Kaspersky will Anonymität im Internet verbieten

The Register: „Security boss calls for end to net anonymity“:
„The CEO of Russia’s No. 1 anti-virus package has said that the internet’s biggest security vulnerability is anonymity, calling for mandatory internet passports that would work much like driver licenses do in the offline world. (…) In Kaspersky’s world, services such as Psiphon and The Onion Router (Tor) – which are legitimately used by Chinese dissidents and Google users alike to shield personally identifiable information – would no longer be legal. Or at least they’d have to be redesigned from the ground up to give police the ability to surveil them. That’s not the kind of world many law-abiding citizens would feel comfortable inhabiting.“

Hier ist das Original-Interview auf zdnet.com:
What’s wrong with the design of the Internet?
There’s anonymity. Everyone should and must have an identification, or Internet passport. The Internet was designed not for public use, but for American scientists and the U.S. military. That was just a limited group of people–hundreds, or maybe thousands. Then it was introduced to the public and it was wrong…to introduce it in the same way.

I’d like to change the design of the Internet by introducing regulation–Internet passports, Internet police and international agreement–about following Internet standards. And if some countries don’t agree with or don’t pay attention to the agreement, just cut them off.“

Der Herr ist offenbar ein Gesinnungsgenosse von Zensursula, Schäuble und der KP Chinas. Geh doch rüber nach Nordkorea, Kaspersky!




Fabiana, Goddess of Scripts

Second Life

Dreieinhalb Leser werden sich an meinen „Fotoroman„: „Ein Quantum Plutonium“ erinnern. Eine der Darstellerinnen war Fabiana, real eine junge Italienerin. Ich treffe sie immer noch und mag sie – eine junge Frau mit sehr gutem Geschmack, überraschend zynischer Attitude und „inworld“ Inhaberin eines Ladens mit ausgefallenem virtuellen Sexspielzeug. Das macht sie selbst, sie ist eine begnadete Scripterin. Spräche sie deutsch, würde ich sie für die Piraten werben. Von virtuellen Welten haben die noch nicht viel Ahnung, das ist zu avantgardistisch. Dafür sind ältere Herren mit Globetrotter-Vergangenheit wie ich da.

Second Life




Eine Polizei, die „lügt, betrügt, stiehlt und trickst“

Spiegel Online über eine Sternstunde der deutschen Justiz – den Freispruch von Harry Wörz:
„Die Staatsanwaltschaft rühmt sich gern ihrer Objektivität und Fairness, da sie, wie immer behauptet wird, das einen Verdächtigen Be- wie auch das ihn Entlastende gleichermaßen im Blick habe. Dass jedoch dies nur hehre Theorie ist, leuchtet sofort ein, wenn man weiß, dass Staatsanwälte weisungsgebunden sind, also vor allem in spektakulären Fällen nicht über die Köpfe ihrer Vorgesetzten hinweg agieren dürfen. Stößt eine Sache auf öffentliches Interesse, haben Staatsanwälte Bericht zu erstatten. Ob sich am Ende einer Hauptverhandlung die Anklageschrift, die sie oft noch nicht mal selbst verfasst haben, als zutreffend erweist oder nicht, entscheiden daher nicht die jeweiligen Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, sondern ihre Vorgesetzten.“

Wenn ich da an mein eigenes Verfahren denke, habe ich da einige Ideen, wenn das nicht schon beinahe eine Verschwörungstheorie wäre…




Marx hatte doch recht, sagt der Vatikan

Netzeitung: Der Vatikan fordert eine Rückbesinnung auf die Theorien von Karl Marx. Der Philosoph «kann nicht als überholt gelten», mahnte die Vatikanzeitung ‚Osservatore Romano‚ am Mittwoch. Sozialistische Diktaturen hätten die Lehren des Kapitalismuskritikers ‚bis zur Unkenntlichkeit entstellt‘, schreibt der deutsche Jesuit Georg Sans von der Päpstlichen Gregoriana-Universität. Papst Benedikt XVI. würdigte Karl Marx (1818-1883) wegen dessen ‚eingehender Genauigkeit‘ sowie ’sprachlicher und denkerischer Kraft‘ bereits 2007 in seiner zweiten Enzyklika *Spe salvi* (Durch Hoffnung gerettet).“

(Dort heißt es aber: „Karl Marx took up the rallying call, and applied his incisive language and intellect to the task of launching this major new and, as he thought, definitive step in history towards salvation—towards what Kant had described as the “Kingdom of God”. (…) Together with the victory of the revolution, though, Marx’s fundamental error also became evident. He showed precisely how to overthrow the existing order, but he did not say how matters should proceed thereafter.“)

Dass ich das noch erleben darf! (Danke, Schockwellenreiter!) Der Artikel der Times ist informativer.




Keine Zensur im BBC

Netzeitung: „Keine Zensur – BBC lädt Rechtsextremen-Chef ein“. „Nach einem Sturm der Entrüstung hat die BBC die Einladung des rechtsextremen Parteichefs Nick Griffin zu ihrer wichtigsten Politik-Debatte verteidigt. Den Vorsitzenden der British National Party (BNP) nicht im Programm des öffentlich-rechtlichen Senders zu berücksichtigen, käme einer Zensur gleich, erklärte BBC-Chef Mark Thompson.“

Richtig und gut so. (By the way: „Net“zeitung – man kann Links setzen! Schon mal davon gehört?) Was machen die deutschen Medien daraus, denen bestimmt der Mund offen steht vor Staunen? Sie verstecken die Meldung unter „Vermischtes“ wie Focus Online, sie haben gar keine Meinung dazu wie Spiegel Offline (wie gewohnt kein Link) oder finden die Einladung gaaaanz schlimm wie die Sächsische Zeitung oder die Frankfurter Rundschau („Tabubruch“).

Irgendwann wandere ich ganz ab zu englischen Medien oder gleich zu den Arabern.




Dumm gelaufen: Kinderpornografie auf Manchesters Flughafen

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Die britische Zeitung Daily Mail berichtet: Kinder dürfen von den neuen Nacktscannern auf Manchesters Flughafen nicht mehr erfasst werden:

„But now – with the system due to begin operating at full capacity at Manchester’s Terminal 2 next week – security chiefs have been told no one under 18 can be subjected to the new checks. Child protection experts have warned that the image produced by the Rapiscan machines may break the law which prevents the creation of an indecent image or pseudo-image of a child.“

Dann werden Familien mit Kindern vermutlich in Zukunft besonders verdächtig, weil die lieben Kleinen der Terroristen den Sprengstoff tragen werden. Die spinnen, die Überwachungs-Paranoiker…

By the way. Sehr schön die Kommentar-Funktion der Daily Mail. Lichtjahre von den Websites deutscher Holzmedien entfernt. Davon können die noch viel lernen.




Der Geist des Aufbegehrens

Sehr netter Artikel in Welt Online über die Piratenpartei: „Die Piratenpartei verkörpert unsere großen Träume“.

„Ohne viel Etat, ohne großen konventionellen Wahlkampf, ohne charismatische Führungsfiguren erreichte das bunte Bündnis bundesweit zwei Prozent, einen Wert, von dem Rechtsextreme, Graue oder andere Esoteriker nur träumen können. Doch das reine Kopieren von Kampagnen in sozialen Netzwerken treibt keine neue Kraft in alte Parteien. Politikern vom Schlage Pofallas, deren Lebensinhalt der Gehorsam ist, bilden eher den kulturellen Gegenpol der Piraten. Denn obgleich seltsam eindimensional und charismatikerfrei, trägt die neue politische Kraft doch zugleich den Geist des Aufbegehrens in sich, mit dem Individuum und einigen seiner modernen Bedürfnisse im Zentrum, die weit über die Krümeldebatten um Kindergeld und Rentenanpassung hinausgehen.“

Der Satz mit Pofalla gefällt mir, weil er am Beispiel einer Person den Kern der Sache trifft.

„Allen Etablierten haben die Piraten immerhin eines voraus: Sie werden als cool wahrgenommen, nicht so dinkelig wie die Grünen, nicht so beamtig wie die Union, nicht so verschrocken wie die SPD und nicht so verwirrt wie die Linken.“




Broder for President!

Tagesspiegel: „Warum ich für das Amt des Präsidenten des Zentralrates der Juden kandidiere. Henryk M. Broder erläutert seine Gründe in diesem Beitrag für den Tagesspiegel.“

(…) „Die offizielle Vertretung der Juden in Deutschland befindet sich in einem erbärmlichen Zustand. (…) Was der Zentralrat tut oder unterlässt, das entscheidet dessen Generalsekretär, der die schwindende Bedeutung der Organisation durch taktische Allianzen und sinnfreien Aktionismus auszugleichen versucht. Zuletzt hat er den ehemaligen Berliner Finanzsenator, Thilo Sarrazin, wegen dessen kritischen Äußerungen über integrationsunwillige Migranten in eine Reihe mit Hitler und Goebbels gestellt und sich bald darauf für diese Entgleisung auf eine Weise entschuldigt, die vor allem eines demonstrierte: dass er keine Ahnung hat, wovon er redet.

Der Zentralrat vertritt eine kleine Minderheit, etwa 100 000 Juden, von denen die meisten nach 1989 aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik gekommen sind, sein Wort hat aber Gewicht. Besser gesagt: Es hatte Gewicht. Inzwischen werden dessen Stellungnahmen kaum noch wahrgenommen, weil er sich inflationär zu allem und jedem äußert.“ (…)

Ich werde mich dafür einsetzen, dass Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben wird. Das Gesetz war gut gemeint, hat sich aber als kontraproduktiv erwiesen, indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren.“ (…)

Broder hat natürlich recht, aber er vergisst eines: Gewählt werden nicht die, die für das Amt geeignet sind, sondern die Mittelmäßigen, die keinem wehtun. Das ist in den jüdischen Gemeinden nicht anders als im DJV.




Second Chance für Second Life (in deutschen Medien)

Second Life

Screenshot: die Benutzeroberfläche des Second-Life-Clienten. Mein virtuelles Büro in Cymric auf knapp 4000 „Meter“ Höhe. Der rote Button links ist für eine „minderlegale“ Software, mit der ich andere Avatare durch die Gegend schleudern kann, wenn sie mich nerven. Die Menüs rechts machen meinen Avatar zu einem Karatekämpfer, der andere wegpushen kann, auch wenn Avatare unverletzlich sind, und versetzen ihn in die Lage, die Chats anderer zu belauschen – auch aus einiger Entfernung. Als Inhaber einer virtuellen Detective Agency hat man immer ein paar schmutzige Tricks im Ärmel. Neulinge – „geboren“ nach 2007 – in Second Life wissen oft gar nicht, was es so alles gibt.

Deutsche Medien und Second Life – ich sollte ein Lehrbuch für Journalistik schreiben. Ich hatte gleich zahllose Beispiele, wie man es nicht machen sollte. Vielleicht tue ich Spiegel offline auch unrecht. Vielleicht ist es nur Selbstironie, wenn die über Second Life schreiben: „Totgeglaubte virtuelle Welt“. Vom Glauben wird man nicht satt, und Glaubensfragen zu verbreiten ist keine journalistische Aufgabe. wer glaubte denn – und warum?

„Glaubt man dem Medienecho, dürfte es ‚Second Life‘ längst nicht mehr geben. Die einst hochgelobte virtuelle Welt hat einen miesen Ruf. De facto aber ist ‚Second Life‘ ein profitables Unternehmen mit vielen Nutzern. Und Konkurrenten wie „Twinity“ [nein, Spiegel offline setzt keinen Link zu Twinity.] versuchen sich auf dem gleichen Feld.“

„Einst hochgelobt“ – vom wem? Vom gesunden Volksempfinden? Von Redakteuren, die sich zehn Minuten dort aufgehalten haben? Interessanter wäre es doch zu erklären, warum es zu einem sinnfreien Hype kam und warum der plötzlich abebbte. Natürlich – es handelt sich um deutsche Medien. Denen muss man nur das Wort „Kinderpornografie“ in den Rachen werfen. Irgendetwas wird schon hängen bleiben. Vergleiche den unsäglich dämlichen Artikel im österreichischen Standard: „Kinderpornos: Die Gefahr lauert nicht nur im WWW“. (Deutschsprachige, nicht deutsche Medien – wie wollen die Aussis nicht einverleiben.)

Einen „miesen“ Ruf hat Second Life nur bei denen, die alles glauben, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen kommt. „Kinderpornografie in Second Life“ ist eine Medienente von Report Mainz. (Mittlerweile kenne ich sogar diejenigen, die damals agierten, als der Informant von Report Mainz Screenshots machte – es waren ohnehin keine Kinder involviert.)

Second LifeSecond Life

Mein Avatar besucht eine Sim in Second Life, die das Engadin virtuell präsentieren will.

Erstens: Twinity ist eine Totgeburt. Recherche bedeutet nicht, dass man das abschreibt, was die Macher behaupten. Das hingegen nennt man Public Relations, auch als Werbung bekannt. Schon mal davon gehört? Christof Kerkmann, dpa, ich wette, geschätzer Kollege, dass du weder einen Avatar in Twinity noch in Second Life hast.

„Bereits vor einigen Monaten verbannte die Firma aus San Francisco einige Inhalte in einen virtuellen Rotlichtbezirk. Nur wer sich bei der Registrierung als Erwachsener ausweisen kann, kommt dort rein. Kein Avatar soll ungewollt mit Sex, virtuellem Drogenkonsum und Gewalt zu tun bekommen – das schadet dem ohnehin angeschlagenen Ruf.“

Zweitens: Davon ist so gut wie kein Wort wahr. Es gibt – so wie das da steht – keinen „virtuellen Rotlichtbezirk“. Cybersex kann man überall kriegen und haben. Ich will nicht schon wieder von Gor in Second Life anfangen. Gemeint ist: Eine Sim mit „adult“-content, also Inhalt für Erwachsene, kann man als Avatar nur betreten, wenn man eine „age verification“ gemacht hat. Ein 16-Jähriger kann Second Life genau so leicht spielen wie er ein Video ausleihen kann, das nur für Erwachsene ist. Die „Altersverifikation“ ist ein Placebo. Vermutlich hat Lindenlab die nur eingeführt, damit deutsche Medien mit ihrer calvinistischen Obsession endlich das Maul halten. Aber um das herauszufinden, müsste man „vor Ort“ recherchieren. Beim Thema Second Life ist Google offenbar noch nicht einmal der Minimalstandard der Recherche. Und noch eins: „virtuellem Drogenkonsum und Gewalt“. Tickt ihr noch ganz richtig bei Spiegel Offline bzw. dpa? Was zum Teufel ist „virtueller Drogenkonsum“? Und haben das die Jugendschutzwarte auch verboten? Zuzutrauen wäre es ihnen. Wie kann man so einen Unfug unredigiert auf die Leute loslassen?.

Second Life

Es nützt auch nichts, wenn ab und zu virtuelle Welten gelobt werden mit dem Hinweis, dass die nächste Generation (für Zensursula und Schäuble wäre das die gefühlte überüberübernächste Generation) schon mit Avataren aufwächst. Diese Welten sind Datenkraken, erziehen die lieben Kleinen zu Konsumfetischisten und sind nur primitive 3D-Chats – kein Vergleich mit Second Life.

Auch Zeit Online stößt ins gleiche Horn: „Ausgestorben, unfertig, völlig überschätzt: «Second Life» hat einen miserablen Ruf. Die virtuelle Welt erlebte erst einen beispiellosen Höhenflug bei Nutzern und Medien, stürzte dann aber umso tiefer ab.“

Wieso „stürzte sie ab“? Die Nutzerzahlen sind kontinuierlich gestiegen, die Performance hat sich kontinuierlich verbessert. Fakten, Fakten, Fakten, und nicht an die Gefühle denken. Das wäre Journalismus. Der Text des Artikels konterkariert sich immerhin selbst: „‚Die Wahrnehmung von Second Life entspricht nicht der Realität‘, sagt der Chef von Linden Lab. Das Entwicklerteam habe anfangs nicht mit dem riesigen Andrang Schritt halten können, gesteht er ein. Doch heute sei die 3D-Welt stabil – und bei weitem nicht entvölkert: Rund 16 Millionen Nutzer sind registriert, jeden Monat loggt sich eine Million von ihnen ein, ein beträchtlicher Teil davon aus Deutschland. Ebenso wichtig für die Firma: Sie verbringen im Schnitt immer mehr Zeit auf der Plattform.“

Ja, was deutsche Medien schrieben, entsprach nicht der Realität. So einfach ist das. Darüber sollte man ein wenig nachdenken. Und woher das wohl kommt? Ansonsten ist es dergleiche Artikel von dpa, nur dass Zeit Online den Namen des Autors weglässt. Zeit online und Spiegel „Online“ bringen identische Artikel? Ja. Bin mal gespannt, was passierte, wenn ich beiden denselben Artikel anböte mit dem Hinweis, das wäre doch kein Problem..

Second Life

Mein Avatar mit zwei Freundinnen in Second Life, einer Holländerin, meiner virtuellen „Partnerin“, und einer Freundin aus Mendoza in Argentinien. Mit beiden chatte ich in Englisch, obwohl beide Deutsch verstehen.




Das wird lustig: Kippt das Bundesverfassungsgericht Hartz IV?

Spiegel Online: „Der Hartz-IV-Streit vor dem Verfassungsgericht hat eine viel größere Bedeutung als zunächst erwartet. Die Bundesregierung muss wohl nicht nur die Regelsätze für Kinder neu berechnen – sondern auch die Leistungen für Erwachsene. (…) Selbst Experten waren überrascht, wie schlecht es der Bundesregierung gelang, die Daten, die sowohl den Hartz-IV-Leistungen für Erwachsene als auch für Kinder zugrunde liegen, zu rechtfertigen. Bisher sei sie ‚von der Verfassungsgemäßheit‘ der Regelsätze für Erwachsene ausgegangen, gab die Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstags, Monika Paulat, noch in der Verhandlung zu Protokoll, die Rechtfertigungsversuche der Bundesregierung aber „lassen mich ins Grübeln kommen“. (…) Der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung, der Kasseler Rechtsprofessor Stephan Rixen, hatte dagegen schon im Vorfeld argumentiert, die ’soziale Schutzpflicht‘ sei ein „Optimierungsgebot“, das über die zwingend notwendige Existenzsicherung hinausgeht – also im Prinzip auch ohne Verfassungsverstoß wieder begrenzt werden kann. Doch offenbar haben die Verfassungsrichter in diesem Punkt etwas andere Vorstellungen vom Grundgesetz.“

Das lässt mich grübeln. Ich hatte in letzter Zeit schon öfter den Eindruck, dass die Politiker im Raumschiff Bundestag etwas kauzige und abwegige Vorstellungen vom Grundgesetz haben und andere als die Bevölkerung. Vielleicht sollte die Bundesregierung auch ihre Rechtfertigungen outsourcen?




Es gibt keinen Fall Tauss

Jörg Tauss, Ex-MdB der SPD, Mitgled der Piratenpartei, schreibt in seinem Blog über Report Mainz: „Report Mainz liegt nach eigenen Angaben die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vor. Dies ist ein weiterer bemerkenswerter Vorgang im ‚Fall Tauss‘. Die Beurteilung, ob die gesamte Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft noch mit rechtsstaatlichen Ermittlungen zu tun hat, soll anderen überlassen bleiben und braucht an dieser Stelle nicht kommentiert werden. (…) Das gesamte Verfahren leidet leider darunter, dass Vermutungen ohne weitere Nachfrage als Verdacht formuliert worden sind. Und dies auch immer wieder öffentlich, wie Ihre Anfrage zeigt.“

Dazu kommentiert Hartmut in Kritik und Kunst: „Wenn das stimmt, wenn es wirklich Personen gibt, die von Tauss vorab über seine Rechercheabsicht informiert wurden (zu der er nach meinem Rechtsverständnis bei Lektüre des Gesetzestextes allemal berechtigt war als Bundestagsabgeordneter, der mit diesem Thema inhaltlich befasst war), dann existiert schlicht und ergreifend kein Fall Tauss. Dann existiert bestenfalls oder schlimmstenfalls ein Fall Schwiegersohn-Schäuble/von der Leyen. Sollte Tauss´ Darstellung – es habe natürlich Personen gegeben, die er vorab über seine Rechercheabsicht informiert habe – nicht widerlegt werden, so haben wir es hier mit einem ziemlich widerwärtigen Verfahren zu tun.(…)

PS: Bei den aufgefundenen CDs / DVDs wird jetzt die Zahl 35 MBs kolportiert. Ich weiß nicht, ob diese Zahl stimmt. Wenn sie stimmt, breche sogar ich oller Digi-Knipser in schallendes Gelächter aus. Sogar jeder dahergelaufene Trottel, der, wie ich (Ihro regierende Majestät Hartmut DAU I.) von digitalen Dingen nur marginal Ahnung habe, weiß: 35 MBs bei hunderten von Photos? Besonders dulle kann die Qualität seiner Wichsvorlagen ja nicht gewesen sein…“

Ich lege mich jetzt fest, ohne die Fakten zu kennen. Report Mainz recherchiert ohnehin nicht immer seriös. Ich erinnere an die Falschmeldung (ja, Falschmeldung!), in Second Life gebe es verbotene „Kinderpornografie„. Man muss so etwas nur behauptetn, dann bleibt es in der Welt wie die Zahnpasta, die aus der Tube ist. Die mengelnde Seriösität von Report Mainz mag an der örtlichen Nähe zu der Zensur-Lobby und den Jugendschutzwarten liegen.

Für mich gibt es keinen „Fall Tauss“. Für mich gibt es den Fall, dass in der Tradition McCarthys eine Hexenjagd veranstaltet wird,.ein kollektiver Exorzismus, von untergründiger Angst geschürt, von sensationslüsternen Medien (ja, ich bin gern Nestbeschmutzer!) und Teilen der Justiz und Zensur-Lobby bewusst angefeuert.

By the way: Ich weiß, wovon ich rede. Die Staatsanwaltschaft in Berlin hat gerade erfolglos versucht, mich wegen § 353d StGB – „Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen“ – verurteilen zu lassen: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (…) die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.“ Ich überlege, ob ich nicht Strafanzeige gegen Report Mainz stelle, nur um zu sehen, was dabei herauskommt.

Und zweitens kenne ich Vorwürfe, da wäre doch irgendwas mit Kinderpornografie, aus dem verbandsinternen Mobbing beim DJV. Am 30. Novemebr 2005, als alles schon vorbei war, habe ich einen offenen Brief an einen Funktionär iom DJV verfasst: „Ich darf Sie daran erinnen, dass keine Kollegin und kein Kollege aus Ihrem Verband, dem DJV Baden-Württemberg, es für nötig gefunden hat, auf die unsägliche und bundesweite E-Mail des Berliner Landesvorsitzenden Alexander Kulpok aus dem vorletzten Jahr zu reagieren, die an alle Geschäftsstellen des DJV ging, in der mir vorgeworfen wurde, gegen mich läge ein Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung von Kinderpornografie vor. Das Landgericht und das Kammergericht Berlin haben dazu erfreulich eindeutig und zu meine Gunsten geurteilt.“

Ich kann Jörg Tauss nur raten, mit äußerster Härte und Konsequenz gegen alle die vorzugehen, die jetzt fahrlässig das Maul aufmachen über Dinge, die sie nur vom Hlörensagen kennen. Es hilft überhaupt nichts, Rücksicht zu nehmen. Man muss gleich mit Feuer und Schwert unter die Intriganten und Verleumder fahren wie der Teufel unter die armen Seelen. Ich habe es damals so gemacht und habe gewonnen, und es kam meine Gegner teuer zu stehen. Aber ich hatte Kollegen, die mir halfen. Das hat nicht jeder.

Ceterum censeo. Für mich gibt es keine causa Tauss.




Deutsch des Grauens

Was ist und zu welchem Ende betreiben wir Sprachkritik? Wer nicht klar spricht und schreibt, hat vorher wirr gedacht. Schreiben ist jedoch Handwerk: Man kann lernen, wie man sich ausdrücken muss, damit das Publikum versteht, was man meint. Manche Leute glauben jedoch, sich möglichst geschwurbelt geben zu müssen. Der Jargon einzelner Berufe, das Juristen- und Beamtendeutsch, das eitle und oft oft nur faule Gespreize und das vermeintlich Authentische – sie sind Feinde der Sprache und der klaren Gedanken. Meine Sprachpäpste sind Elias Canetti, Heinrich Heine und der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg. Letzterer ist schlicht ein Sprachgenie. „Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat.“ Zum Glück habe ich mindestens eine. Ich rege mich also immer auf.

„Er sagt es klar und angenehm, was erstens, zweitens, drittens käm“, beschrieb Wilhelm Busch einen guten Redner. Der jedoch hätte ein Problem gehabt, wäre sein Thema die Telekommunikationsüberwachungsverordnung gewesen: Das Wortungetüm, aus dem Urgrund der deutschen Beamtenseele hervorgekrochen, ist für die Sprache das, was Freddy Krüger für kleine Mädchen ist. „Abhörgesetz“ sollte es heißen! Wir sagen auch „Geisterfahrer“ und nicht „Gegenfahrbahnbenutzer“, obwohl nirgendwo Geister sind.

Ähnlich holpernd kommt die Überschrift „Nichtanwendungserlass für das Zugangserschwerungsgesetz“ einher. Thomas Stadler, ein Anwalt, hat das verbrochen, und ihm sei halb verziehen – Juristen können nicht schreiben. Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer übersetzen das, was er uns mitteilen will, ins Deutsche – so wie es auf seinem Blog steht, versteht es niemand. Und da es sich um das Gute, Schöne und Wahre handelt, ist das bedauerlich.

Der in den Koalitionsverhandlungen vereinbarte Kompromiss zu den Netzsperren, wonach für die Dauer von einem Jahr nur gelöscht und nicht gesperrt werden soll, soll offenbar über einen Anwendungserlass geregelt werden, der dem BKA aufgibt, keine Sperrlisten zu erstellen und solche Listen auch nicht weiterzuleiten.

44 Wörter, verschachtelt und nicht logisch verknüpft – muss das sein? Neun Wörter pro Satz bedeuten bei dpa die Obergrenze der optimalen Verständlichkeit. Probieren wir’s!

Der Kompromiss soll irgendwie durch irgendwas geregelt werden – das ist die Aussage des Satzes. Und wer tut was? Wer ist Ross und wer ist Reiter? Die Koalitionsparteien haben einen Kompromiss geschlossen. Doppelpunkt: welchen? Für ein Jahr soll (Websites?) nur gelöscht und nicht gesperrt werden. Wer sperrt? Wer wie sperrt, wird in einem Erlass geregelt. Doppelpunkt: Was steht da drin? Das BKA darf keine Sperrlisten erstellen und diese auch nicht weiterleiten. Geht doch. Drei oder vier Sätze, insgesamt nur 35 Wörter, und alles ist gesagt.

Noch schlimmer ist eine Pressemitteilung des Ak Vorrat:
Die im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zusammengeschlossenen Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer halten den Kompromiss von FDP, CDU und CSU zur Vorratsdatenspeicherung für inakzeptabel und weisen die sachlich falsche Kritik von Polizeifunktionären entschieden zurück.

Wer tut was? Was ist wichtig und was zusätzliche Information? Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer – was tun die? Sie haben sich zusammengeschlossen. Aber das ist nicht das Wichtigste, sondern nur das Logo, das in einer Presseerklärung nicht fehlen darf. Aber nicht am Beginn einen Satzes, der das Publikum interessieren und fesseln soll!

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung weist etwas zurück – das ist auch Unsinn und langweiliges Politiksprech. Die Frau wollte das Nachporto nicht bezahlen und wies das Postpaket zurück. Da geht es, aber nicht hier. „Für inakzeptabel halten – wie wäre es mit: akzeptiert nicht? Der AK Vorrat akzeptiert den Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung nicht – das ist die Botschaft, und erst dann kommen die Dinge, die nur erläutern. Dafür gibt es den Nebensatz: den FDP, CDU und CSU ausgehandelt haben.

Was noch? Der AK Vorrat kritisiert die Kritik oder so ähnlich. Entschieden, nicht halbherzig – wer hätte das gedacht. Außerdem weiß hier niemand, was genau die Kritik der Polizeifunktionäre war. Kritisieren die den Kompromiss oder die Meinung des AK Vorrat? Beide akzeptieren also den Kompromiss nicht, aber aus unterschiedlichen Gründen? Der AK Vorrat hält (zudem) die Kritik der Polizeifunktionäre am Kompromiss für sachlich falsch. Und jetzt kann hinterherhoppeln: Am AK Vorrat haben sich Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer zusammengeschlossen.

„Eine Einschränkung des staatlichen Datenzugriffs ist keineswegs die angekündigte ‚Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung‘ und ändert nichts an dem inakzeptablen Risiko einer missbräuchlichen Nutzung oder eines versehentlichen Bekanntwerdens unserer privaten, geschäftlichen und politischen Kommunikationsbeziehungen.

Au weia. Das erinnert mich an mein Posting vom 11. März 2006: „Wie man grässliche Pressetexte in schlechtem Deutsch verfasst“. Ich schweife kurz ab: Karl Valentin ist verständlicher als der AK Vorrat: „Wehe dem, der sich selbst, wehe dem, dem derjenige nur das ist, was wir uns von diesem erwartet haben. Selbst ist die Frau! Meine Herren! Wenn die Besonnenheit uns von unseren Sorgen, deren wenige ein verblendendes Spiel in uns gesetzt zum Zwecke des Mittels, einen wie bei jedem, wir können nicht das gute Gewissen mit derselben Resignation verknüpfen, der unserem Standpunkt von vorneherein gegenüberstand.“

Ganz einfach: Jedes Wort, das auf -ung endet, ist verboten (außer „Vorratsdatenspeicherung“, weil es um genau die geht). Der Staat greift also auf unsere Daten zu. Das Verb greifen ist allemal stärker und besser als das lasche „der Zugriff“, das uns verschweigen will, wer denn zugreifen will. Ich muss zugeben: Ich bin nicht sicher, ob ich auf Anhieb richtig verstanden habe, was uns der AK Vorrat sagen will. Wenn der Staat weniger häufig auf Daten zugreift, wird die Vorratsdatenspeicherung nicht ausgesetzt? Die doppelte Verneinung hat immer Tücken – das versteht niemand auf Anhieb. Die Steigerung des Arbeitslosigkeit verringert sich – wird sie nun mehr oder weniger?

Die Vorratsdatenspeicherung wird nicht ausgesetzt (besser positiv: bleibt in Kraft), (auch) wenn der Staat nur weniger häufig auf Daten zugreift. Es besteht weiter das Risiko, dass er die Daten missbraucht. („Inakzeptables Risiko“ gefällt mir nicht. Das schafft eine zusätztliche logische Ebene – eigentlich die Aufgabe eines Nebensatzes.) Kommunikationsbeziehungen – das ist nicht nur ein weißer Schimmel, sondern unaussprechliches Soziologen-Gefasel. Wer mit wem telefoniert oder wer wem schreibt – das ist gemeint. Kommunikation ist immer schon eine „Beziehung“. Wer mit wem kommuniziert – privat, geschäftlich oder politisch -, könnte daher (immer noch) versehentlich bekannt werden.

Klaus Lederer ist berliner Vorsitzender der Linken. In seinem Aufsatz „Links und libertär? Warum die Linke mit individueller Freiheit hadert“ schreibt er: „Ein das linke Denken verkleisternder, dogmatischer Grundbestand an Vorstellungen..“ oder „Diese Beschreibung darf nicht über die temporäre Faszination und Wirkungsmächtigkeit dieser Ideologie..„.

Leute, gebraucht Verben und denkt an Lenin: Wer wen? Das wollen die Leser wissen. Ung ung ung keit keit keit ion ion ion ismus ismus ismus. Neinnein, alles verboten. „Wirkungsmächtigkeit“ – welche Sprache soll das sein – Parteichinesisch? Die Ideologie wirkt und ist mächtig und fasziniert, aber nur zeitweilig. Das wäre zwar stilistisch besser, aber logisch falsch. Lederer will das Gegenteil sagen: Die Ideologie ist nicht mächtig, aber ausnahmsweise jetzt ein bisschen, obzwar nur temporär. Da müsste ich noch feilen. Übrigens: Was Lederer schreibt, ist gut und richtig und interessant.

Aber jetzt bin ich müde und gehe schlafen und benutze dazu die Glotze. Da ist alles noch viel schlimmer. Ich sollte einfach den Ton ausstellen.




Offenbar linke Piratenpartei

Tagesspiegel: „Eine Veranstaltung mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) an der Freien Universität drohte am Montagabend im Tumult unterzugehen. In einer Ringvorlesung der Juristen über ‚Internationalen Terrorismus als Herausforderung des Rechts‘ sollte Schäuble über die Frage ‚Was ist Freiheit ohne Recht?‘ sprechen. In dem überfüllten Seminarraum an der Van’t-Hoff-Straße (Dahlem) kam Schäuble kaum zu Wort, immer wieder unterbrachen ihn Störer, berichtet Philip Kunig, Professor für Staatsrecht, der die Vorlesungsreihe organisiert. (…) …etwa 90 Störer drängte die inzwischen alarmierte Polizei vom Institutsgebäude ab und sprach Platzverweise aus. Nach Polizeiangaben bekannten sich etliche der Protestierenden zur ‚Piratenpartei‘.“

Die Berliner Morgenpost schreibt: „Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) konnte am Montag nur unter Schwierigkeiten seine Vorlesung an der Freien Universität Berlin halten. Schäuble sollte zum Thema ‚Was ist Freiheit ohne Sicherheit‘ sprechen. Dutzende Protestierer, die offenbar der linken Szene angehören, störten den Vortrag vor und im Gebäude.“

Ist klar. Wer gegen Schäuble protestiert, ist für die „Morgenpost“ automatisch links. Man muss auch nicht wirklich wissen, wer „gestört“ hat. Mit „offenbar“ hat man das Maximalniveau der Recherche offenbar schon erreicht. (Das Wort „Störer“ ist übrigens ein juristischer Begriff und Polizeijargon und hat in journalistischen Artikeln nichts zu suchen.)

Es ist gut, dass Schäuble nicht ungestört seine Wahnidee vom Überwachungsstaat hat darlegen können. Nur um das mal auszusprechen.




99% aller Deutschen sind irrelevant

„99% aller Deutschen sind irrelevant. Und werden es auch immer bleiben. Jedenfalls nach den Relevanzkriterien der deutschen Wikipedia. Das wird in der Wikipedia mit einem hürdenspringenden Hauskaninchen illustriert, mit der Bildunterschrift: “Für über 99 % der Bevölkerung unüberwindbar: Die Relevanzhürde.” [Via Aggregat7: „Das vordigitale Menschen- und Gesellschaftbild der Wikipedianer“]

By the way, BildunterschriftenverfasserInnen bei Wikipedia: Für fast alle Wikipedianer unbeherrschbar: Die deutsche Sprache. Was ist das für ein Satzbaugestammel? „Die Relevanzhürde ist für 99 Prozent der Bevölkerung unüberwindbar“ – ist Euch ein so „primitiver“ Satzbau zu kompliziert? Schlicht und verständlich mitzuteilen, wer was ist – das geht irgendwie nicht? Man muss einen Doppenpunkt sinnfrei dazwischenhauen? Pfeifen.




Kopftuchmädchen machen Berlin kaputt

Kopftuchmädchen




Gebt die Drogen frei! Oder: Arbeit macht drogenfrei

Hedonismus

Zeit Online, Ihr habt jetzt zehn linkfreie „online“-Artikel frei, ohne dass ich meckere! Warum? Wegen dieses Artikels: „Gebt die Drogen frei! – Eine kühle Kalkulation von Kosten und Nutzen zeigt, dass der Kampf gegen das Rauschgift gescheitert ist. Weil er scheitern musste“. (Ein kausaler Nebensatz als Hauptsatz? Gut, man kann nicht alles haben, aber das ist Asthma-Stil).

Zentrale Botschaft: „Der ‚Krieg gegen die Drogen‘ ist eine gescheiterte Strategie, die weit mehr Schaden als Nutzen gebracht hat. (…) Der Kreuzzug gegen die Drogen wird als eine der größten Torheiten der Neuzeit in die Geschichte eingehen.“

Ja, jedes Wort wahr. Jetzt aber verrate ich euch was. Seit meinem Buch „Heroin“ (erschienen 1993) und auch schon vorher hat es immer wieder einzelne vernünftige Menschen gegeben, die genau das sagten, was man jetzt bei Zeit online liest. Ich empfehle die Artikel des Nobelpreisträgers Milton Friedman, ganz besonders: „The War We Are Losing„.

Aber das alles ist vergebliche Mühe. Es geht nicht um Argumente. Damals schrieb ich (in alter Rechtsschreibung):

„Was der Gesellschaft gerade an der Heroinsucht so aufstößt, hat wenig mit der Droge selbst, um so mehr mit der damit zusammenhängenden Subkultur zu tun. Kompliziert formuliert: ‚Die strukturelle Anfälligkeit westlicher Gesellschaften für Konflikte über die moralische und rechtliche Bewertung des Drogenkonsums ergibt sich aus der delikat ausbalancierten Stellung des Drogenkonsums in einer sowohl am Leistungs- wie auch am hedonistischen Prinzip orientierten Gesellschaft.‘

Einfacher: Wer etwas leistet, erfreut sich in Gesellschaften, die im weitesten Sinne auf den moralischen Prinzipien der protestantischen Arbeitsethik fußen, eines hohen Ansehens – und darf sich dann auch mal was Schönes gönnen. Wer freiwillig faul ist, gilt, je nach Rigidität der Norm, als sozialer Abweichler. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, hieß es im alten Preußen. Wer dem Rausch frönt und süchtig ist, genauer: nach oder von illegalen Drogen süchtig ist, sei arbeitsunfähig und damit auch moralisch verwerflich – so jedenfalls das Klischee der öffentlichen Meinung. Man darf dem individuellen Lustprinzip huldigen, wenn man vorher etwas geleistet hat, nur dann. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Die Frage ist nur: Wie viele Arbeitsunwillige kann unsere Gesellschaft vertragen? Nicht ihre reale Zahl ist wichtig, sondern ihre symbolische Ausstrahlungskraft, die Faszination einer Drogen-Subkultur, die den normal arbeitenden Bürger zutiefst verunsichert. Die ‚Sucht‘, die gleichzeitig das Lustprinzip auf die Spitze treibt, ist ein Angriff auf die Moral. Sucht ist nur in der Freizeit gestattet, als Ausgleich zum Streß des Arbeitslebens, als verschämt genossenes Privatvergnügen oder im Rahmen akzeptierter Rituale wie beim Fußball oder im Vereinswesen.

Das Klischee der ‚Sucht‘ als Verweigerung der Leistung ist so in den Köpfen etabliert, daß die Realität kaum eine Chance hat: Heroinabhängige, die problemlos mit ihrer Droge versorgt würden oder werden – was wegen der Illegalisierung des Heroins kaum der Fall ist -, sind genauso arbeitswillig und -fähig wie jemand, der jeden Tag drei Schachteln Zigaretten raucht. Ihre Leistungsfähigkeit ist nicht wesentlich beeinträchtigt, noch nicht einmal, im Gegensatz zu Alkoholikern, die Fahrtüchtigkeit. Sie richten also keinen Schaden an, jedenfalls nicht mehr als diejenigen, die ohne Drogen auskommen Warum sollte also die Heroin-Sucht überhaupt behandelt oder gar therapiert werden?“

Der „Kampf gegen Drogen“ ist ein zentrales Element der protestantisch-asketischen Alltagskultur, die Mitteleuropa seit dem Mittelalter und vor allem die puritanische USA geprägt haben. Das „Sich-gehen-Lassen“ im Rausch ist das Gegenteil der Arbeit, also verboten. Und Arbeit (oder Sport) machen angeblich „drogenfrei“, wenn man der moraltheologischen Werbung und den Leitsätzen der „Therapien“ glauben will. Das aber ist Unfug.

„Im neuzeitlichen Mitteleuropa ist der Konsum von Drogen nicht, wie im Orient, in das soziale Leben integriert, er wird vom herrschenden Tugendkanon als abschreckendes Beispiel definiert, wie man es nicht machen soll. Selbstkontrolle und -disziplin gelten als unabdingbar für die Stabilität der sozialen Ordnung. Wer sich gehenläßt und dem Rausch frönt, kann seine Arbeitskraft nicht mehr eigenverantwortlich auf dem Arbeitsmarkt verkaufen. Der französische Philosoph Michel Foucault hat die These aufgestellt, die Irrenanstalten – Vorläufer der heutigen psychiatrischen und Nervenkliniken -, die es erst in der modernen Gesellschaft gibt, hätten zur Wiederherstellung der ‚kollektiven Selbstdisziplin‘ gedient. Die Gesellschaft erklärt einige Verhaltensweisen für «normal» und «nützlich», andere für verwerflich und krank. Vor diesen muß man sich schützen, indem man die Betreffenden, die sich uneinsichtig verweigern, wegsperrt“.

„‚Sucht‘ als Phänomen, das sowohl repressive staatliche Maßnahmen nach sich ziehen muß als auch nach therapeutischem Bemühen verlangt, taucht erst dann auf, wenn sich die Süchtigen als soziale Randgruppe und/oder als subversive Subkultur im Bild der Öffentlichkeit etabliert haben. Das hat mit der Realität wenig zu tun, sondern dient den jeweiligen Interessen, das Verhältnis des Bürgers zum Staat zu definieren. Die Vorstellung von ‚Sucht‘ als Krankheit ist untrennbar verbunden mit der Unterdrückung von unerwünschtem Verhalten und von Minderheiten.“

Womit wir bei der Drogenpolitik wären. „Der SS- und Polizeichef Heinrich Himmler schreibt am 5.12.1937: ‚Kein Deutscher hat daher das Recht, die Kraft seines Körpers und Geistes durch Alkoholmißbrauch zu schwächen. Er schädigt damit nicht nur sich, sondern seine Familie und vor allem sein Volk‘.“ [Ersetze „Alkohol“ heute durch „Heroin“ oder „Marihuana“.]

Ceterum censeo: Wer beim Thema Drogen auf Vernunft und Argumente baut, hat verloren und kann auch gleich Perlen vor die Säue werfen. Es geht viel mehr um Vorurteile und Moraltheologie. Und dagegen ist kein Kraut gewachsen.

Die Fotos stammen aus einem Wahlwerbespot der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD), der vom WDR 2005 abgelehnt wurde. Begründung des WDR: „Als offen­sichtlich schwer jugendgefährdende Träger­medien und daher als unzulässige Angebote im Sinne der genann­ten Norm hat die Rechtsprechung insbesondere solche ange­sehen, die die Darstellung sexueller Erniedrigungen auch unter­halb der Pornographie­grenze (vor allem sog. „Sado-Maso“ und „Bondage“-Inhalte), die Verherrlichung des sexuellen Auslebens, wahlloser Partnerwechsel oder sexueller Lust oder die Verherr­lichung oder Anpreisung des Alkohol- und Drogenkonsums sowie von Gewalt beinhalten.“




TV-Kritik: Der Dachdecker

Honecker

Gestern im TV. Der Tatort „Um jeden Preis“ hat mich erst geärgert und dann gelangweilt. Journalisten wie dort beschrieben gibt es nicht. Die Drehbuchautoren scheinen zu oft US-Krimis zu sehen: Der Journalist an sich trägt dort eine Kamera, tritt in nervtötenden Pulks auf, drängt sich um Leichen, die seit einer Minute tot sind, und kennt keine moralischen Hemmmungen. Nur in deutschen Krimis trägt der Journalist zusätzlich einen Presseausweis, weil der Deutsche ohne Ausweis gar nicht zu existieren meint. Das ist doch alles Klischee und ausgemachter Blödsinn.

Wenn Computer oder gar das Internet in’s Spiel kommen, wird es im deutschen TV-Krimi meistens erst recht Comedy. Kein Computer ist dort passwortgesichert: Irgendjemand kann einfach in irgendeine Wohnung gehen und irgendeinen Rechner hochfahren und Dateien kopieren und/oder löschen (oder ganze Festplatten wie in „Um jeden Preis“ – ohne Admin-Zugriff!), wie in den Wunschträumen Schäubles zur real gar nicht existierenden „Online-Durchsuchung“. Das funktioniert so nicht: Ein Journalist, der investigativ rercherchiert, hat seine Arbeitsgeräte abgesichert (nein, Passworte kann man nicht erraten). Falls nicht, ist er kein investigativer Journalist, sondern ein DAU oder Klein-Fritzchen oder bei Akte soundso für’s Internet zuständig.

Ich bin nach einer halben Stunde in meine Stammkneipe. Dort gibt es den Tatort auf einer großen Leinwand und man kann Bier dabei trinken. Ich hatte das Vergnügen, neben einer ausnehmend hübschen jungen Dame mit Wursthaaren zu stehen und mit ihr ein paar Worte zu wechseln. Leider ging sie allein nach Haus, bevor ich mir einen interessanten Spruch überlegen konnte, sie zum Bleiben zu bewegen. Sie hätte vermutlich auch altersmäßig meine Tochter sein können. Also Finger weg, Burks, das geht schief. Aber sie war schon sehr süß.

Wieder zuhause, zappte ich genervt herum und geriet an EinsExtra und an einen sehr interessanten Doku-Film über Erich Honecker und seinen Rücktriitt vor 20 Jahren.

Das Film hat mich fasziniert, vor allem die vielen unbekannten Details. Ich wusste nicht, dass Wolf Biermann ein intimes Verhältnis mit/zu Margot Honecker gehabt hatte, bevor er nicht mehr in die DDR zurück durfte. Die Ausreise und Ausbürgerung Biermanns erscheint für mich in einem ganz neuen Licht. „Was wusste Margot?“ wäre eine wunderbare Schlagzeile, wenn das heute noch jemand interessieren würde. Und wusste Biermann a priori, was mit ihm geschehen würde?

Interessant auch das Statement des Arztes, der Honecker zuletzt operiert hatte: Honecker habe ihm gegenüber zugegeben, dass er von seinem „Job“ intellektuell überfordert gewesen sei. Ja, das sagen auch andere: Honecker war intellektuell ein Dachdecker, nicht mehr oder weniger, ein Handwerker ohne Vision und ohne Charisma, clever bis zur Menschenverachtung, gleichzeitig eine „ehrliche“ Haut, verblendet und politischer Autist, er verkörperte die Diktatur der Mediokren und der Spießbürger – ein deutscher Sozialist eben, wie er im Buche steht. Das war ein guter Film, weil ich mich noch 12 Stunden später an seinen Inhalt erinnere – das ist beim heutigen TV-Programm die Ausnahme und nicht die Regel.

Foto: Erich Honecker (3. von links)




Was ist das?

New York

Das große und superschwere Sonntag-Abend-Rätsel: Was sieht man hier auf dem Foto, das ich 1981 selbst gemacht habe? Und von wo aus habe ich es gemacht?




614.033 Fliegen können nicht irren

Frankfurter Rundschau: „Zunächst die Fakten, Fakten, Fakten. Nachdem die Media-Analyse Focus jüngst bescheinigt hat, 370.000 Leser verloren zu haben, ist seit Donnerstag offiziell, dass die Auflage des Münchner Magazins im dritten Quartal um 174.000 auf nur noch 614.033 Exemplare geschrumpft ist. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr Einbußen von 22 Prozent, mehr als einem Fünftel der Gesamtauflage. (…) Auch die Zahl der Abonnenten ist geschrumpft: um mehr als ein Viertel binnen eines Jahres.“




Kabale und Sarrazin zum vielleicht Letzten

Ich mag die FAZ nicht, aber zum Thema Sarrazin hat sie den besten Artikel von allen geschrieben: „Kabale unter Bundesbankern“. Gut ist der Artikel, weil er die Hintergründe erklärt. „Kabale“ bedeutet Intrige. Das weiß nur jemand, der Goethe, Schiller und das Feuilleton für’s gefühlte Bildungsgroßbürgertum liest.

„Weber hat getan, was er konnte, um öffentlichen Druck gegen Sarrazin aufzubauen, ihn zum Rücktritt zu pressen. Entlassen kann er ihn nämlich nicht. Da spielt man dann über Bande. Das Mittel ist die Skandalisierung, auf die sprungbereite Intoleranz öffentlicher Meinungsbildner ist in solchen Fällen unbedingt Verlass. Sie sind im Allgemeinen für die Meinungsfreiheit, aber im Einzelfall nie um Gründe verlegen, anderen das Maul zu verbieten.“