Bitte bei diesem Programm aussteigen

Über Neonazi-„Aussteiger“ habe ich schon oft geschrieben – das Buch „Der V-Mann„, das Buch „Aussteiger„, die Artikel „Der Computer, der Kamerad“ (Tagesspiegel, 22.07.99), „Nicht die rechte Verbindung“ (Tagesspiegel, 25.04.2001), „Unter Aussteigern“ (Junge Welt, 15.05.2002), „Kein politisches Konzept“ (Interview in der taz, 06.06.2002) u.a., ausführlich gebloggt habe ich auch, u.a.: „Falschmeldung der Tagesthemen zu Exit“ (21.09.2008)

„Vater aller „Neonazi-Aussteiger ist übrigens Richard Scheringer. Zahlreiche Ex-Nazis haben Bücher geschrieben oder können bestätigen, dass der Ausstieg aus einem sektenähnlichen Milieu keinesfalls gefährlich ist: Ingo Hasselbach, Danny Thüring, Detlef Nolde, Michael Petri, Gabriel Landgraf, Tanja Privenau, Odfried Hepp, Jan Zobel, Stefan Michael Bar, Stefan Jähnel, Jörg Fischer, Michael Wobbe, Christine Hewicker, Nick W. Greger, Torsten Lemmer und Norbert Weidner.“

Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden bemerkt haben, dass ich gegen die Gepflogenheit, zu Beginn eines Artikels das Thema zu verraten, zunächst den obigen Sermon losgelassen habe, um richtig Luft zu holen für einen Wutausbruch. Jawoll. Besonders wütend werde ich, wenn ein ahnungsloser Politiker sich als heuchlerischer Lichterkettenträger geriert und Steuergelder sinnlos verpulvert.

In diesem Fall ist es der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU), der in Pirna die „Initiative gegen Extremismus und für Zivilcourage “ schirmherrte. (Ja, ich nehme mir heraus, das Verb schirmherren zu erfinden: Ich bin ein extremistischer Sprachpurist und entschuldige mich für neue Worte!) „Gegen Extremismis“ – und nun singen wir alle gemeinsam das Echo: „gegen Links- und Rechtsextremismus“. Alles klar soweit? Puls und Atmung noch normal?

Bei mir nicht: „Neues Aussteigerprogramm für Neonazis“ heißt es gewohnt unkritisch beim MDR: Und der Chor der Medien jubilliert moraltheologisch, als gälte es wieder „Kopf ab zum Gebet gegen KiPo im Internet“: „Für das Programm, das noch in diesem Jahr ausgeschrieben werden soll, stehen laut Ulbig künftig jährlich 260 000 Euro zur Verfügung. Mit professioneller Hilfe sollen die Szeneanhänger laut Ulbig ‚aus dem braunen Sumpf‘ herausgeholt werden. Dazu müssten entsprechende Strukturen, unter anderem mit Sozialarbeitern, aufgebaut und Kontakttelefone eingerichtet werden“. (Sächsische Zeitung). “ Noch suggestiver die Leipziger Volkszeitung: „Sachsen hilft rechtsextremen Aussteigern mit neuem Programm. Sachsen will Aussteiger aus der rechtsextremen Szene besser als bisher unterstützen.“

Besser als bisher?! Habt Ihr das überprüft? Wieviele unabhängige Quellen gibt es für die Tatsache, bisher sei „gut geholfen“ worden? Wodurch unterscheidet sich eine vom Eigeninteresse geleitete Pressemeldung des sächsischen Innenministeriums von einem Artikel in einer Zeitung im Beitrittgebiet? Gar nicht? Quod erat demonstrandum. (Die LVZ gehört der SPD und anderen Wessis, dito die Sächsische Zeitung.)

„Aussteigerprogramme“ sind ein moraltheologisches Placebo und vollig sinnlos. Wenn es keine gäbe, merkte es keiner. Niemand ändert seine rassistischen und antisemitischen Vorurteile, weil es „Aussteigerprogramme“ gibt. Jeder Blinde fühlt mit dem weltanschaulichen Krückstock, dass sich der neue Innenminister Sachsens nur wichtig machen will. Die tun was gegen das Böse. Was, ist egal, danach fragt niemand.

Ceterum censeo: Abwickeln, den Quatsch. Sagt Euer Aussteiger- und „Extremismus“-Experte Burks. (Ja, für Linksextremistisches bin ich auch Experte – das bin ich nämlich selbst!)

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Kommentare

3 Kommentare zu “Bitte bei diesem Programm aussteigen”

  1. H. am August 16th, 2012 9:50 pm

    „Zahlreiche Ex-Nazis […] können bestätigen, dass der Ausstieg aus einem sektenähnlichen Milieu keinesfalls gefährlich ist: Ingo Hasselbach“

    Wurde nicht in Bezug auf den Erstgenannten Hasselbach ein versuchter Sprengstoffanschlag „Ehemaliger Kameraden“ aufgedeckt und lebt er nicht bis heute mit neuer Identität an unbekanntem Ort?

  2. admin am August 17th, 2012 1:02 am

    Nein.

  3. Extremistische Pappnasen : Burks' Blog am September 13th, 2018 10:56 pm

    […] Thema hatten wir hier schon öfter, zu, Beispiel 2009 oder […]

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