Dusselmann, Heine und Himbeertorte

Heine

Da liegt Harry Heine neben der Himbeertorte, ganz neu und frisch und billig, billig, Reclam, obwohl das auch nicht mehr stimmt. Die ersten Bücher in diesem Jahr gekauft, drei für 20 Euro und hasserfüllte Blicke von Verkäuferinnen in der Kaufhalle für Kultur. Ich bin vor dem Regen da hineingeflüchtet, weil ich einen meiner Anwälte aufgesucht hatte, der très chic in Berlin-Mitte residiert.

Nach dem Bloggen über Heine fiel mir unangenehm auf, dass ich dessen gesammelte Werke gar nicht besitze, sondern nur das, was eindeutig politische Titel trägt. (Dafür aber alles von Ernst Bloch, Tucholsky, Brecht, Thomas Mann, Hermann Hesse, Lessing, Shakespeare, Oskar Maria Graf, Stefan Heym, Schiller und Goethe. Nur falls jemand nicht weiß, was zu lesen wäre.) Vor rund 35 Jahren, als ich Heine zum ersten Mal las, legte ich noch Lyrik unbesehen beiseite. Im Alter wird man weiser.

Zugegeben: Mir fällt es leicht, mich in Buchhandlungen unbeliebt zu machen. „Ich bin’s gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen, mein Sinn ist auch ein bischen starr und zähe; wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe, ich würde nicht die Augen niederschlagen.“ Ich weiß meistens mehr über Bücher als die, die sie verkaufen. „So ein bisschen Bildung ziert den ganzen Menschen.“ Manchmal haben Verkäuferinnen auch einfach Pech mit mir: „Warum wir hemmungslos verblöden“ schrie es mir am Eingang des Kulturkaufhauses entgegen. Gute Stimmung garantiert. Stimme prophylaktisch „vollinhaltlich“ zu.

Ich suchte also zwischen „Bestsellern“, Büchern wie „Frauen atmen selbst“ und gefühlt drei Milliarden Schundromanen nach Heine. Sehr dünn, das Sortiment – das „Wintermärchen“ gab es nicht oder es war ausverkauft. „Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch.“ Nein, Harry, das muss jetzt nicht sein.

Heine gekauft: „Romanzero„, „Neue Gedichte“ und „Buch der Lieder„. (An die Nachgeborenen: Heinrich Heine liest man nicht als pdf. Tori Udon isst man auch nicht mit Messer und Gabel.)

Dann wollte ich noch eine literarische Sättigungsbeilage erstehen: „Inspektor Saitos kleine Erleuchtung“ von Janwillem van de Wetering. (Natürlich besaß ich das schon, ich hatte es aber offenbar verliehen und nicht wiederbekommen.) Ich fand ihn nicht, fragte also nach. „Er sprach mit jener stillen, impertinenten Zurückhaltung, die noch unerträglicher ist als die vollauteste Aufschneiderei.“ Fünf Verkäuferinnen bei Dussmann, und keine kannte van de Wetering. Nun gut, er ist erst seinem einem Jahr tot, aber nach Chandler der beste Kriminalschriftsteller der Neuzeit. „Gott wird mir verzeihen, das ist sein Beruf,“ murmelte ich vermutlich, „aber nicht euch.“ Ich bin nicht Gott, und selbstverschuldete Dummheit und mangelnde Bildung verzeihe ich selten. „Ja, man muß seinen Feinden verzeihen, aber nicht früher, als bis sie gehenkt worden.“ Sie sahen nach: „Den führen wir nicht, und der wird auch nicht mehr aufgelegt.“ Kann denn das wahr sein? Gut, dass wenigstens Heine noch gedruckt wird, obwohl sich die Düsseldorfer zwei Jahrzehnte stritten, ob denn ihre Universität seinen Namen tragen dürfe. Muss ich jetzt van de Wetering bei ebay ersteigern?

By the way: Die Tasse auf dem Foto ist kein Stilbruch, sondern ein eklektizistisches Einzelstück mit der Aufschrift „Gesundheitswesen“, die mir eine liebe Freundin aus einem Krankenhaus …äh.. mitgebracht hat.