Luther und die deutsche Revolution

Der Lutheraner Paul Tillich paraphrasiert in seiner Geschichte des christlichen Denkens den „positivistischen Autoritarismus“ Luthers:

„Die Macht des Staatees, die es uns überhaupt erst ermöglicht, hier zu sein oder har Taten der Nächstenliebe zu tun, ist ein Werk der Liebe Gottes. Der Staat hat die Aufgabe, die Aggression der Übelwollenden, alle derer, die gegen die Liebe sind, zu unterdrücken. Das befremdliche Werk der Liebe ist es, zu zerstören, was gegen die Liebe ist. Es ist zutreffend, dies ein befremdliches Werk zu nennen, gleichwohl ist es ein Werk der Liebe. Die Liebe hörte ganz und gar auf, eine Macht auf Erden zu sein, wenn sie nicht zerstörte, was gegen die Liebe ist. Dies ist der tiefste Einblick in die Beziehung zwischen Staat und Liebe, den ich kenne. Die gesamte positivistische Staatsdoktrin macht es, vom theologischen Standpunkt betrachtet, dem Luthertum unmöglich, Revolution zu akzeptieren. Revolution mündet in Chaos. Auch wenn sie versucht, Ordnung zu schaffen, schafft sie doch zuerst Chaos, und die Unordnung nimmt zu. Mithin war Luther eindeutig gegen Revolution. Er glaubte an das absolute Geschenk des Schicksals.“

Auch das Zugeständnis, daß die lutherische Kirche sich bereitwillig dem Nationalsozialismus unterworfen habe, ändert nichts an Tillichs Ton liebevoller Verwunderung, wenn er insistierend feststellt:

„Luther hat dem revolutionären Willen des deutschen Volks das Rückgrat gebrochen. Er gibt keinen revolutionären Willen im Deutschen Volk; das ist alles, was wir sagen können, mehr nicht.“

Mit großem Vergnügen gelesen in John Updikes lesenswerten Buch „Selbst-Bewusstsein – Erinnerungen“ (1995).

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