Lasst die Banken in Ruhe!

Auch ein linksextremistischer Zyniker wird sich die Frage stellen lassen müssen: Wo soll das alles enden? Meine Meinung sollte insofern bekannt sein, als dass ich die gegenwärtige Finanzkrise für ein Feature und nicht für einen Fehler des Systems halte. Der Sinn und Zweck des Kapitalismus ist es, denen da Unten möglichst viel wegzunehmen und den Wenigen da oben aka herrschende Klasse zu geben. Ich bin äußerst dankbar für das hier schon erwähnte Zitat von James Madison, der Zweck des Staates sei es, „die wohlhabende Minderheit vor der Mehrheit zu schützen“.

Zusätzlich muss dieser Zweck durch affirmative Begriffe vernebelt werden. Man sollte nicht „Kapitalismus“ sagen, weil dann die Leute auf die Idee kommen könnten, die falschen Bücher zu lesen, was sie nur unnötig irritierte und womöglich sittlich gefährdete, sondern Worte wie „soziale Marktwirtschaft“, „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ oder „Wohlstand für alle“. Der Kapitalist an sich hat in den Medien als Wohltäter der Menschheit geschildert zu werden, der nur das Gute will und leider manchmal, wenn er moralisch verkommen ist wie das Finanzkapital, das Böse schafft.

In diesem Sinn äußert sich auch die FAZ, das gefühlte Zentralorgan des Großkapitals, das die Diskussion im Hegelschen Sinn als eine Gefecht von Ideen diskutiert. In der Philosophie nennt man das Idealismus – sozusagen politische Astrologie oder „Große Männer und ihre Ideen machen die Geschichte“. Die FAZ titelt: „Wie die Finanzkrise das Denken ändert“. Wessen Denken, wird nicht verraten, sondern ein weltanschaulich systemkonformes Denken beim gemeinen Volk vorausgesetzt. Die dem Kapitalismus immanenten Features und Gesetze wir zum Beispiel der „Tendenzielle Fall der Profitrate“ werden moraltheologisch erklärt – mit „Gier“, also einer Charaktereigenschaft, für die dann Theologen und Psychologen zuständig sind und nicht mehr die Politik.

Sehr hübsch der Satz: „Gesellschaften wurden zivilisiert, um genau das zu verhindern, was nun möglich scheint: dass sie durch rücksichtsloses Handeln Einzelner zerstört werden.“ Ins Deutsche übersetzt heißt das: Der Kapitalismus ist Zivilisation (da muss man erst einmal drauf kommen), und wer das Volk merken lässt, dass es in Wahrheit ganz anders ist, ist „rücksichtlos“, weil er die Leute auf dumme Gedanken bringt. Die Krise als Feature muss als Werk Einzelner dargestellt werden, die vermutlich eine schlechte Kindheit hatten und nur, weil sie mit einem Silberlöffel im Maul geboren wurden, nicht pöhser Neonazi geworden sind, sondern pöhser Finanzkapitalist und/oder Heuschrecke.

Ich lache auch bei diesem Satz der FAz schallend: „Wer meint, dass die aktuelle Vernichtung der Grundvertrauens in die Rationalität ökonomischen Handelns ohne Folgen bleibt, wird sich spätestens bei den nächsten Wahlen getäuscht sehen.“ Welches „Vertrauen“ meinen die nur? Mein Vertrauen in die Rationalität ökonomischen Handelns im Kapitalismus ist übrigens weiterhin ungetrübt. Natürlich handelt das Kapital rational. Deswegen gibt es ja Wirtschaftskrisen und andere Konsequenzen. Karl Marx schrieb am 7. November 1856 ironisch über die damalige Finanzkrise in Frankreich: „Man kann sich nichts Geistreicheres vorstellen als die Art, in der die bonapartistischen Blätter von Paris sich bemühen, dieses ständige Absinken der Kurse an der Börse zu erklären.“ Die Medien publizierten eben damals genau so einen Unfug über die Ökonomie wie heute.

Was also tun? Leider fordert die Linke dummes Zeug und ist einer der Fälle, bei denen Karl Marx seine selbst ernannten Fans vermutlich – wie so oft – nur mit beißendem Hohn oder Spott überschüttet hätte. Der „finanzgetriebenen Kapitalismus“, dien die Linke beklagt, gibt es so gar nicht – er ist ein Feature, kein Bug, um mich zu wiederholen. Der merkwürdige Begriff suggeriert, dass es auch einen anderen Kapitalismus gebe, wobei wir beim antisemitisch konnotierten Begriffspaar „raffendes“ und „schaffendes Kapital“ wären, für das sich diejenige Linke, die ideologisch offenbar noch in der DDR verharrt und sich deshalb weigert, Karl Marx im Original zu lesen, noch nie zu schade war.

Nein, die Idee, man müsse jetzt die Banken verstaatlichen, ist keine „linke“ Parole. Zum einen deshalb, weil die Kapitalisten bei jedem Finanzcrash das schon selbst fordern. Sie gehen sie zu Recht davon aus, dass der Staat und die Steuergelder der Massen dazu da sind, ihre ökonomischen Fehler auszubügeln und ihr privates Risiko zu minimieren. Zum anderen, weil verstaatliche Banken selbstredend nicht anders handeln als private. Angestellte oder Beamte kann auch nicht haftbar machen kann für die Schäden einer Finanzkrise, weil sie das Recht haben, ungestraft genauso doof und unfähig zu sein wie Banker – auch ohne deren Gehalt. Staatsbanken lösen kein Problem, sie verschleiern es nur noch mehr.

Warum ist das so? Geld ist eine Ware wie alles andere auch im Kapitalismus. Somit unterliegt auch das Geld den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage. Wer in diesen Markt künstlich eingreift, richtet nur Chaos an und erreicht nicht das, was er wünscht. Staatliche Finanzspritzen in die Banken sind nichts anderes als ein künstlich erzeugtes Angebot der Ware Geld. Letztlich erzeugt das Inflation – wenn die Krise andauert und auf die Produktion schlägt. Wenn im schlimmsten Fall der Staatsbankrott wegen fehlender Einnahmen droht, kann man zwar neues Geld drucken, man heizt aber damit die Inflation gewaltig an – für das Geld gäbe es keinen realen Gegenwert. Weimar lässt grüßen.

Die FAZ bringt es auf den Punkt: „Wie konnte zugelassen werden, was gerade geschieht? Will man die Antwort darauf nicht einer linken Demagogie überlassen, muss man über die Spaltung unserer Gesellschaft in diejenigen reden, die Konsequenzen erleiden, und diejenigen, die von ihnen verschont werden oder gar profitieren.“ Gern geschehen.

image_pdfimage_print

Kommentare

5 Kommentare zu “Lasst die Banken in Ruhe!”

  1. Fluxkompensator am Oktober 11th, 2008 1:02 pm

    Ah, endlich wieder Artikel im alten Stil von http://www.burks.de/forum/phpBB2/viewforum.php?f=25 . Deswegen bin ich hier. Ich würde die alten Artikel mal nach WordPress konvertieren. Wenn Du die MySQL Tabellen isolierst, dann wäre es vielleicht eine Tagesarbeit. Vielleicht gibt es sogar ein Tool um die Post als xml Datei aus dem Forum heraus zu holen. Danach müsstest Du nur noch das HTML bereinigen.

  2. hfi am Oktober 11th, 2008 3:28 pm

    naja, burks

    a) Geld ist eine Ware, ja…aber Aktien? Aktien sind Tulpenzwiebeln, sind Glaubeliebehoffnung. Das Marx-Zitat über den Versuch, Geld außerhalb der Sphäre der Produktion zu vermehren, brachtest Du ja selber.

    b) in der sprachlichen Form raffendes/schaffendes: Einverstanden. Klar hat das antisemitische (oder auch nationalistische) Konnotationen: Das böse, raffende Juden(Wall Street)Kapital versus edelgermanisch-rheinisch schaffendem Kapital. Das hat aber nichts damit zu tun – siehe a) -, sich um die Besonderheiten von Schneeballsysztemen zu bekümmern. Aus „Kritik am Finanzkapital“ folgt nicht automatisch „Antisemitismus“, wie ein kurzer Blick in jedes gute Logik-Lehrbuch zeigt. (sog. Fehlschluß der Konsequenzbejahung)

    Übrigens sind die neuesten Zahlen raus: Zunahme der Insolvenzen, Stagnation schon VOR dem offenkundigen Zusammenbruch an den Börsen letzten Monat. Ist also wie 1929, als die Produktion auch schon vorher einbrach… Die Prognosen für 2009 werden jetzt bekanntlich fast täglich weiter runter gefahren.

    Ich bin ünbrigens tatsächlich der Meinung – da derzeit keine Alternative verfügbar ist -, dass man den Scheiss-Laden zähneknirschend flotthalten muss. Ich gehöre nämlich nicht zu den Freunden der Verelendungstheorie…

  3. admin am Oktober 11th, 2008 5:26 pm

    Zu Aktien vgl. http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_f/fiktives_k.html: „die Aktie ist nichts als ein Eigentumstitel … auf den durch jenes zu realisierenden Mehrwert.“

  4. hfi am Oktober 11th, 2008 5:47 pm

    ja. Glaubeliebehoffnung. Das Geld für die Couponschneider muss natürlich auch erarbeitet werden. Soweit, so banal.

    Schwierig wirds, wenn Aktien – oder schlechte Kredite (die auch nur Glaubeliebehoffnung sind: Die Hoffnung, der Kreditnehmer werde doch irgendwie zurückzahlen können oder die realisierte Sicherheit werde sich verkloppen lassen) – in den Bilanzen als Aktiva auftauchen…und dann auf einmal wegbrechen.

  5. hfi am Oktober 11th, 2008 6:07 pm

    Übrigens: Köhler, will, dass sich die Bänker entschuldigen.

    Ist das nicht köstlich?

    Übrigens macht mich diese krise wirklich krank. Nicht deswegen, weil jetzt ein Studienrektor 40.000 Tacken in den sand gesetzt hat. das gönn ich ihm von bösem linken herzen. Sondern deswegen, weil, wenn das schlimmstmögliche Szenario eintrifft – nämlich: 1929 -, es wortwörtlich Millionen treffen wird – während das gutbürgerliche deutsche Gesindel darüber plärrt, dass ihm lehmann-Zertifikate angedreht wurden.

Schreibe einen Kommentar