Tölchen macht den Larry

Ajax




Gericht: TK-Anbieter muss Vorratsdatenspeicherung nicht umsetzen

Heise.de meldet: „Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einer einstweiligen Verfügung entschieden, dass die Verpflichtung zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten ohne Entschädigung angesichts der hohen Investitionskosten für die Überwachungsmaßnahme unverhältnismäßig ist. Die mit der Klage einer Tochter einer ausländischen Telekommunikationsfirma befasste Kammer vertrat somit die Ansicht, dass die Auflagen für die sechsmonatige Protokollierung der Nutzerspuren in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig sind. Sie befreite die Klägerin daher bis auf Weiteres von der Umsetzungspflicht.“

In der Pressemitteilung des Gerichts, die heise.de leider aus unerfindlichen Gründen nicht verlinkt hat, heißt es: „Die 27. Kammer des VG Berlin hat in einer Entscheidung vom heutigen Tage das Klageverfahren eines Telekommunikationsanbieters ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Kammer sieht einzelne Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar an. (…) Die Kammer, die schon in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren im November vergangenen Jahres der Beklagten untersagt hatte, gegen die Klägerin Maßnahmen wegen mangelnder Umsetzung der beschriebenen Verpflichtung zu ergreifen (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin Nr. 40/2007), hielt diese entschädigungslose Heranziehung der Klägerin zur Übernahme der genuin hoheitlichen Aufgabe der Überwachung von Telekommunikation im Rahmen der Strafverfolgung für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Klägerin auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) bzw. auf Eigentum am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG).“

Nachtrag: Ich habe mich mit dem Link geirrt. Er bezieht sich nicht auf den obigen Sachverhalt. Eine Presseerklärung zum Fall gibt es noch nicht online. Auch Heise.de hat ein Update gemacht.




This way out | Die taz und Second Life

Avatar

Heute, liebe wohlwollende Leserin und lieber geneigter Leser, widmen wir uns dem Journalismus an sich, wie er nicht sein sollte und wie man ihn bei der taz studieren kann. Leider müssen wir, obwohl es für das Stammpublikum zum Erbrechen ist, wieder die berüchtigte 3D-Welt Second Life als pädagogisch wertvolles – in diesem Fall abschreckendes Beispiel nehmen. (Außerdem kann man das Thema so schön bebildern.) Anlass: Der Artikel vom 22.09.: „Pleitewelle in ‚Second Life'“. Der Autor ist Dietmar Kammerer, Kulturwissenschaftler und Filmkritiker, der auch ein kluges Buch geschrieben hat, dessen Klappentext sich interessant anhört.

Avatare

Vermutlich, und damit beginnt meine Nörgelei, besitzt er keinen Avatar und hat auch nicht in Second Life recherchiert. Der Screenshot, der seinen taz-Artikel bebildert, stammt von dpa, was uns lehrt, das niemand in der taz in der Lage war, selbst ein aussagekräftiges Bild beizusteuern. Was wiederum eine gewisse Aussagekraft hat. Und siehe da: Die taz gibt sogar zu, dass es sich beim dem Text um kein Produkt journalistischer Recherche handelt, sondern um bloßes Abschreiben aus der Wrtschaftswoche: „Philip Rosedale – Dem Second-Life-Gründer laufen die Kunden davon“, heißt es da. So kommen ohnehin die meisten Artikel zustande. Ich könnte jetzt versuchen, den taz-Text umzuschreiben und den der FAZ oder einer anderen Zeitung anzudrehen. Aber dazu bin ich zu blöd – ich bin kein Kulturwissenschaftler, sondern nur gelernter Altgermanist und blogge ein bisschen.

Avatar

„In ‚Second Life‘, dem Tummelplatz für Leute, die ihr erstes Leben lieber vor dem Rechner verbringen, hat die Pleitewelle nun Dimensionen angenommen“, schreibt Kammerer. Schön, dass man dämliche Vorurteile nicht nur am Stammtisch hört, sondern sie in einer vormals „alternativen“ Zeitung nachlesen kann. Die taz ist offenbar ein Tummelplatz für technikfeindliche Journalistik-Azubis, die ihre Texte lieber aus der Wirtschaftswoche übernehmen als die Fakten selbst zu überprüfen. Es geht munter so weiter: „Mark Kingdon, Vorsitzender des Second Life-Erfinders Linden Lab, sieht die Schuld für den massenhaften Exodus im Medienhype, der um die Web-Welt entstanden war. Für einen echten Belastungstest sei Second Life noch unausgereift. ‚Ich empfehle Geschäftsleuten, eher abzuwarten‘, vertraute er dem Focus an.“ Dem Focus. Das ist fast aktuell – der betreffende Artikel (die taz weiß nicht, was Links ins Internet sind) stammt vom 09. Juli. Auch Burks‘ Blog berichtete. Der aktuelle Anlass kann das Interview eigentlich nicht sein. Google hat die Recherche offenbar komplett ersetzt.

Second Life

„Von den weltweit 15 Millionen registrierten Nutzern besuchen nur ein Bruchteil regelmäßig die bunte Inselwelt. Die meisten User melden sich kostenlos an, sehen sich in der optisch eher reizarmen Umgebung um, kommen mit der komplizierten Steuerung nicht zurecht und verabschieden sich auf Nimmereinloggen.“ Ach ja. Haben wir das Fakten, gar eine empirische Basis? Mitnichten. Der Autor faselt einfach irgendwelchen Blödsinn, den er sich nach dem Motto „Die Welt als Wille und Vorstellung“ kulturpessimistisch zusammenerfunden hat. Ein Besuch der Website von Second Life reichte aus, um sich sachkundig zu machen, zum Beispiel in der Rubrik economic statistics: 500.000 aktive Nutzer pro Woche, insgesamt 15 Millionen Avatare (nicht Nutzer – man kann auch mehrere Avatare besitzen). Es ist auch falsch, dass nur 50 Avatare gleichzeitig an einem Ort sein können. Hätte der Autor Links zu seinen (nicht vorhandenen) Quellen gesetzt oder setzen müssen, wäre der Quatsch gleich ersichtlich. Das kommt davon, wenn man sich dem „Online-Journalismus“ störrisch und belehrungsresistent wie ein Lehrer verweigert.

Avatar

Ach ja, es gebe Konkurrenz. Die taz schafft es aber nicht, Twinity richtig zu schreiben und vergisst – nur was die Nutzerzahlen angeht – die einzigen ernst zu nehmenden Konkurrenten – Lively und HiPiHi. Was der Autor eigentlich mitteilen will und die Moral von der Geschicht‘ haben sich mir nicht erschlossen. Vielleicht musste man nur das Blatt vollkriegen. Ich empfehle: Schreibt doch beim nächsten Mal einfach aus Burks‘ Blog ab. Auch die hiesigen Screenshots dürfte die taz gratis verwenden – bei ordentlicher Quellenangabe. Dann wäre die taz beim Thema Second Life nicht mehr so optisch und faktisch reizarm.

Screenshots: „Orientation Island“ von Linden Lab in Second Life (1,2), die SIM Cymric (Burks‘ kleines Dampfboot vor der Küste, Mitte, und Burks‘ Strand beim Sonnenaufgang, unten), Hanja Welcome Area, Hangeul, in der Mitte Burks‘ Spinner (2. von unten).




Webcam Unna Alter Markt

Unna

Meine Heimatstadt Unna in Westfalen hat eine Webcam auf dem Alten Markt eingerichtet. Wenn ich wollte, könnte ich jederzeit dort hinblicken, wo ich als Schüler des PGU täglich entlanggelaufen bin. Interessant an der Website ist übrigens die Info, unter welchen juristischen Voraussetzungen man Personen in der Öffentlichkeit abbilden darf, ohne dass die eingewilligt haben.




Tölchen quiere quedarse en la hamaca

Ajax

Tölchen aka Ajax vom Teufelslauch in meiner Hängematte aus Tintorero in Venezuela.




Kraft durch Freude am Mainstream

Avatare

Die „Decken“ enthalten Scripte, die den liegenden Avataren nach einigen Minuten Lindendollar auszahlen, die Second-Life-interne Währung. Die Scripte drehen die Avatare auch in regelmäßigem Rhythmus gleichzeitig um. Die Inhaber des Territoriums generieren damit „Traffic“ – je mehr Avatare sich auf einem Gebiet aufhalten, um so mehr rückt das in der internen Suchmaschine nach vorn.




Die Rückkehr des Staates

Zeit

Ich hätte gern das kommentiert, was Jens Jessen, Chef des Feuilletons der gedruckten Zeit, auf Zeit online über das Finanzkapital und über Stamokap reloaded (auch bekannt als: Karl Marx hatte wieder mal Recht) zu sagen hat. „Was man aus den Zusammenbrüchen an der Wall Street lernen muss“. Vor allem eins: Jetzt kennen sich auch Feuilletonisten schon bei Wirtschaftsthemen aus. Ich warte darauf, dass Sportreporter demnächst über die „Online-Durchsuchung“ berichten. Übrigens lausche ich zu Fragen der Ökonomie am liebsten Georg Schramm. Der recherchiert ordentlich und zieht die richtigen Schlussfolgerungen: Willkommen in der Anstalt!




Falschmeldung der Tagesthemen zu Exit

Tagesschau

Medien, das wissen wir nicht erst seit Hal Faber von heute, betreiben nicht nur Aufklärung, sondern auch Volksverdummung. Wir alle machen Fehler. Ärgerlich wird es nur, wenn diejenigen, die Falschmeldungen verbreiten, diese weder zugeben noch korrigieren. Die Tagesthemen vom 06.09.2008, 23.15 Uhr, sind ein lehrreiches Beispiel dafür, dass bei bestimmten Themen nicht Recherche, sondern unkritische Public Relations und das Motto „Kopf ab zum Gebet“ angesagt ist.

Die Kernsätze des Beitrags über „Aussteigerprogramme“ für Neonazis: „Die Szene“ werde „immer aggressiver“ (der Komparativ ist bei alarmistischer Attitude gesetzt). „Wer aus der aktiven Neonazi-Szene aussteigen will, dem droht meist brutale Rache.“ – „Das geht kaum ohne Hilfe.“

Das ist natürlich eine urbane Legende und kompletter Unfug. Die Autoren Boris Hermel und Martin Polansky haben offenbar nicht recherchiert, sondern blind alles übernommen, was ihnen von Exit Deutschland eingeflüstert worden ist. [Beim RBB wollte man mir den telefonischen Kontakt zu Hermel wegen einer Stellungnahme nicht herstellen.] Wenn jemand, der den Aussteig zum Beruf gemacht hat wie Matthias Adrian, der „Kronzeuge“ bei Exit, von einer „Hetzjagd im Internet“ faselt, dann muss man jedes Wort überprüfen. Die Fakten sprechen gegen Adrian – die vermeintliche Bedrohung existiert nicht, sondern dient nur der Selbstvermarktung.

Vater aller „Neonazi-Aussteiger ist übrigens Richard Scheringer. Zahlreiche Ex-Nazis haben Bücher geschrieben oder können bestätigen, dass der Ausstieg aus einem sektenähnlichen Milieu keinesfalls gefährlich ist: Ingo Hasselbach, Danny Thüring, Detlef Nolde, Michael Petri, Gabriel Landgraf, Tanja Privenau, Odfried Hepp, Jan Zobel, Stefan Michael Bar, Stefan Jähnel, Jörg Fischer, Michael Wobbe, Christine Hewicker, Nick W. Greger, Torsten Lemmer und Norbert Weidner. Wenn es Hermel und Polansky um ernsthaften Journalismus gegangen wäre, hätten sie mehr als eine Quelle befragt. Bei diesem Thema findet man das aber kaum, sondern nur Lichterkettenträgerei und Moraltheologie mit den seit zwei Jahrzehnten sattsam bekannten sinnfreien Textbausteinen.

Die eigentliche Falschmeldung ist aber die These, das Bundesarbeitsministerium habe den Förderantrag von Exit abgelehnt. Offenbar hielt es die Redaktion der „Tagesthemen“ noch nicht einmal für nötig, dort nachzufragen. Ich habe es getan. Der Antrag war noch gar nicht beschieden worden und wies auch, wie bei anderen Antragstellern, formale Mängel auf. Exit hat also schlicht gelogen. Auf meine Nachfrage bei Exit wurde behauptet, die Lage sei „noch unklar“. Am letzten Montag sei ein Gespräch mit dem Ministerium angesetzt. Auch das war frei erfunden – das Bundesarbeitsministerum wusste davon nichts.

Tagesschau

Ich habe die „Tagesthemen“ drei mal per E-Mail zu einer Stellungnahme aufgefordert – eine Antwort bekam ich nicht. Vielleicht ist die E-Mail in einem virtuellen Bermuda-Dreieck verschwunden, vielleicht ist das Thema auch zu unwichtig, als dass man sich damit befassen müsste.
„Lieber Kollege Hinrichs, ich hätte gern eine Stellungnahme der Redaktion der ‚Tagesthemen‘ zur Sendung vom 06.09.2008, 23.15 Uhr „‚Initiative „Exit‘ für Aussteiger aus der Neonazi-Szene vor dem Aus“.
1. Die Autoren Boris Hermel und Martin Polansky behaupten, das Bundearbeitsministerium habe den jüngsten Förderantrag von Exit abgelehnt. Welche Quelle gibt es für diese These? Die zuständige Stelle im Bundesministerium für Arbeit und Soziales sagt auf Anfrage, über den Antrag sei noch gar nicht entschieden worden.
2. Welche unabhängigen Quellen gibt es für die These, Exit habe 290 Rechtsextremen zum Ausstieg verholfen? Wurde diese Behauptung überprüft oder beruht sie ausschließlich auf der Selbstdarstellung von Exit?
3. Welche Belege gibt es für die in der Sendung aufgestellte These, Aussteigern aus dem rechtsextremen Milieu drohe „meist brutale Rache“?
4. Warum wird in der Sendung nicht erwähnt, dass Exit auch vom Bundesfamilienministerium gefördert wird?“

Das Hamburger Abendblatt verriet vor fünf Jahren unfreiwillig, wie die Aussteiger-Zahlen von Exit zustandegekommen sein könnten, wenn überhaupt etwas Wahres dran ist: „170 Ausstiegswillige wurden bis heute von „Exit“ betreut. 35 von ihnen haben den Ausstieg geschafft.“ Aber sicher: Jeder, der dort anruft, ist damit offenbar gleich ein „Aussteiger“ und schönt die Statistik. Was „Ausstieg“ bedeutet, kann ohnehin niemand überprüfen.

Man darf sich als Journalist auch mit der „guten Sache“ nicht gemein machen, also auch nicht lügen, um dem Guten zu helfen. Ich zweifele daran, dass „Aussteigerprogramme“ etwas „Gutes“ sind. Man könnte sie ersatzlos streichen, und niemandem würde das unangenehm auffallen. Sie dienen ohnehin der Politik nur als moralischen Feigenblatt. „Gut“ ist die Berichterstattung über das Thema, weil sie als pädagogisch wertvolles Paradebeispiel für mangelnde Recherche und den desaströsen Zustand des Journalismus in Deutschland dienen kann.




Kehrwoche | Rixdorfer Subbotnik

Müll

Heute haben einige Bürgerinnen und Bürger, darunter auch ich in Begleitung von Tölchen aka Ajax vom Teufelslauch, die Streuobstwiese am Richarplatz von Müll gereinigt. Der Besitzer des größten Teil des Areals, eine Wohnungsbaugesellschaft, kümmert sich nicht darum. Zum Subbotnik war vom Quartiersmanagements Richardplatz Süd aufgerufen worden. Ein gutes halbes Dutzend Erwachsene und rund zehn Kinder waren dem Aufruf gefolgt. Ceterum censeo: Auf die Streuobstwiese gehört keinGarten der Poesie„, sondern ein prosaischer Garten für alle, inklusive Tölchen. Von den direkten Anwohnern ließ sich kaum jemand blicken. Aber die zahlen über die Betriebskostenabrechnung ohnehin für die „Pflege“ des Platzes. Kein Wunder, dass sie nicht freiwillig auch noch dafür arbeiten wollen. Die Kinder hatten zunächst Angst vor Tölchen, das ich frei laufen ließ. Aber das legte sich. Kinder sollten lernen, dass Hunde im Normalfall weder bellen noch beißen. Leider kann man nicht immer erkennen, ob die Hunde bekloppt und schlecht erzogen sind. Aber oft sieht man es sofort an den Besitzern.




Terroristische Feuchtgebiete

Heute eine E-Mail von Amazon:

Wir empfehlen:
Feuchtgebiete von Charlotte Roche, Preis: EUR 14,90
Empfohlen, da Sie folgende Artikel gekauft oder bewertet haben: „Der Baader Meinhof Komplex“

Wie darf ich das jetzt verstehen?




Berlin Wall 2.0

Berlin wallBerlin wallBerlin wallBerlin wallBerlin wall

Liebe wohlwollenden Leserinnen und geneigte Leser! Heute erzähle ich euch eine kleine Geschichte darüber, wie das Mediengeschäft funktioniert. Ich habe einen kleinen Artikel niemandem verkaufen können, was nicht verwundert, denn so interessant ist er nicht. Aber wofür habe ich mein Blog?

Im Avastar las ich: „Nach dem Prinzip ‚Geschichte zum Anfassen‘ bauten Conny Colman und Bacoo Balut historische Stätten, wie die Umgebung entlang der Berliner Mauer, einen Grenzübergang und eine Wohnsiedlung in Marzahn nach.“ Die „Eröffnungsfeierlichkeiten“ seien am 13. August. Man muss wissen, dass der „Avastar“ die BILD-Zeitung für Second Life ist und auch von Springer publiziert wird. Man darf also vermuten, dass mindestens die Hälfte gelogen oder frei erfunden ist. Oder: Als seriöser Journalist darf man sich auf nichts verlassen und muss jedes Wort überprüfen.

Ich habe also meinen Avatar auf den Weg geschickt. In der SL-internen Suche fand ich nichts. Ich musste auf meine Kontakte in Second Life zurückgreifen. Conny Colman (Realname: Jo Fabian) war mein erster Vermieter in Second Life – im Januar 2007. Ich habe ihn gefragt, wo die Sim sei und bekam auch eine Antwort – neben der SIM „Preussen“. Dennoch: Ich kam nicht hinein in die virtuelle DDR. Coleman: „Der Auftraggeber möchte erst eröffnen, wenn auch die Hardware im RL Museum steht und die ist noch nicht soweit“. Der Auftraggeber bestreitet das.

Ich konnte also nur virtuell über die Mauer gucken. Ganz wie im realen Leben: Dort hatte ich Einreiseverbot in die DDR (wegen Linksabweichung von der Ewigen Wahrheit des Kommunismus). Das Gefühl kannte ich: Den Kalten Kriegern in Berlin, die die Parole „geht doch rüber“ brüllten, konnte ich immer entgegnen: Die lassen mich nicht, und ich wollte auch gar nicht.

Die Recherche ergab, dass die virtuelle Mauer ein Projekt des real existierenden DDR-Museums in Berlin ist – „von der Jury für den European Museum of the Year Award 2008 nominiert.“ Die Falschmeldung des Avastar wurde mehrfach übernommen. Der Direktor des Museums, Robert Rückel, schrieb mir auf Anfrage. „Die Sim ist noch nicht eröffnet. Die Informationen des Avatars waren Falschinformationen der Agentur, mit der wir zusammenarbeiten, die eigenmächtig gehandelt hat. An einem traurigen Jubiläum wie dem 13. August, hatten wir niemals vor, die Sim zu eröffnen. Auf der Sim werden eine Plattenbausiedlung nachgebaut und einige Elemente der DDR-Diktatur implementiert. Ziel der Sim ist es, SL-Usern auf spielerische Art und Weise Wissen über die Geschichte zu vermitteln. Dafür ist es natürlich ganz wichtig, dass es überall Informationen zu den Objekten und den Hintergründen gibt – da diese noch fehlen, ist die Sim derzeit noch gesperrt. Ich hoffe, das wir bald dazu die notwendige Zuarbeit der Programmierer bekommen, damit die Sim in Kürze eröffnet werden kann. Näheres erhalten Sie dann pünktlich zur Eröffnung.“

Hätte ich die Story einer Berliner Zeitung verkaufen können, hätte ich nicht viel mehr recherchieren müssen. Aber ich gehe jede Wette ein, dass die Berliner Medien im November, wenn das Gelände wirklich freigeschaltet werden wird, schlicht die unkritischen Pressemeldungen abdrucken. Dazu muss man nicht recherchieren; und dazu muss man einem freien Journalisten, der sich die Mühe macht, eigene Screenshots zu liefern, kein Honorar bezahlen.




Hildegard von Broder

Laut FAZ erhält Henryk M. Broder den Hildegard-von-Bingen-Preis (Die Dame „gilt als erste, aber nicht typische Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters.“). Broder dazu: „In meiner Jugend war ich ein bekennender Atheist. (…) Später wurde ich Agnostiker, aus Gründen der Logik: Wenn man nicht beweisen kann, dass es Gott gibt, kann man auch nicht beweisen, dass es ihn nicht gibt. Und heute, älter und reifer geworden, glaube ich an Gott. Ich bin überzeugt, dass es ihn gibt, mag er nun Christ, Jude, Muslim, Buddhist, Hindu, Zarathustraner, Mann, Frau oder ein Alien sein. Ich glaube nur nicht an den gütigen, gerechten, allmächtigen Gott. Der Gott, an den ich glaube, ist ein Sadist und ein Zyniker, ein Witzbold und ein Chaot.“ Und: „Ich sorge dafür, dass der Messias nicht kommt und der ganz normale irdische Betrieb weitergeht. Ich sorge dafür, dass Juden und Christen weiter ihre Kirchensteuern zahlen, dass die Priester und die Rabbis nicht arbeitslos werden, dass die Bahnhofsmission, die Caritas, das Müttergenesungswerk und die Aktion Mensch weiterarbeiten können. Und jedes Jahr der Hildegard-von-Bingen-Preis verliehen werden kann.“

Sehr schön auch Broders Passagen über Ersatzreligionen wie den Kommunismus und Barack Obamas „Yes, we can“, das erstens tpyisch für die real nicht existierende Linke in den USA ist, die an soziale Gerechtigkeit nur denken könnte, wenn das eine theologische Kategorie wäre und zweitens zeigt, dass ich vermutlich Recht haben werde mit meiner prophetischen Aussage, dass Obama scheitern wird, weil die USA ein zu rassistisches, bigottes und reaktionäres Land sind, als dass ein liberaler Prediger Präsident würde. (Ein viel zu langer Satz, und ich schweife zu sehr ab.)

Das Schönste kommt bei Broder zum Schluss: „Je länger das ‚Dritte Reich‘ tot ist, umso heftiger wird der antifaschistische Widerstand. Bringen Sie etwas Leben in die Erinnerungssülze, stehen Sie auf, und rufen Sie: ‚Und was ist heute mit den Baha’i?‘ Man wird Sie für verrückt halten. Machen Sie es trotzdem. Hildegard von Bingen hätte es auch getan. Verlassen Sie sich nicht auf Gott, Sie wissen doch: Es rettet uns kein höh’res Wesen, / kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. / Uns aus dem Elend zu erlösen / können wir nur selber tun!“




DDR-Test – Was wissen Sie über die DDR?

Ein ganz netter DDR-Test bei Welt online. Ich hatte leider nur 82 Prozent richtige Antworten. „Nach welchem Standard sendete das DDR-Fernsehen in Farbe?“ Boah. Zu schwere Frage.




Neukölln verkauft sich gut

Der Tagesspiegel: „Neukölln liegt im Trend. Nicht nur als der angesagte Ortsteil mit Abenteuerfeeling für urbane Glücksritter. Das Kreuzberg der 2000er Jahre zieht auch Schriftsteller, Komiker und Filmregisseure an, die das Leben im Kiez zum Thema ihrer Bühnenprogramme, Bücher und Kinofilme machen.“ Wieso muss ich eigentlich immer Avantgarde und trendy sein? Das war keine Absicht. Ich schwöre es. Wir sind nur nach Neukölln gezogen, weil es billiger und ruhiger und die neue Wohung schöner war.




Imponiergehabe

Ajax

Tölchen aka Ajax vom Teufelslauch (rechts) und ein Kampfhundbastard vergnügen sich hier.




Die Linke und ihre Abweichler

Einmal stalinistisch, immer stalinistisch. Wer bei der Linken eine andere Meinung hat, wird gemobbt. Es ist wie im DJV. Der Fall Ronald Weckesser zeigt wieder deutlich, dass es bei partei- oder verbandsinternem Streit meistens nicht um die Inhalte, sondern schlicht um Gruppendynamik geht. Jemand wird zum bösen Buben erklärt, weil das den angeschlagenen Laden psychologisch zusammenschweißt. Wer sich den Luxus einer eigenen Meinung jendseit der Parteidisziplin oder -doktrin erlaubt, wird von den Mediokren, die im Normalfall das Sagen haben, instrumentalisiert.

Ich habe mich mit der politischen Meinung Weckessers nicht beschäftigt. Aber das Interview, das er der sächsischen Zeitung gegeben hat, sagt genug: „Wenn, wie in meinem Fall, im Stundentakt vorformulierte Empörungsschreiben aus den Kreisverbänden eintreffen, die dann bündelweise den Fraktionsmitgliedern vorgelegt werden, dann kann ich nur sagen: Die alte Organisation beherrscht man noch perfekt.“ Ja, die typisch scheinheilige deutsche „Empörung“.

Geradezu ekelhaft finde ich die diffamierende Überschrift der Jungen Welt: „Linke will Dresdner Abgeordneten wegen Zustimmung zu Naziantrag ausschließen.“ Das ist gelogen. Mit keinem Wort wird auf das eingegangen, was Weckesser selbst zum Fall sagt. Das Prinzip audiatur et altera pars scheint man bei den „Jungen Welt“ nicht zu kennen. „Darin schrieb der Landtagsabgeordnete bereits am 1. August, daß er die von Andrè Schollbach, Fraktionsvorsitzender der Linken im Dresdner Stadtrat, ‚gepflegte ›Anti-Nazi-Hysterie‘ für bekloppt und unpolitisch‘ halte.“ Der MDR: „Landesvorsitzende Cornelia Ernst wirft dem Finanzexperten vor, er habe mit seiner Zustimmung den ‚antifaschistischen Konsens‘ der Partei aufgekündigt.“ [Über Cornelia Ernst bei Wikipedia: „Nach dem Abitur 1974 und dem Eintritt in die SED machte Cornelia Ernst 1979 den Abschluss als Diplom-Pädagogin. Sie wurde 1983 mit der Arbeit ‚Zur Geschichte des Internationalen Frauentages in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus auf dem Gebiet der DDR (1945/46 – 1961)‘ an der Universität Leipzig promoviert.“ Die Dame weiß, was ein „Konsens“ ist. Harhar.]

Dieser so genannte „antifaschistische Konsens“ ist ein Schmarrn und nur eine Tarnbezeichnung für Parteidisziplin jenseits der Inhalte. Es wird ja wohl erlaubt sein, über den Kampf gegen Rechts unterschieldicher Meinung zu sein, sowohl über die Art und Weise als auch über die Inhalte. Die Linke ist dabei bisher kaum durch argumentative Brillianz oder originelle Ideen aufgefallen, sondern nur durch die sattsam bekannten inhaltsleeren Textbausteine wie „Nazis raus aus dem Internet.“

Es geht also darum, dass Weckesser die dauerempörten Lichterkettenträger offenbar für bekloppt hält. Ich übrigens auch. Aber wenn ich in einer Partei Mitglied wäre, würde man mich vermutlich im monatlichem Rhythmus versuchen auszuschließen wie früher im DJV Berlin.

Andererseits ist auch die Überschrift bei Welt online suggestiv und falsch: Um Weckessers Kritik an Lafontaine geht es überhaupt nicht. Es geht darum, wie eine Partei, die sich offenbar nur demokratisch übertüncht hat, mit interner Kritik umgeht und was die Parteiführung machen kann und macht, wenn ein Ortsverein durchdreht und ein SED-Revival veranstaltet.

Der Weckesser ist mir spontan sympathisch, weil er cool bleibt: „Sollte es zu einem Beschluss über einen Ausschluss kommen, warte ich auf eine schriftliche Begründung und werde davon meine Entscheidung – Klage oder nicht – abhängig machen.“ Genau. Die haben juristisch keine Chance. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Hoffentlich bleibt er hart. Und aus eigener Erfahrung kann ich ihm raten: Drinbleiben! Woanders ist es genauso. „Und im Moment ist es doch so, dass sich alle Parteien auf das Superwahljahr 2009 vorbereiten. Da braucht keiner zusätzliche ‚Prominenz‘ wie mich. Quod erat demonstrandum. Parteien sind für Leute, die gern eine stromlinienförmige Meinung haben, wie etwa die Mehrzahl der Journalisten.




Palins holy E-Mails

e-mail.zip

Auf cryptome.org findet man jetzt die Datei palin-email.zip – der Inhalt einiger Mails sowie Betreffzeilen und die E-Mail-Kontaktliste von Sarah Palin. Auf John Young ist eben Verlass. Die hier abgebildete E-Mail stammt von Amy McCorkell. Weitere Screenshots bei gawker.com.




Funcity

uncity

Ich recherchiere gerade wieder einmal zum Thema „Virtuelle Welten“ und bin auf ein recht archaisches Exemplar gestoßen: funcity existiert schon seit 1997 und erinnert mich an die ehemalige Welt WorldsAway, an der ich 1997 teilgenommen habe. Das „online graphical virtual chat environment“ von funcity hat mit echten 3D-Welten wie Second Life natürlich nichts zu tun. Es ist technisch so primitiv wie das Mailboxsystem CL-Netz im Vergleich zum Internet. Aber es scheint noch immer Leute zu geben, die ohne Avatar chatten wollen und dabei dennoch irgendeine eine zusätzliche zweidimensionale grafische Anregung für ihre Fantasie brauchen. Komische Welt.




Niemand spielt mir mir!

Ajax




Der Baader-Meinhof-Komplex

Zeit online lässt Gerhart Baum über den RAF-Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“ zu Wort kommen: „Wichtige Zeitumstände bleiben leider ausgeblendet – so der zeitweilig von Teilen der öffentlichen Meinung und der Politik aufgeheizte Taumel in Panik und Hysterie. Heinrich Böll sprach 1972 vom »Notstand des öffentlichen Bewusstseins« und zielte damit auf diejenigen, die glaubten, man müsse den Krieg gegen Terroristen ausrufen. Ausgeblendet bleibt auch die Instrumentalisierung des Terrors für politische Zwecke, durch die sich der Rechtsstaat selbst in Gefahr brachte. (…) Unsere Grundrechte werden im Kampf gegen den Terror beschädigt – damals wie heute (…) Wenn wir eines aus dem Umgang mit dem RAF-Terrorismus lernen können, dann ist es dies: Angst darf unser Denken nicht vergiften. Wir müssen uns auch heute dagegen wehren, dass uns Bedrohungen wie der Dschihad-Terrorismus mental beherrschen und zu Sicherheitsmaßnahmen verleiten, die die Freiheit ohne Not beschädigen.“