Assad und andere Geschichten

Richardplatz

Allmählich gewöhne ich mich an den Kiez Richardplatz-Süd. Man muss nur genau hinsehen und hören und erfährt ein interessantes Detail und Anekdote nach dem anderen. An der Ecke ist eine Kneipe mit einem altdeutsch aussehenden Logo. Das Vereinslokal ist der Treffpunkt von Bikern aus dem Libanon (ich wusste gar nicht, dass Araber Motorrad fahren), allesamt Sunniten, die den syrischen Staatspräsidenten nicht ausstehen können. Deshalb heißt die massige rotbraune französische Bulldogge, die immer auf der Schwelle liegt, Assad. Assad ist erst elf Monate alt, aber doppelt so groß und schwer wie unser Tölchen aka Ajax vom Teufelslauch, das dafür um so flinker ist und mit der etwa tapsigen Bulldogge aufs Lustigste herumkabbelt.

Auf der Straße vor einer winzigen Kneipe sitzen bei schönen Wetter ein Dutzend polnischer Proletarier, die irgendwo bei uns im Hinterhaus wohnen, Bier trinken und sich manchmal von einem ehemaligen türkischen Gymnasiallehrer die Stellenanzeigen aus der BZ übersetzen lassen. Die Polen fielen uns beim Umzug auf, weil eine ältere Frau die jungen Männer herumkommandierte und die anwies, uns beim Schleppen schwerer Dinge zu helfen. Als ich ihnen dafür Geld anbot, wiesen sie das entrüstet zurück. Das sei „typisch deutsch“; bei ihnen liefe das unter Nachbarschaftshilfe. Wir waren letztlich froh, denn einer der Polen tauchte mit der Arbeitsplatte aus Granit für unseren Küchenschrank unter dem Arm allein im zweiten Stock auf, während wir die Platte noch nicht einmal zu zweit hochgewuchtet bekommen hatten. Zwei anderen lästerten über unsere Sackkarre und trugen die Waschmaschine händisch nach oben. Es lebe die deutsch-polnische Freundschaft oder so ähnlich.

Im Hinterhaus wohnt auch eine junge attraktive Blondine mit Kampfhund, die von den Polen des Prostituiertentums bezichtigt wird, aber vermutlich nicht zu Recht, weil ich schon mit ihrer Mutter gesprochen habe, die auch dort wohnt und die sich als Russin entpuppte, was für die Polen ausreicht, um die ganze Familie doof zu finden. Unter uns wohnt übrigens jemand, der eine Art Jugoslawisch spricht und der mir auch sofort seine Hilfe anbot. Der Hausmeister ist Türke und sieht auch aus wie ein Klischee aus „Von Bagdad nach Stambul“; auch der Kneipenbesitzer im Vorderhaus ist Türke. Die Türken sagen, die Motorrad fahrenden Araber seien seriös und handelten nicht mit Drogen; aber die Türken aus unserer Straße, die schwere dunkle Geländewagen führen, seien alle im Rotlichtgewerbe tätig. Vermutlich ist es unter den Türken wie zwischen Bayern und Preußen und kein Wort davon ist wahr.

Dann gäbe es noch Albaner, sagen die Türken; die sind mir aber noch nicht über den Weg gelaufen, obwohl ich die „Pizzeria“ Amore um die Ecke wegen ihres Publikums des Balkanismus verdächtige. Eine Straße weiter ist noch ein Laden, der einen Palästinenser-Verein beherbergt, in der Nähe des „Böhmischen Gottesackers„, über dessen Mauer auf der anderen Seite die rote Lampe eines Billig-Puffs leuchtet.

Ich find’s witzig hier. Demnächst mehr mit Fotos unter der neuen Blog-Kategorie „Rixdorf“.

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Kommentare

One Kommentar zu “Assad und andere Geschichten”

  1. Serdar Günes am Juli 7th, 2008 12:06 am

    Kling echt cool! Nachdem ich das gelesen habe, muss ich dich unbedingt irgendwann besuchen.

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