Internet-Zensur in China, revisited

Wie hier schon ausgeführt, halte ich die Diskussion über die Internet-Zensur in China für heuchlerisch. Die Tagesschau hat jetzt nachgelegt: „Der frühere Grünen-Politiker und ehemalige NRW-Sportminister Vesper hatte am Sonntag im Weltspiegel gesagt, dass in allen Ländern der Welt Webseiten blockiert würden. ‚Bei uns sind es rechtsradikale Seiten, die gesperrt werden. Und es ist natürlich auch in China so, dass einzelne Seiten gesperrt werden.'“

Man diskutiert nicht über den Inhalt des Gesagten, wie hierzulande üblich, wenn es um Moraltheologie geht, sondern darüber, ob dieser oder jener dieses oder jenes hat sagen und vergleichen dürfen. Natürlich kann die Zesnur des Internet in China und in Deutschland nicht vergleichen werden, weil das sinnfrei wäre und ungefähr so aussagekräftig wie der Satz „In Brasilien und in Deutschland wachsen viele Bäume“. Dennoch sollte man vergleichen, zumal die unstrittige Tatsache, dass auch in Deutschland das Internet zensiert wird, endlich einmal in den Medien auftaucht. Zur Erinnerung: In Nordrhein-Westfalen werden vermutlich bis zu 6000 Websites gesperrt.

Tagesschau.de käut leider ohne jegliche Recherche die üblichen Lügen wieder: „In Deutschland werden rechtsextreme Internet-Seiten des Weiteren nicht gesperrt, solange keine strafrechtlich relevanten Inhalte verbreitet werden. So betreibt beispielsweise die rechtsextreme NPD nach Angaben von Jugendschutz.net mehr als 200 Seiten.“ Daran ist so ziemlich jedes Wort einfach falsch. „In Deutschland“ nicht, sondern in Nordrhein-Westfalen. Bei (in Deutschland) strafrechtlich relevanten Inhalten werden in andern Bundesländern keine Websites – nur deutsche – gesperrt (wer sollte das im Ausland tun?). Die NPD betreibt keine 200 Seiten. Man merkt, wo sich tagesschau.de informiert hat – bei einer abhängigen Quelle, die sich selbst für Zensur stark macht, und nicht bei mindestens zwei unabhängigen. Das ist kein seriöser Journalismus, sondern PR für die Jugendschutzwarte und damit ein Schmarrn.

„Der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert, nannte die Äußerung merkwürdig. Vespers Vergleich verbiete sich, sagte er laut „Kölner Stadt-Anzeiger„. ‚Wir sprechen hier doch nicht über Internetseiten mit strafrechtlich relevanten Inhalten. Wir sprechen über Amnesty International.'“ Der Vergleich ist mitnichten absurd, sondern nur blöd. Die Regierung Chinas hält eben etwas Anderes für „strafrechtlich relevant“ als die deutsche. Das kann man sehr wohl vergleichen. Vesper hat also Recht. Mit der Zensur ist es wie mit der Schwangerschaft: Ein bisschen geht nicht. Richtig ist daher der Satz: „In China und in Deutschland und in Saudi-Arabien werden jeweils tausende Websites zensiert“. Wir befinden uns in passender und „guter“ Gesellschaft.