Unfreiwillige Selbstkontrolle

Zur Zeit wird die „Sau“ Presserat wieder durchs Dorf getrieben. Nun hört sich der pieselige Verein feierlich an, ähnlich wie Zentralrat der Muslime oder Zentralrat der Sinti und Roma. Der „Presserat kontrolliert künftig auch Online-Journalismus“, heißt es bei Heise. Soso. Macht er das? Und was soll uns das sagen? „Unter die Lupe nehmen“, wie die Frankfurter Rundschau und die Tagesschau die Tätigkeit des zahlosen Tigers Presserat sybillinisch nennen, weil ihnen kein anderer Textbaustein einfiel für das genauer Hinsehen als genau, hört sich an wie das ebenso sinnfreie „das Verfassungsschutz beobachtet“.

Das dazu passende Verbum, das einen Gefühlszustand des Vereins suggeriert, bringt Deutschlandradio: „Der Deutsche Presserat zeigt sich besorgt.“ Ja, das Böse nimmt zu, allüberall und schon seit dem Neolithikum. Der Tagesspiegel erwähnt noch etwas Urdeutsches, ohne dass ein Journalist hierzulande noch nicht einmal aus Klo geht: „Gremium wird auch fürs Internet zuständig“. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen, wenn die Zuständigkeit eines deutschen Vereins für das digitale Universum definiert worden ist. Am deutschen Presseratswesen soll das Internet genesen.

Jetzt aber im Ernst. Der Presserat ist ein „Tarnfirma“ von vier Verbänden, wie in seiner Selbstdarstellung klar zu sehen ist: Dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ, dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverlager (BDZV, dem DJV und „ver.di Fachbeerich Medien (dju)“. Der Presserat ist eine Lobby-Organisation von denjenigen Verbänden, die bis noch vor kurzem das Monopol eines real gar nicht existierenden Presseausweises für sich beanspruchten, bis sie von deutschen Gerichten eines Besseren belehrt wurden. Er sei ein Organ der „freiwilligen Selbstkontrolle“, als gäbe es auch eine „unfreiwillige Selbstkontrolle“. Wessen? Derer, die das mitmachen. Für die, die sich nicht freiwillig kontrollieren wollen, sind die Verlautbarungen des Presserats etwas, womit man den Hobbyraum im Keller tapeziert.

Wenn andere Journalistenverbände auch einen Presserat gründen wären, könnte sie niemand daran hintern. Ich würde den neuen Verein aber Pressezentralrat nennen. Das hörte sich noch toller an. Tun könnte der außer dem obligatorischen Mahnen und Warnen gar nichts. Konventionalstrafen für die Missetäter hätte er auch nicht. Lichterkettenträger aller Medien, vereinigt Euch!

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