Die Cyber-Legenden von SPIEGEL Online

China-Hacker

Die hiesigen wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser sind daran gewöhnt, dass ich über mangelnde Recherche in deutschen Medien herumnöle. Eines der so genannten „Leitmedien“ – Spiegel Online – ärgert mich besonders oft mit offenkundiger Schlamperei. Heute lesen wir einen „Bericht“ über angebliche das etwa angestaubte Thema „Chinesische Hacker dringen ins Netz des Weißen Hauses ein“. Diese Sau wurde schon öfter durchs digitale Dorf getrieben – und meistens war die Financial Times die Urheberin – mit immer den gleichen Textbausteinen.

Am 03.09.2007 hieß es dort: „The Chinese military hacked into a Pentagon computer network in June in the most successful cyber attack on the US defence department, say American ­officials.“ Die damalige Meldung wurde gewohnt unkritisch von deutschen Medien übernommen, ohne die Fakten auch nur ein Mal nachgeprüft zu haben. [Ich habe mich auf spiggel.de am 04.09 und am 26.08.2007 darüber lustig gemacht.] Derartige „Berichte“ scheinen immer nach demselben Muster gestrickt: Irgendein Informant aus irgendeinem Geheimdienst steckt irgendeinem Journalisten irgendeine Info, und der publiziert das alles, ohne die Fakten zu recherchieren. Das kommt einem beim dritten Mal dann bekannt vor. Aber irgendetwas von der „China-Hacker-Gefahr“ bleibt hängen.

Im aktuellen Fall hat Spigel Online gewohnt das journalistische Handwerkszeug zuhause gelassen. Erstens ist alles aus der Financial Times übernommen, ohne die Quelle zu verlinken. Dämlicher geht’s nimmer. „Die Zeitung zitiert einen ungenannten hohen US-Beamten“. Ach ja? Und wie viele unanhängige Quellen haben wir zweitens nun für diese These? Noch nicht einmal eine halbe. Dass es „chinesische Hacker“ seien, wird von den üblichen Verdächtigen mit klaren Motiven nur vermutet: „US government cyber experts suspect the attacks were sponsored by the Chinese government, although they cannot say for definite.“ Man weiß also gar nichts. „Auch im US-Wahlkampf soll es Hacker-Angriffe auf die Computersysteme der Wahlkämpfer gegeben haben.“ Soll. Sind wir hier in einer Gerüchteküche oder soll das Journalismus sein? Oder ist Spiegel Online eine PR-Agentur der US-Geheimdienste? Burks suspects that’s bullshit.

„Im Jahr 2007 waren auch in Deutschland Angriffe auf Regierungsrechner verzeichnet worden“. Und das ist ebenso eine Legende aka Lügenmärchen, obwohl es im Indikativ publiziert wird. Dieser „Bericht“ ist so ähnlich „seriös“ wie der groben Unfug, den Spiegel Online zu dem vorgeblichen „Riesige Kinderporno-Skandal“ veröffentlicht hat, obwohl die „Operation Himmel“ sich damals als „Operation Heiße Luft“ entpuppt hat.

Im Herbst nächsten Jahres werden wir den nächsten Artikel von Spiegel Online zum Thema erwarten können: „Chinesische Hacker dringen ins Netz des Weißen Hauses ein. Im November 2008 waren in den USA schon einmal Angriffe auf Regierungsrechner verzeichnet worden.“