TV-Kritik: Der Dachdecker

Honecker

Gestern im TV. Der Tatort „Um jeden Preis“ hat mich erst geärgert und dann gelangweilt. Journalisten wie dort beschrieben gibt es nicht. Die Drehbuchautoren scheinen zu oft US-Krimis zu sehen: Der Journalist an sich trägt dort eine Kamera, tritt in nervtötenden Pulks auf, drängt sich um Leichen, die seit einer Minute tot sind, und kennt keine moralischen Hemmmungen. Nur in deutschen Krimis trägt der Journalist zusätzlich einen Presseausweis, weil der Deutsche ohne Ausweis gar nicht zu existieren meint. Das ist doch alles Klischee und ausgemachter Blödsinn.

Wenn Computer oder gar das Internet in’s Spiel kommen, wird es im deutschen TV-Krimi meistens erst recht Comedy. Kein Computer ist dort passwortgesichert: Irgendjemand kann einfach in irgendeine Wohnung gehen und irgendeinen Rechner hochfahren und Dateien kopieren und/oder löschen (oder ganze Festplatten wie in „Um jeden Preis“ – ohne Admin-Zugriff!), wie in den Wunschträumen Schäubles zur real gar nicht existierenden „Online-Durchsuchung“. Das funktioniert so nicht: Ein Journalist, der investigativ rercherchiert, hat seine Arbeitsgeräte abgesichert (nein, Passworte kann man nicht erraten). Falls nicht, ist er kein investigativer Journalist, sondern ein DAU oder Klein-Fritzchen oder bei Akte soundso für’s Internet zuständig.

Ich bin nach einer halben Stunde in meine Stammkneipe. Dort gibt es den Tatort auf einer großen Leinwand und man kann Bier dabei trinken. Ich hatte das Vergnügen, neben einer ausnehmend hübschen jungen Dame mit Wursthaaren zu stehen und mit ihr ein paar Worte zu wechseln. Leider ging sie allein nach Haus, bevor ich mir einen interessanten Spruch überlegen konnte, sie zum Bleiben zu bewegen. Sie hätte vermutlich auch altersmäßig meine Tochter sein können. Also Finger weg, Burks, das geht schief. Aber sie war schon sehr süß.

Wieder zuhause, zappte ich genervt herum und geriet an EinsExtra und an einen sehr interessanten Doku-Film über Erich Honecker und seinen Rücktriitt vor 20 Jahren.

Das Film hat mich fasziniert, vor allem die vielen unbekannten Details. Ich wusste nicht, dass Wolf Biermann ein intimes Verhältnis mit/zu Margot Honecker gehabt hatte, bevor er nicht mehr in die DDR zurück durfte. Die Ausreise und Ausbürgerung Biermanns erscheint für mich in einem ganz neuen Licht. „Was wusste Margot?“ wäre eine wunderbare Schlagzeile, wenn das heute noch jemand interessieren würde. Und wusste Biermann a priori, was mit ihm geschehen würde?

Interessant auch das Statement des Arztes, der Honecker zuletzt operiert hatte: Honecker habe ihm gegenüber zugegeben, dass er von seinem „Job“ intellektuell überfordert gewesen sei. Ja, das sagen auch andere: Honecker war intellektuell ein Dachdecker, nicht mehr oder weniger, ein Handwerker ohne Vision und ohne Charisma, clever bis zur Menschenverachtung, gleichzeitig eine „ehrliche“ Haut, verblendet und politischer Autist, er verkörperte die Diktatur der Mediokren und der Spießbürger – ein deutscher Sozialist eben, wie er im Buche steht. Das war ein guter Film, weil ich mich noch 12 Stunden später an seinen Inhalt erinnere – das ist beim heutigen TV-Programm die Ausnahme und nicht die Regel.

Foto: Erich Honecker (3. von links)

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Kommentare

2 Kommentare zu “TV-Kritik: Der Dachdecker”

  1. Quintil am Oktober 19th, 2009 1:31 pm

    Wie, dein Rechner ist passwortgesichert?

  2. admin am Oktober 19th, 2009 1:36 pm

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