Schließung der Datenautobahn

Tagesschau

Wei schon mehrfach geschrieben, setzt bei den allermeisten deutschen Medien beim Stichwort „Kinderpornografie“ das rationale Denken komplett aus. Von seriöser Recherche keine Spur. Die Tagesschau leistete sich gestern eine waschechte Falschmeldung. Das interessiert natürlich niemanden.

Familienministerin von der Leyen fordert die Sperrung von „Kinderporno-Websites“. Unter der suggestiven Überschrift „Kinderseelen werden zerfetzt“ sagte sie dem Hamburger Abendblatt: „Es gibt eine riesige Dunkelziffer. Es wird immer mehr über kommerzielle Websites verbreitet. Da werden Millionenbeträge verdient. Pornografische Videos, auf denen Kinder gequält und gefoltert werden, werden allein in Deutschland bis zu 50000-mal im Monat heruntergeladen. (…) Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie. Das BKA erstellt Listen der kinderpornografischen Websites. Jetzt sollen die Zugangsanbieter gesetzlich verpflichtet werden, die Listen zu beachten und solche Websites unverzüglich zu schließen. Der Kunde klickt an und läuft ins Leere – kein Anschluss unter dieser Nummer. Das ist technisch möglich, und es ist rechtlich möglich.“

Ist das wahr? Natürlich nicht. „Dunkelziffern“ riechen bei diesem Thema immer nach Moralthologie und nach einem Vorwand, für den „Kinderpornografie im Internet“ immer herhalten muss. Die Zahl des „Herunterladens“ ist ohnehin frei erfunden: Woher sollten die Ermittler das wissen? Ist die Quelle die kläglich verlaufende „Operation Heiße Luft„? „Kommerzielle Websites“? Und warum belangt man die nicht? Kinderpornografie ist zwar in vielen Ländern unterschiedlich definiert, aber verboten ist sie fast überall. Da es keine anonymen Websites gibt, könnte man immer herausfinden, wer die Angebote hostet – und wenn es die Lockspitzelangebote des FBI sind (dem FBI ist so etwas erlaubt).

Von der Leyen fordert also eine Art Zensur wie schon in Nordrhein-Westfalen praktiziert: Die Regierung gibt den Providern vor, welche IP-Adressen zu sperren sind. Natürlich ist so etwas leicht zu umgehen. Von der Leyen hat also keine Ahnung, wovon sie redet.

Und was macht daraus die Tagesschau? Sie behauptet, von der Leyen habe gesagt: „Die „polizeibekannten Kinderporno-Seiten im deutschen Netz“ sollten geschlossen werden. „Momentan seien das rund 1000.“ Das hat die Ministerin mitnichten gesagt. „Im deutschen Netz“, was auch immer das sein soll (gibt es ein deutsches Internet?), gibt es gar keine Kinderporno-Websites. Die wäre schon seit dem ersten Hype vor zehn Jahren zum Thema geschlossen worden. Die Tagesschau suggeriert also eine Gefahr, die es so nicht gibt. Wie <a href="sagte das BKA schon 1998 ganz richtig und immer noch aktuell: Das WWW stelle nicht das Hauptpotential für Straftaten dar.

Das ist keine Erbsenzählerei – ganz im Gegenteil: Sowohl in der Tagesschau als auch bei von der Leyen geht es um das World Wide Web. Mit Kinderpornografie wird aber nicht dort gehandelt, sondern in anderen Diensten – wie dem IRC oder über Filesharing. Man kommt im WWW nicht einfach so an eindeutig kinderpornografische Angebote. Man sperrt auch nicht eine Bahnlinie, wenn man ein Auto daran hindern will, irgendwohin zu fahren, sondern die dementsprechende Straße. Die Forderung, Websites zu sperren, ist also durchsichtiger und heuchlerischer Populismus.

Die gequälten Kinder werden von der Politik instrumentalisiert, um Zensurmaßnahmen im Internet durchpeitschen zu können. Das ist ekelhaft.