangen (Lauch gibt’s bei bei Aldi zur Zeit nicht einzeln, 89 Cent), Knoblauch auf Vorrat (49 Cent drei große Zwiebeln), eine Tube Tomatenmark (55 Cent, für eine Mahlzeit verbraucht man rund ein Drittel der Tube), eine Tüte Spaghetti (49 Cent), eine große Dose passierte oder Schältomaten (69 Cent), ein halbes Dutzend Peperoni (rund 50 Cent), Chilischoten oder Pulverchili oder beides und Käse zum Reiben (weniger als ein Euro). Alles zusammen kostet rund fünf Euro. Eine Flasche Breznak-Bier (habe ich nur bei Edeka gefunden) kostet 59 Cent.

Öl in die Pfanne, kleingehackte Zwiebeln anbraten, Knoblauch klein häckselnoder mit der Knoblauchpresse zerquetschen. Auch rein. Paprika und Lauch/Lauchzwiebeln und Peperoni klein schneiden, dann in die Pfanne. Deckel drauf und ein wenig dünsten lassen, bis alles weich ist. Dann die passierten Tomaten rein und das Tomatenmark (je nach Geschmack), Salz, Pfeffer und Chili. Wenn‘ fertig ist, Käse drüber raspeln.

Währenddessen die Nudeln al dente kochen, abschrecken und mit Butter anrichten. Es reicht für zwei Personen. Oder für eine zwei Tage. Am nächsten Tag kocht man Kartoffekn (am besten Pellkartoffeln), schneidet sie klein und legt sie in einen Bräter (Römertopf geht auch, dauert aber länger). Die Reste vom Vortag (inklusive Nudeln) schüttet man darüber, raspelt wieder Käse darüber (oder legt einfach Scheiben darauf), stellt den Bräter in den Backofen und macht einen Auflauf.

Zutaten




Mercedes Sosa ist tot

Die Stimme Lateinamerikas ist tot. Muere Mercedes Sosa, la Voz de América Latina. Ihre Lieder brachten mich zum Weinen, ich konnte sie deshalb nicht so oft anhören. Ich wurde immer wehmütig. Sie hat auch dem Kampf gegen die Militärdiktaturen in Lateinamerika eine Stimme gegeben. „La Negra“ war das musikalische Symbol meiner zweiten Heimat Lateinamerika, in der ich oft lieber wäre als hier.

Ich hatte Weihnachten 2006 schon etwas über Mercedes Sosa gebloggt (mit Übersetzung des Liedes): „Solo le pide a Dios (1978) wurde unter anderem von Mercedes Sosa gesungen und war der Protestsong des demokratischen Argentiniens.“ Deshalb heute und hier noch einmal ihr zu Ehren. (Ich singe immer laut mit..)

Auch hören (nicht ansehen): Señor ten piedad de nosotros, La Misa Criolla, Duerme Negrito.

“…Mercedes, salmo en los labios
amorosa madre amada
mujer de América herida
tu canción nos pone alas y hace que la patria toda
menudita y desolada no se muera todavía,
no se muera porque siempre cantarás en nuestras almas…”

Ausnahmsweise kann man sogar einer etwas sehr verkitschten Version der Missa Criolla von José Carreras lauschen. Diese Version (ohne Sosa) gefällt mir aber viel mehr.

Ich bin traurig.




Noch mal Sarrazin

Noch mal zu Sarrazin. Auch wenn ihr mich alle teert und federt: Ich finde den medialen Diskurs über Sarrazin reaktionärer als ihn selbst.

Spiegel „online“: „Bundesbanker, die mit dem Vorgang vertraut sind, drücken es so aus: Weber habe Sarrazin die Veröffentlichung „regelrecht verboten“. Sarrazin aber habe sich von Weber nicht „zensieren“ lassen wollen und den Text „unverändert“ in der dann veröffentlichten Fassung autorisiert. Seither ist der Streit eskaliert.“

Eben: Es geht mittlerweile um das Thema Zensur. Um nicht mehr und nicht weniger. Die Freiheit der Rede. Das muss man den Deutschen erklären, das ist was Ausländisches. Jeder, der Sarrazin zwingen will dem Mund zu halten, kann gleich Zensursula wählen. Der gesamte Diskurs ist so typisch deutsch („Parteiausschluss, jawoll, denn die Partei, die Partei, die hat immer recht), dass man schier erbrechen könne. Da sagt ein Banker etwas, was auf Stammtisch-Niveau ist, und alle regen sich auf. Warum eigentlich?

Und „Anti-Ausländer-Äußerungen“, wie es im Nachrichtenmagazin heißt? Das ist ein rassischer Diskurs – alle Einwanderer pauschal zu „Ausländern“ zu erklären. Mit Verlaub: Dazu habe ich schon 2003 etwas in der Jungle World geschrieben. Wer es etwas anspruchsvoller haben will, der lese den Gastbeitrag von Kien Nghi Ha in meinem alten Blog spiggel.de (22.03.2004): „Koloniale Migrationsdiskurse in der Gegenwart“.

Was erwartet man von Bankern? Linksliberales Getue? Paternalistisches Multikulti-Gefasel? Oder soll das Finanzkapital das Maul halten? Nein, ganz im Gegenteil – wie es in der Dreigroschenoper heißt: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“

Die Faz als Zentralorgan der gefühlten herrschenden Klasse schreibt: „Thilo Sarrazin ist beim Zurückkriechen kein Jota mehr souverän, oder gar Oberschicht. Nur noch einer, der um seinen Job Angst hat, wie viele andere da unten auch. Das ganze Drama erscheint mir wie eine dieser Gerichtsshows, in denen man Gangs und deren Unterschichtenverhalten gleichzeitig bestraft und vermittelt: Er kam als Sarrazin und ging als Unterschichten-Thilo.“ (via Don Alphonso)

Mir wäre es am liebsten, wenn Ackermann und Konsorten ganz offen zugäben, dass sie alle Linken am liebsten zusammenschießen würden, wenn die die Machtfrage stellen. Ich rege mich eher auf, dass nach dem Arbeitermörder und SPD-Mitglied Zörgiebel Straßen in Berlin benannt wurden.




Der letzte Tag der Schöpfung

Lese gerade zum wasweißichwievielten Mal einen der besten Science-Fiction-Romane aller Zeiten: „Der letzte Tag der Schöpfung“ von Wolfgang Jeschke. By the way: Der Wikipedia-Eintrag zum Buch ist ja grauenhaft, den muss ich bei Lust und Laune mal umschreiben.




Neo City

Neo City from Hao on Vimeo.

(Via kueperpunk)




Endlich hängt sie wieder

hammock

Die Wände meines Rechnerraums weiß gestrichen. Fußboden geschrubbt. So was macht Mann am Feiertag.

Endlich die Hängematte wieder aufgehängt. Sie stammt übrigens aus Tintorero bei Quibor im venezolanischen Bundesstaat Lara. Hier ist ein Foto der bildschönen jungen Dame zu sehen (unten links), die mir die Hängematte verkauft hat (Username: Leser, Passwort: Bachue). Ich hatte eine Stunde mit ihr gefeilscht, wie ich es gewohnt war, aber sie blieb eisenhart. Die Hängematten wurden von einer Kooperative verkauft („vorbildliches Hangemattenproduzentenkollektiv“), und die hatten ganz un-südamerikanische Festpreise.

Hehe: Da finde ich auf einer völlig veralteten Seite (viele Links führen zu error 404) folgende Sätze: „Quibor: Stadt im Westen Venezuelas, bei Barquisimeto am Fuß der Serrania de Cubiro. Gegründet zwischen 1548 und 1560, wahrscheinlich durch deutsche Landsknechte. Der Chronist Quibors, Dr. Tarquino Barreto, hat mir sein zweibändiges Werk „Antologia y Anotaciones sobre la Historia y la Cultura de Quibor“ (Barquisimeto 1992), geschenkt, in dem diese Überlieferung festgehalten ist. Vor der Konquista war Quibor eine Siedlung der Cuiba-Indianer. Nikolaus Federmanns Behauptung, er habe zwergwüchsige Indios südlich der Berge der Xideharas getroffen, beweist das Museum in Quibor.“ Ich hatte 1998 in Venezuela recherchiert – für meinen Roman „Die Konquistadoren„.




Kinderpornografie ganz real

In der Schweiz dürfen laut Basler Zeitung 16-Jährige auf den Strich gehen. Davon könnte man vermutlich in Deutschland noch nicht einmal Fotos zeigen, das wäre garantiert „Kinderpornografie“. Aber die Frage stellt sich ohnehin nicht, weil die hiesige Journaille sowieso zu feige dafür wäre. (via Streetgirl)




Registrieren auf Burks‘ Blog

Zur Zeit funktioniert das Registrieren neuer Nutzer nicht. Ich habe keine Ahnung wieso. Ich arbeite daran, warte aber noch ein paar Tage, weil ich ohnehin WordPress updaten will. Ich kann neue User aber von Hand eintragen.




Die Piratenpartei

Henning Bartels: Die Piratenpartei. Entstehung, Forderungen und Perspektiven der Bewegung. ISBN 978-3-86199-001-7, ca. 300 Seiten, Preis: 19,90 € als Buch – kostenlos als PDF

PiratenparteiIch bin nicht die Zielgruppe dieses Buches: „Wenn Sie dieses Buch in seiner traditionellen Form in der Hand halten, dann sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitglied der Zielgruppe, für die dieses Buch geschrieben wurde. Sie sind ein Digital Immigrant, jemand, der nicht in die digitale Welt hineingeboren wurde. Diejenigen, die Computer und Internet quasi schon mit der Muttermilch aufgesogen haben, die Digital Natives, verspotten Sie als Mitglied der Generation Kugelschreiber, als Offliner oder Internetausdrucker.“ Ich halte es nicht in der Hand, sondern sehe es als pdf auf dem Monitor meines Laptops vor mir.

Laut ARD (das Buch gibt alle Quellen/Links an, ist also mehr „online“ als etwa Spiegel „online“!) gehöre ich jedoch zur Zielgruppe der Wähler: „Sie wird eher von Männern gewählt, eher von Hochgebildeten und eher in Großstädten. Unter den männlichen Erstwählern bekommt sie 13 Prozent der Stimmen, unter den 18- bis 24-Jährigen 9 Prozent.“

Erster Eindruck: Der Autor sympathisiert sehr mit dem Objekt. Formulierungen wie „Das Problem der Altparteien ist schlicht..“ sind mir zu suggestiv, zudem ist „Altpartei“ ein Wort, dass früher die Nazis für die demokratischen Parteien benutzt haben. Ich sympathisiere auch mit den Piraten, haben sie sogar gewählt, trotzdem würde ich sie gnadenlos in die Pfanne hauen, wenn es geboten wäre.

Ich habe das Buch trotzdem mit Vergnügen gelesen. Es tauchen eine Reihe von Leuten auf, die ich kenne, die wie ich eine vermutlich nur vierstellige „Mitgliedsnummer“ deutscher Internet-Nutzer haben. „Als erste Quelle in diesem Buch soll daher der Blogeintrag von Kristian Köhntopp vorgestellt werden, weil er zwei Dinge fassbar macht: Erstens steht der Autor exemplarisch für die Hauptzielgruppe der Piraten, jung, männlich, internetaffin, und zweitens erklärt der Text sehr anschaulich die Problematik des Kopierens in einer digitalisierten Welt: Ich bin in etwa seit dem Jahresende 1987 online, mit Modem an Mailboxen. Morgen feiere ich mein 21-jähriges Unix-Jubiläum […] Google datiert mein ältestes auffindbares Posting im Netz auf 1989 – ich bin also seit mindestens 20 Jahren online. […] Ich lebe online. (…) (By the way: Ich habe dieses Posting gesucht und nicht gefunden…Eine Aufgabe für wie wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser!) Das Wesen aller Kommunikation und der darauf aufbauenden Kultur ist es auch. […] Dieses Blog ist auch voll von Links und von Zitaten. Ohne diese Links und Zitate wäre dieses Blog sinnlos. Und dieses Sharing von Inhalten, das Weitergeben von URLs und Texten ist wichtig, denn es macht das Wesen von Nachrichten und Diskussionen aus.“

Dem stimme ich natürlich „vollinhaltlich“ (wie es in grauenhaftem Juristendeutsch heißt) zu. Das Buch ist in weiten Teilen eher eine gut zusammengestellte Quellensammlung aus dem Internet. Die Fakten und Zitate würde der gewöhnliche DAU ohnehin nie finden. (Das Inhaltsverzeichnis könnt ihr selbst lesen.) Interessant ist der Abschnitt über die unterschiedliche Kultur der Nordeuropäer im Vergleich zu den Deutschen; letztere leben imme noch hinter dem Mond, was das Internet angeht. Das musste mal gesagt und beschrieben (Kapitel: „Warum die Filesharing-Debatte nicht zum Gründungsmythos der deutschen PIRATEN taugte“) werden. „Die Schweden sind sehr aufgeschlossen gegenüber den neuen Medien; das Internet spielt in ihrem Alltag eine viel größere Rolle als in Deutschland“.

Piratenpartei

Im Gegensatz zu den Piraten in Schweden ist in Deutschland die Ursache für den kleinen Erfolg der Piratenpartei die Politik: „Das zentrale Thema dieses Wahlkampfsommers, das der Piratenpartei die exorbitanten Mitgliederzuwächse und eine bis dato unbekannte mediale Aufmerksamkeit bescherte, trägt den etwas sperrigen Namen Zugangserschwerungsgesetz, eigentlich: Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen. (..) Zudem hat die Piratenpartei sich im Laufe der Diskussion so etwas wie die politische Meinungsführerschaft unter den Gegnern der Sperren erobert.“ Der Autor zeichnet die gesamte Diskussion um die so genannten „Netzsperren“ nach und zitiert ausführlich, wie zum Beispiel das law blog: „Die Legende von der Kinderpornoindustrie“. Das bekommt man nicht so einfach irgendwo – allein deshalb ist das Buch wertvoll.

„Was auch immer das Bundesfamilienministerium und Ministerin von der Leyen bewirken wollten – sei es der ehrliche Wille, einen unerträglichen Missstand zu beheben, populistische Wahltaktik oder gar der Versuch, heimlich still und leise eine Infrastruktur zur besseren staatlichen Kontrolle des Internets zumindest vorzubereiten – der Versuch muss, obgleich das Gesetz beschlossen ist und möglicherweise schon im Oktober 2009 in Kraft treten wird – als gescheitert gewertet werden.“ (S. 88)

Der Autor referiert auch ausführlich die politischen Ziele der Piratenpartei, wie etwa: „Die derzeitigen Bestrebungen einiger politischer Kräfte eine Inhaltsfilterung im Internet zu etablieren, lehnen wir kategorisch ab. Staatliche Kontrolle des Informationsflusses, also Zensur, ist ein Instrument von totalitären Regimen und hat in einer Demokratie nichts verloren. Der Kampf gegen rechtswidrige Angebote im Internet muss jederzeit mit rechtsstaatlichen Mitteln geführt werden. Allein die Etablierung einer Zensurinfrastruktur ist bereits inakzeptabel. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit muss gemäß der in Deutschland geltenden Gewaltenteilung und Zuständigkeit getroffen werden.“

Piratenpartei

Besonders interessiert habe ich im letzten Teil des Buches das Kapitel gelesen, in dem es um das Verhältnis Partei „Die Linke“ und der Piraten geht. Zum Teil wird der Ton des Autors subjektiv: „Sapperlott, wer hat denn da von den PIRATEN abgeschrieben?“

Zitat: „…wird in vielen Äußerungen der PIRATEN deutlich, dass die Linken eher als Überbleibsel aus einer Zeit angesehen werden, als es noch zwei Deutschlands gab, dafür aber kein Internet. In diesem Zusammenhang werden die Forderungen der Linken einfach nicht ernst genommen, ihnen wird keine Netzkompetenz zugetraut und auch in der Frage der Bürgerrechte gehen die PIRATEN davon aus, dass deren Forderungen nicht ehrlich sondern nur wahltaktischer Natur seien.“ (S. 198)

Ein wichtiger Aspekt: Wenn es der Linken nicht gelingt, diese Meinung in der Praxis zu widerlegen, wird sie die potenziellen WählerInnen der Piratenpartei nicht mehr erreichen können. „Piratenquote: gefühlte 5%, reale 33%, im thematischen Kernbereich viele Überschneidungen, nur wollen die PIRATEN davon überhaupt nichts wissen.“

Lesenswert sind auch die Abschnitte des Buches über das Verhältnis Grüne-Piraten und das der „Bürgerrechtspartei“ FDP: „Inhaltlich sind die Gemeinsamkeiten zwischen PIRATEN und FDP nicht so groß wie zwischen PIRATEN und der Linken.“

Im letzten Abschnitt geht es um die Zukunft der Piratenpartei (Die Links stammen aus dem Buch!) . „Karl-Rudolf Korte bestätigte, dass Ein-Themen-Parteien durchaus erfolgreich sein könnten, da sie Wähler mit einem Aufreger-Thema leichter mobilisieren könnten ‚als die Großtanker der großen Volksparteien‘. Viele Parteienforscher wie z. B. Prof. Wichard Woyke hingegen sehen die Überlebensfähigkeit solcher Bewegungen kritisch: ‚Die Piraten haben ein eindimensionales Programm. Wenn es sich weiter nur auf Informationsgesellschaft stützt, lässt sich damit keine Gesamtpolitik machen.‘ Im Gegensatz zu den schwedischen Piraten hegen die deutschen aber bereits Ambitionen, sich einem Vollprogramm zu nähern.“

Das spannenste Thema wird im Kapitel „5.2.1 Backbord oder Steuerbord“ (ab S. 239) behandelt. Das Selbstverständnis vieler Mitglieder der Piratenpartei, weder rechts noch links zu sein, ist natürlich Unsinn. Auch hier kann Schweden als Beispiel dienen: „Interessant wird es in dieser Frage erstmals im Mai 2007, als bekannt wurde, dass der schwedische Rechtspopulist Carl Lundström, der auch im Pirate Bay-Prozess als Unterstützer der Plattform verurteilt wurde, erheblich zum Erfolg von The Pirate Bay beigetragen hatte.“ Der Autor beschäftigt sich ausführlich mit der Situation in Deutschland und mit den Wahlempfehlungen dubioser kackbrauner Kameraden für die Piraten. Allein schon deshalb sollte dieses Buch (ja, das pdf auch!) zur Pflichtlektüre jedes Sympathisanten der Piratenpartei werden.

„‚Drei Jahre nach ihrer Gründung beweisen die jungen Bürgerrechtler, dass man die sinkende Wahlbeteiligung nicht nur mit Politikverdrossenheit erklären kann. Sondern eher mit einer weit verbreiteten Ablehnung der etablierten politischen Kräfte. Die unetablierten Piraten gewinnen
jedenfalls im Vorfeld der Wahlen täglich Dutzende neue Mitglieder hinzu.‘ In diesem Moment funktionierte die Piratenpartei nicht mehr als Partei, sondern als Sammlungsbewegung.“ Mit den Risiken und Nebenwirkungen, mit denen auch die Grünen in ihrer Entstehungsphase zu kämpfen hatten: Zahlreiche obskure Idioten wollten auf den Zug aufspringen. Die basisdemokratische Struktur der Piraten wird es ihnen sehr schwer machen, diese Leute wieder loszuwerden.

Letzter Satz des Buches: „Es bleibt spannend.“ Wer hätte das gedacht.

Ich höre gerade passend zum Thema Bob Marley: „Running away“ – „Chase those crazy baldheads out of the town.“ Chase those crazy censors out of the internet. Yeah. Und dazu gibt es noch Lyrics von den guten Glatzköpfen:
Stay rude against facist regimes
Stay rebel against politicians dreams
Stay rude and fight back injustice
Stay rebel against racial prejudice
STAY RUDE STAY REBEL STAY S.H.A.R.P.




OTR (Off-the-Record Messaging)

Chat

Auf einer Website der Piratenpartei hat jemand Off-the-Record Messaging beschrieben. Das habe ich mir mal genauer angesehen.

OTR

Off-the-Record (OTR) Messaging allows you to have private conversations over instant messaging by providing:
Encryption: No one else can read your instant messages.
Authentication: You are assured the correspondent is who you think it is.
Deniability: The messages you send do not have digital signatures that are checkable by a third party. Anyone can forge messages after a conversation to make them look like they came from you. However, during a conversation, your correspondent is assured the messages he sees are authentic and unmodified.
Perfect forward secrecy: If you lose control of your private keys, no previous conversation is compromised.

OTR

Das habe ich sofort ausprobiert. Im Forum der German Privacy Foundation schrieb jemand: „OTR ist für Instant-Messaging das, was OpenPGP für E-Mails ist. Unter Ubuntu (was für Dich interessant sein dürfte) installiert man das Pidgin-OTR-PlugIn, ist bereits alles vorhanden. (Man kann auch OpenPGP für Instant-Messaging nutzen, aber OTR ist wahrscheinlich weiter verbreitet.)“

Und: „Auch das OTR-PlugIn ist schon unter Ubuntu mit dabei. Wenn Pidgin gestartet ist, findest Du es bei Werkzeuge/Plugins. Auf den OTR-PlugIn-Eintrag den Haken setzen und dann „Plugin konfigurieren“ wählen. Jetzt nur noch für das entsprechenden Netzwerk den Schlüssel „Generieren“. Mit seinen Chattpartner, welcher natürlich ebenfalls OTR nutzt, sollte man sich jedoch noch die Schlüssel gegenseitig beglaubigen.“ (Der Link zum FreheIT-Bblog „Verschlüsseltes Instant Messaging- Teil 2: Pidgin“, Anleitung für Windows) Funktioniert wunderbar.

OTR




Neu in der Blogroll: Halina

Neu unter meinen Favoriten in der Blogroll ist Halina Wawzyniak. Die Frau hat noch mehr Qualitäten als das hier.




Taz gewinnt gegen BILD

Der u. a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute seine Rechtsprechung zu den Grenzen humorvoller Werbevergleiche präzisiert. . Die taz gewann einen Rechtsstreit gegen die Bild-Zeitung.

„Die Klägerin sieht in diesem Werbespot eine nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG unlautere vergleichende Werbung und nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatz-pflicht in Anspruch. Wer vergleichend wirbt, handelt nach dieser Bestimmung unlauter, wenn der Vergleich die Waren eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft.

Landgericht (ja, das Landgericht Hamburg mal wieder! BS) und Berufungsgericht haben der Klage weitgehend stattgegeben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte überschreite mit dem Werbespot, auch wenn dieser durch Witz, Ironie und Sarkasmus geprägt sei, die Grenzen des wettbewerblich Zulässigen. Sie versuche, ihre Zeitung werblich herauszustellen, indem sie ein vernichtendes Bild von der trostlosen Sozialstruktur und den (fehlenden) intellektuellen Fähigkeiten eines typischen BILD-Zeitungslesers zeichne und damit die Leserschaft und die Zeitung der Klägerin ohne sachlichen Grund abqualifiziere.

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. (…) Der Werbespot der Beklagten ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs danach nicht als wettbewerbswidrig anzusehen. Er bringe lediglich zum Ausdruck, dass die TAZ „nicht für jeden“ sei, also nicht den Massengeschmack anspreche. Der durchschnittliche Zuschauer erkenne, dass es sich bei der Darstellung um eine humorvolle Überspitzung handele, mit der die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten geweckt und nicht die BILD-Zeitung oder deren Leserschaft pauschal abgewertet werden solle.“

By the way: Ich glaube nicht, dass ein deutsches Mainstream-Medium in der Lage ist, einen Link zur Presseerklärung des BGH zu setzen. Wetten dass?




German Privacy Foundation 2.0

GPF SLGPF SLGPF SLGPF SLGPF SL

Mein Avatar (Name: Burkhard Schroeder) in Second Life läuft jetzt endlich mit einem T-Shirt der German Privacy Foundation herum. Die virtuelle Textilie gibt es in zwei Versionen: mit der Aufschrift gpg – encrypt und mit einer Überwachungskamera (Terror). Das Logo der GPF ist in Bauchhöhe und auf dem Rücken. Pro Exemplar 500 Lindendollar (Mitglieder der GPF natürlich gratis).




Sarrazin über die Türken und Araber

Wieso kann ich mich über das, was der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin so alles sagt, nie richtig aufregen oder gar empören, sondern muss vielmehr schmunzeln? Spiegel Offline: „Sarrazins türkenfeindliche Tiraden lösen Entsetzen aus“. Entsetzen. Geht es nicht ein bisschen kleiner?

Spiegel Offline geruht uns keinen Link mitzuteilen, wo das Original-Interview mit Sarrazin nachzulesen ist – in der aktuellen Ausgabe der Kulturzeitschrift Lettre. Dort sagt Sarrazin:

„Es kamen die Achtundsechziger und alle, die Berlin eher als Lebensplattform suchten. Menschen, die gerne beruflich aktiv waren, wurden ersetzt durch solche, die gerne lebten. Dieser Austausch führte zu einer gewissen Stagnation. Berlin war immer hip und toll, barbusige Frauen im Tiergarten konnte man schon 1975 bestaunen.“

Leider, und das entschuldigt die linkfreien deutschen Medien zu einem Viertel, ist auf der Website von Lettre nur ein langer Teaser und nicht die interessanten Passagen. „Für besondere Empörung sorgen jetzt vor allem die despektierlichen Beschreibungen der ausländischen Bevölkerung der Stadt. Er müsse ’niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert‘, findet der Bundesbanker. „Das gilt für 70 Prozent der Türken und für neunzig Prozent der arabischen Bevölkerung.“

Und: „Sarrazin müsste also wissen, was er tut, wenn er über mehr als eine Seite lang seine Anschauungen zur Integrationspolitik darlegt. ‚Das klingt alles sehr stammtischnah‘, erklärt er denn auch einsichtig in dem Interview, behauptet aber: ‚Man kann das empirisch sehr sorgfältig nachzeichnen.'“

Bestimmt kann man das. Vermutlich hat Sarrazin auch Recht. Seine Schlussfolgerungen sind jedoch Stammtisch-Unfug. Ich amüsiere mich aber darüber, wie herrlich „politisch inkorrekt“ Sarrazin redet. Ihm ist es schnurzpiepegal, was andere über ihn denken. Find ick jut.

Man kann es sich vorstellen: Journalisten rufen Berufsbetroffene und -immigranten und Personen an, deren Vorfahren irgendwann eingewandert sind und die deshalb in Neusprech einen „Migrationshintergrund“ haben (welcher Deutsche hat den nicht?). Frage: „Sarrazin hat gesagt, Einwanderer aus arabischen Ländern und der Türkei hätten eine höhere Geburtenrate. Wie finden sie das?“ Genau: Alle sind empört, entsetzt und betroffen. Wahr bleibt es trotzdem. Also atmet mal entspannt aus.




Chinesische Zensoren austricksen

Gulli.com meldet: „TOR-Netz gesperrt. Die chinesische Internet-Zensur ist offenbar weiter auf dem Vormarsch: Offenbar blockt man nun auch verstärkt das Anonymisierungs-Netzwerk TOR.“ Auch Jon Do ist von China aus nicht mehr so einfach zu erreichen.

Ich greife uns selbst mal vor: „Wir sind heute Nacht unsere Server durchgegangen, haben nachgezählt, welche IP-Adressen der GPF-Server bisher nicht im Torstatus erschienen sind, und haben auf diesen IPs Tor-Bridges eingrichtet. Wir haben 3 neue Tor-Bridges eingerichtet und insgesamt betreibt die GPF jetzt 4 Tor-Bridges. (Falls die GPF diese Zahlen für ihre Meinungsäußerung verwenden möchte.)“ Done.




Operation „Heisse Luft“ reloaded

Tor_Server

Die Medien überschlagen sich im Gleichlaut: „Polizei zerschlägt Kinderporno-Ring“ (Süddeutsche). „Polizei gelingt Schlag gegen Kinderporno-Ring“ (RP ONLINE). „Internationaler Kinderporno-Ring zerschlagen“ (AFP). „Schlag gegen internationalen Kinderpornografie-Ring“ (Deutsche Welle). „Polizei zerschlägt Kinderporno-Ring“ (Welt online). „Polizei zerschlägt Kinderporno-Ring“8 Bild). Nur die Tagesschau schert aus und und titelt einigermaßen korrekt, um was es geht: „Kinderporno-Razzia bei 121 Verdächtigen“.

Razzia. Zum Beispiel hat die Polizei den Torserver „nami“ beschlagnahmt. „I just was informed by my Dad that the police is searching our Family House. They took the machine running Tor exit node called „nami“. Expect it to be down for quite some time“, schreibt der Betreiber in einer Mailingliste. Ich habe mit ihm telefoniert. Auch das Laptop seines Vaters haben sie mitgenommen, weil der Telefonanschluss auf ihn gemeldet war. Das zur „Qualität“ der Ermittlungen.

Ich gehe davon aus, dass diese „groß angelegte“ Razzia, von der die Medien so schwärmen wie BKA-Chef Ziercke, ein Schlag ins Wasser war.. Er „wertete die Festnahmen als ‚großen Erfolg im Kampf gegen die Kinderpornografie-Szene‘. Bei den Durchsuchungen stellten die Ermittler außerdem etwa 220 Computer und rund 17.000 digitale Speichermedien sicher.“

Eben. Es geht Ziercke nicht darum, wieviele Verdächtige schließlich verurteilt werden (vermutlich nur sehr wenige wie bei der Operation Heiße Luft), sondern nur darum, möglichst viele Rechner zu beschlagnahmen und damit zu protzen, damit es gut in den Medien rüberkommt, die gewohnt kritik- und recherchefrei alles nachplappern.




Pop Life: Art in A Material World [Update]

Brooke ShieldsZunächst: Kopf ab zum Gebet! Es geht wieder um das, was die „Kinderschützer“ und schmallippigen Jugendschutzwarte für KiPo halten. Rationales Denken ist also in den Mainstream-Medien verboten.

Und nach einer Gedenkminute jetzt wieder zurück in die Realität. Spiegel offline schreibt gewohnt linkfrei: „Brooke Shields war gerade mal zehn Jahre alt, als sie halbnackt für den Fotografen Gary Gross posierte. Das Londoner Museum Tate Modern zeigt eines der Motive nun in einer Ausstellung. Kinderschützer sind empört: Das Bild sei ein ‚Magnet für Pädophile‘.“

Ja, die dreckige Fantasie einen „Kinderschützers“ müsste man haben, dann dächte man an alles Un- und Mögliche, nur nicht an eine unschuldiges und nackes zehnjähriges Mädchen. Die Leute, deren psychischer Zustand die calvinistische und bigotte Empörung in Permanenz ist, scheinen an einer Art Obsession zu leiden. Überall Kipo. Man kann nur mit dem Volksmund antworten: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche.

Zum Foto schrieben Daniel Girardin und Christian Pirker im April 2008 auf einer kanadischen Design-Website: „The picture comes from a series taken by Garry Gross, an advertising photographer from New York who was regularly employed by Brooke’s mother to photograph her daughter, then a model with the Ford agency. At the time, Gross was working on a project for publication entitled The Woman in the Child, in which he wanted to reveal the femininity of prepubescent girls by comparing them to adult women. Brooke Shields therefore posed for him both as a normal young girl and in the nude, her body heavily made up and oiled. She received a fee of $450 from Playboy Press, Gross’s partner in the project. Her mother signed a contract giving Gross full rights to exploit the images of her daughter. The series was first published in Little Women, and then in Sugar and Spice, a Playboy Press publication. Large prints were also exhibited by Charles Jourdan on 5th Avenue in New York.“

Auch das Foto bekommen wir bei Spiegel Offline nicht zu Gesicht. Wo kämen wir den hin, wenn die Rezipienten erführen, um was es geht?! Die Redakteure sind selbstredend auch zu blöd, einen Link auf das Museum und dessen Ausstellung zu setzen. Dazu müsste man fünf Sekunden recherchieren. Dafür verraten sie uns freundlicherweise, wo sie abgeschrieben haben: „Wie die Tageszeitung ‚Daily Telegraph‚ berichtet“ (natürlich ohne den Link). Und da erfahren wir, was Spiegel Offline verschweigt: „Tate Modern gallery has withdrawn a controversial photograph of Brooke Shields following a visit by police, amid concerns it could be in breach of child pornography laws.“

Das Foto ist übrigens aus dem Jahr 1975. Und es ist große Kunst, weil es das hervorlockt, was im jeweiligen Gehirn oder Rückenmark schlummert. Das Foto an sich ist so „unschuldig“ wie das Model auch.

Update: SpOn: „Museum entfernt Nackt-Kinderfoto von Brooke Shields“




Der lange Marsch in den Mainstream

Dieser Text erschien am 15.8.1997 (!) im Berliner Tagesspiegel. Er war bisher nicht öffentlich zugänglich, aber es wird darauf verwiesen. Jetzt also für alle lesbar…(ohne Links)

Der lange Marsch in den Mainstream
„Und der Schmul‘ mit krummer Nase,
Krummer Vers‘ und krummer Hos‘,
Schlängelt sich zur hohen Börse,
Tief verderbt und seelenlos.“
Diese Zeilen stammen von einer CD der Neonazi-Rockband „Saccara“ aus Meppen. Titel des Liedes: „Schmulchen Schievelbeiner“. Text: Wilhelm Busch. Jeder weiß gemeint ist: das antisemitische Klischee des Juden. Und trotzdem wird man Wilhelm Busch wohl kaum auf den Index setzen.

Die vier Zeilen und die Rechtsrock-Band aus dem Emsland widerlegen so gut wie alle Klischees, die in der Öffentlichkeit über die ultrarechte Musikszene herumspuken. Die Musiker sind keine Skinheads, sondern Langhaarige, die ihre Karriere in der Heavy-Metal-Szene begannen. Nur ein Teil der rechten Texte verherrlicht direkt Gewalt, primär geht es um den Transport rassistischer und antisemitischer Versatzstücke. Die Käufer der Platten und CDs gehören in der Regel nicht der Neonazi-Szene an, sondern sind ganz normale Jugendliche, die sich meist als unpolitisch verstehen. Trotzdem bommt der Rechts-Rock. Wer nicht bewußt darauf spekuliert, Texte durch Verbote erst recht interssant zu machen, kann juristische Hürden leicht umgehen. So wird die neueste Platte der Band „Arisches Blut“ mit dem Hinweis angepriesen: „intelligente Umschiffung bundesdeutscher Gesetzesklippen.“

Im neonazistischen Mailboxen-Verbund „Thule-Netz“ erschien vor wenigen Wochen der Hinweis, daß Bands aus dem ultrarechten Spektrum vor allem in den neuen Bundesländern fünfstellige Verkaufszahlen erreichen, ohne daß ihre Musik beworben, im Radio gespielt oder in normalen Läden angeboten wird. Das Angebot richtet sich nach der Nachfrage, wie in der Marktwirtschaft üblich, nicht umgekehrt. Mit Rechtsrock läßt sich viel Geld verdienen. Die, die das professionell tun wie der Düsseldorfer RockNord-Verlagschef Torsten Lemmer, stehen den Inhalten in der Regel gleichgültig gegenüber. Indizierungen gelten als kalkulierbares Geschäftsrisiko. Verluste werden durch Preisaufschläge wettgemacht. Das Geschäft mit ultrarechter Musik hat große Ähnlichkeit dem dem Drogenhandel und läßt sich mit nur polizeilichem Zugriff und juristischen Mitteln ebensowenig in den Griff bekommen.

Die Szene hat sich in den letzten Jahren diversifiziert. Skinhead-Bands wie „Landser“ bestätigen ganz bewußt das Klischee „dumm, brutal, gemein“. Der bekannteste Rechts-Barde Frank Rennecke steht musikalisch in der Tradition des Liedermachers, politisch in der des Nationalsozialismus. „Rheinwacht“ bietet auch melancholischen Gitarren-Rock oder musikalische Imitate der „Böhsen Onkelz“. Viele Bands, deren Outfit bei Techno-Parties nicht auffallen würde, sind nur einem lokal eng begrenztem Personenkreis bekannt. Einschlägige Konzerte, deren Termine nur per Mundpropaganda weitergegeben werden, ziehen bis zu 1000 Besucher an. Jedes Wochenende findet mindestens eines statt, häufig getarnt und angemeldet als private Feier. Hochglanz-Magazine wie „RockNord“ aus dem rechtsextremistischen Spektrum werben mit eigenen Internet-Seiten, von denen Tonbeispiele der Bands abgerufen werden können. Lokale Skin-Fanzines wie „Foier Frei“ aus Chemnitz erreichen nur geringe Auflagen, dafür gibt es aber Dutzende der primitiv zusammengestoppelten Blättchen.

Die GEMA hat sich Anfang August von Werken distanziert, „die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden“. Das immer wieder reflexartig abgespulte Ritual, „damit“ nicht zu tun haben zu wollen, zeigt nur, wie hilflos die Öffentlichkeit auf eine Entwicklung reagiert, die bisher kaum wahrgenommen wird: Die rechte Szene hat sich aus dem Dunstkreis neonazistischer Politsekten gelöst und sich – vor allem im Osten – als soziale Bewegung in das Alltagsmilieu integriert.

Das zeigt sich vor allem in der Musik: Rechte Inhalte werden als solche nicht mehr politisch wahrgenommen, sondern als „normal“ akzeptiert. Der Reiz der Texte besteht in der Opposition zum „System“. Die gewalttätige Attitude gehört zur Vermarktungsstrategie wie das martialische Band-Logo: „Brutal Attack“, „Kraftschlag“, „Oithanasie“. Rassisten und Antisemiten gelten aber in der Öffentlichkeit und bei Sozialarbeitern in den neuen Bundesländern nicht als Problem, solange sie nicht gewalttätig werden. Die beiden wichtigste Nazi-Bands aus Sachsen-Anhalt, „Elbsturm“ und „Doitsche Patrioten“, durfen jahrelang in Magdeburger Jugendclubs proben, gefördert mit Mitteln des AGAG-Programms, obwohl ihre Konzerte regelmäßig von der Polizei verboten wurden. Der Antisemitismus als zentrale Klammer rechtsextremistischer Einstellungen gerät so aus dem Blickfeld. Das Ergebnis ist dementsprechend: Die rechte Szene ist im Aufwind, obwohl polizeilich registrierte Gewalttaten aus politischen Motiven zurückgehen. Kapitalismuskritik mittels Musik samt nationaler und sozialistischer Einsprengsel ist im Osten ein Renner.

„Sie ist sehr hart, die Zeit in der wir leben, so soll auch die Musik dazu sein,“ textet Saccara. Rechtsrock ist zum einen ein Initationsritual für die aufbegehrenden Underdogs am Rande der Wohlstandsgesellschaft: Die nehmen die Rolle des unverstandenen Verlierers ein – eine beliebte Attitude bei Jugendlichen, vor allem in den neuen Bundesländern. Weder das Gemeinschaftsgefühl der Punks noch Party-Stimmung des Lehrer-und-Ärzte-Pop noch Kommerz des Techno-Mainstreams: Rechte Musik ist zum anderen eines der letzten Dissidenz-Reservate für Jugendliche und bezieht daher ihren Reiz.

Ähnlich verlief die Geschichte der Skinheads, der ältesten Jugendkultur Europas, die sich seit 30 Jahren beharrlich dem Zugriff wohlmeinender Sozialarbeiter und auch der Kommerzialisierung verweigert. Sie, die sogenannte „Oi-Musik“, ist heute nur ein Segment der rechten Musikszene. Ihre Ikonen wie Fred-Perry-Hemden und Doc-Martens-Schuhe gelten nicht als Zeichen für Marginalisierung, sondern als Mainstram. Die Glatze ist kein Vorbote der Gewalt, sondern gängige Mode auch unter Techno-Fans, wie früher der Façon-Schnitt.

Die Nachfrage läßt sich durch Mahnen, Warnen und durch eine permanent besorgte Attitude kaum verkleinern. Wer sich reflexartig distanziert, bestätigt für die Jugendlichen den Gebrauchswert rechter Musik – Identität durch Abgrenzung gegen den vermeintlichen Mainstream.

Die gängigen Vorschläge, was zu tun sei, richten sich jeweils nach dem politischen Verwertungsinteresse: Wer Rassismus als Phänomen gesellschaftlicher Randgruppen mißdeutet, wird nach Polizei und Justiz rufen, wer Antisemitismus als Resultat fehlender Lehrstellen interpretiert, eher nach dem Sozialarbeiter. Beides wird nichts nützen. Jede Gesellschaft hat die Musik, die sie verdient.

©Burkhard Schröder




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