Link-Economy der Netzkommunisten

„Content ohne Links ist wertlos“, war das Fazit, mit dem Jeff Jarvis den Holzmedien einen Tritt in den Hintern verpasste. „Holzmedien“ – das sind fast ausnahmslos alle deutschen Medien, die nichts anderes tun, als gedrucktes Papier ohne Links „ins Netz“ stellen oder selbstreferenziell nur auf sich selbst verlinken. Sie begreifen es einfach nicht.

In meinem Telepolis-Artikel „Project Xanadu, reloaded“ habe ich beschrieben, wie es sein könnte, wie viele Blogger es praktizieren und wie ich es an Journalistenschulen und anderen Bildungseinrichtungen lehre:

„Der nicht-lineare Hypertext verknüpft verschiedene Informationen mit Hyperlinks, so dass ein logisches Netz entsteht, das tendenziell unendlich wird. Für journalistische Texte ist das eine nie dagewesene Chance: Hypertext kann die Menge notweniger Informationen verkürzen, indem lexikalisches Wissen auf eine Metaebene – „hinter“ den eigentlichen Text – verschoben wird. Gleichzeitig vervielfacht sich die optionale Informationsmenge des Textes, da die Rezipienten auch die Metaebene und deren weitere Verknüpfungen zu Kenntnis nehmen können. Rolf Schulmeister behauptet in seinem Standardwerk „Grundlagen hypermedialer Lernsysteme“, das menschliche Gehirn funktioniere ähnlich vernetzt wie ein Hypertext. In seinem Text „Verstrickt in Petri-Netzen – Hypertext und Hypermedia“ nennt er das die „kognitive Plausibilitätshypothese“: ‚Es geht um die Frage, ob das Leseverhalten mit der Struktur des Textes korrespondiert und ob sich diese Korrespondenz kognitiv auswirkt‘. Die assoziative Struktur eines Hypertextes entspräche eher der Funktionsweise des menschlichen Denkens als lineare Texte.“

Alles klar soweit – Puls und Atmung noch normal? Was ist das Fazit? Links, Links, Links, ein Königreich für Links! Wer setzt Links? Keines der Mainstream-Mselbstreferenzielles Systemedien. (Nein, nicht auf sich selbst – auf andere Websites! Medien sind kein selbstreferenzielles System.) Warum geben sich Spiegel Offline, Focus Offline und wer auch immer so ignorant, begriffsstutzig, arrogant oder schlicht faul oder dumm oder beides? Liegt es an der mangelnden Medienkompetenz der Autoren?

Ich habe in den letzten zehn (!) Jahren allerlei Pseudo-Entschuldigungen gehört. „Unser CMS kann das nicht.“ – „Dann wandern die Leser ab.“ – „Die Leser brauchen keine Links.“ – „Unsere Rechtsabteilung erlaubt das nicht.“ Die Standard-Entschuldigung war jedoch – gar keine. Das Schweigen der doofen Lämmer sozusagen. Keine diese Ausreden war auch nur annähernd rational oder im Ansatz überzeugend. By the way: Links kosten nichts.

Was hindert Jochen Wegner, immerhin Chef von Focus Online, daran, seine Untergebenen anzuweisen, Links zu setzen, etwa wie bei Telepolis, um den Lesern einen Mehrwert zu bieten, ihnen die Quellen offenzulegen? Er müsste wissen, was ein Link ist. Vielleicht bestimmt das Chefredakteurs-Sein das Bewusstsein: Man gibt es Kopf, der den Online-Journalismus denken kann, automatisch an der Garderobe ab.

Von der taz oder auch der Jungle World, die sich wegen der nicht allzugroßen Auflage von den Mainstream-Medien absetzen müssten, ganz zu schweigen. Warum setzt die Jungle World keine Links? Vermutlich aus einem ähnlichen Grund, warum die MitarbeiterInnen des Zentralorgans des unorthodoxen Linksextremismus seine E-Mails nicht (!) verschlüsselt – Dummheit, Ignoranz, Arroganz. Niemand interessiert sich dafür. Zugunsten der Jungle World muss gesagt werden, dass bis jetzt niemand behauptet hat, auf der Website des Wochenzeitung könne man „Online-Journalismus“ finden.

Nehmen wir zugunsten der Kollegen an, es sei die Schuld der Chefredakteure oder der Verleger, die „Verweise“ ins berüchtigte Internet verböten. Nehmen wir den Springer-Chef Mathias Döpfner. Das Autoren-Blog Carta schreibt unter dem Titel „Mathias und seine Meisterin Arianna“: „Auf einem Medienkongress in Monaco erzielte Arianna Huffington im Schlagabtausch mit Mathias Döpfner einen klaren Punktsieg. ‚Ubiqität ist die neue Exklusivität‘, philosophierte sie über die neue die Link-Ökonomie, während sich Döpfner über “Webkommunisten” beschwerte.

Döpfner im Originalton: „Die Theorie des freien Zugangs zu Informationen ist die absurdeste, die ich je gehört habe“. Man könnte Döpfer sogar mit dem Artikel 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen kontern: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Es steht dort nichts darüber, dass Informationen Geld kosten dürfen oder gar müssen!

Die zentrale Stelle des Streitgesprächs ist laut Zeit Online: „‚Obwohl Sie unglaublich überzeugend klingen, wird es sich zeigen, dass Sie unglaublich falsch liegen‘, antwortete Huffington – deren Geschäftsmodell vor allem darauf basiert, solche freien Inhalte mit Meinung und Links anzureichern und ebenso kostenlos weiterzugeben. ‚Sie können nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen. Und den Fluss, in den Sie steigen möchten, den gibt es nicht mehr.‘ Nutzer würden sich heute ihre Informationen anders suchen. Und dann erklärte sie ihm, wie das Modell funktionieren kann: ‚Ubiquität ist die neue Exklusivität.‘ Wer im Netz Geld mit Inhalten verdienen wolle, müsse sie so weit wie möglich über das Netz verteilen. Die Zukunft liege in der ‚Link-Economy‘, Promiskuität zahle sich aus. Jetzt zu versuchen, Konsumenten umzuerziehen, die gerade die neuen Möglichkeiten entdeckten, sei anmaßend.“

Es erstaunt sehr, dass Zeit Online sachlich berichtet, aber keinerlei Konsequenzen zieht: Wo sind zum Beispiel die Links zum Monaco Media Forum oder zur Huffington Post im Artikel? Das Blog Carta setzt sie, Zeit „Online“ nicht, obwohl die Texte fast identisch sind. Sind die Redakteure von Zeit Offline zu blöd, die Links zu finden oder denken sie, die Leser interessierte das nicht? Ich tippe auf eine Kombination von beidem. Oder, wie der Volksmund über deutschen „Online“-Journalismus richtig formuliert: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.

Auch der Medien-Mogul Rupert Murdoch wird scheitern. „Die Pläne des Medienmoguls Rupert Murdoch, seine Online-Nachrichtenseiten vor Google zu verstecken, werden konkreter“, schreibt Süddeutsche und setzt sogar Links! Geht doch, stellt man erfreut fest. „‚Murdoch versteht, dass eine Revolte gegen die Gratiskultur mehr benötigt, als das Errichten eines Abo-Logins zwischen einem Google-Link und einer Geschichte‘, schreibt Journalistik-Professor Douglas Rushkoff.“

Murdoch ist der Volkssturm der Holzmedien. Er sitzt damit mit Spiegel Offline in einem Boot: Die „Online“-Ausgabe des Nachrichten(!)magazins verlinkt ausschließlich auf sich selbst und suggeriert damit den Rezipienten: Nur wir sind seriös, und andere Informationen als die Unsrigen braucht ihr nicht. Der Inbegriff der Interaktivität ist dann ein Video, dass man von YouTube einbindet. Wo kämen wir denn sonst hin.

Das nenne ich medialen Autismus. Diese Attitude nimmt die Leser nicht ernst, sie ist hilflos und lächerlich. Zum Glück leben wir nicht mehr im Mittelalter, als die alleineligmachende (eben!) Kirche entschied, welche Informationen die Untertanen bekommen durften. Spiegel Wissen allein macht selig, Wikipedia nicht. Daran glauben die wirklich, auch wütend gegen Blogger pöbeln wie Bernd Ziesemer, der Chefredakteur vom Handelsblatt, der von einer besonderen „Kategorie von Dummschwätzern“ redet, die sich „leider unter den so genannten Medien-Bloggern“ tummelten (ja, ich fühle mich angesprochen, du Klugscheißer!).

Freie Informationen für freie Bürger – das ist die Devise des 21. Jahrhunderts. Und die passende Partei für Netzkommunisten gibt es auch schon.“ (Das war jetzt der Werbeblock!)

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Kommentare

One Kommentar zu “Link-Economy der Netzkommunisten”

  1. Piratenpartei-News (piratennews) 's status on Saturday, 14-Nov-09 22:44:00 UTC - Identi.ca am November 15th, 2009 12:44 am

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