Nur leichte Verwüstungen

Spiegel online heute: „Der Wirbelsturm Nargis war am Samstag mit 190 Kilometern pro Stunde über das südostasiatische Land hinweggerast und hatte schwerste Verwüstungen angerichtet.“ Das erinnert mich wieder an meinen Sprachgott Wolf Schneider, der mir mit „Deutsch für Profis“ das Schreiben beigebracht hat. „Schwere Verwüstungen“ gibt es nicht, weil „Verwüstungen“ suggeriert, etwas Blühendes und Fruchtbares (zum Beispiel das Beitrittsgebiet) werde zu einer Wüste gemacht. Das ung ist auch verkehrt. Der Wirbelsturm Dingsbums war am Samstag mit 190 Kilometern pro Stunde über das südostasiatische Land gerast und hatte das Land verwüstet.“ Das Verb „hinwegrasen“ kenne ich auch nicht. Nun gut, der Einwand ist nur für Kaltduscher und sprachliche Spartaner…

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Michael Shrieve revisited

Musik-Tipp of the day: Der beste Schlagzeuger aller Zeiten – Michael Shrieves Performance in Kyoto 1973.

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Alice, Harald, Ludwig und die Huren

grils

Alice Schwarzer hat den Ludwig-Börne-Preis erhalten. Harald Schmidt hielt die Laudatio: „Warum ich in den Feminismus eingetreten bin“.

Wenn alle – sich gegenseitig lobend – übereinander herfallen, ist Misstrauen angesagt. Es ist natürllich völlig wurscht, wer welchen Preis kriegt. Börne leitete in seinen Schriften „die Notwendigkeit einer Revolution in Deutschland ab“. Schwarzer macht das nicht, sondern unterstützt Angela Merkel, die BILD-Zeitung und die viktorianische Prüderie. Schwarzer sei eine „schlicht denkende Übermutter“, schreibt die gewohnt streitbare Katharina Rutschky in der Berliner Zeitung.

Die meisten Medien nehmen die Agenturmeldungen. Dort steht dann wortgleich am Schluss: „Vor der Zeremonie hatte ein Frankfurter Hurenverein gegen die Vergabe des mit 20.000 Euro dotierten Preises an Schwarzer protestiert. Mit ihrer Kritik am seit 2002 geltenden Prostituiertengesetz habe sich Schwarzer von einer ‚Rebellin‘ zu einer ‚Demagogin‘ gewandelt“.

Da deutsche „Online“-Medien keine Links setzen, weil sie entweder zu faul sind oder sich vor dem Internet fürchten, musste ich mir die Website des Vereins selbst suchen. Das war nicht einfach. Hier der Link zu den Sexworker News. Der Verein heisst Doña Carmen e.V., und hier ist der Aufruf zur „Kundgebung gegen rechtskonservativen Polizeifeminismus und primitiv rassistische Prostituierten-Hatz“.

Da ich heute ganz friedlich gestimmt bin, illustriere ich dieses kleine Posting nur mit virtuellen Sexarbeiterinnen. Ich könnte auch anders, um etwas zu Schwarzers völlig reaktionärer, also unrevolutionärer Haltung zum Thema Pornografie zu sagen.

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Die Online-Durchsuchung, revisited

Ankündigung des dpunkt-Verlages: „‚Die Online-Durchsuchung‘ ist das erste Sachbuch, das sich dem umstrittenen Thema widmet. Die Autoren zeichnen kritisch die widersprüchliche Berichterstattung in den Medien nach, beschreiben die Technik und deren Grenzen, heimlich in fremde Rechner einzudringen und fassen die weit verstreute, schwer zugängliche und oft einem Laien nicht verständliche juristische Fachliteratur zur „Online-Durchsuchung“ zusammen. Die aktuelle Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts wird berücksichtigt. Das Buch richtet sich nicht nur an Juristen, IT-Fachleute und Journalisten. Es ist so geschrieben, dass es für ein breites Publikum eine interessante Lektüre bietet. Die Autoren beantworten auch ausführlich eine Frage, die viele interessiert: Kann man sich vor einer Online-Durchsuchung schützen?“
Erscheint voraussichtlich Juli 2008, ca. 180 Seiten, Broschur, ISBN-13 978-3-936931-53-2, ca. 16 Euro (D) / 16,5 Euro (A) / 28 sFr

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Do You Speak English?

grils

In einem so genannten „Free Sex Room“ in Second Life…

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Dangriga | Belize | Garifuna

Im Reiseteil der taz steht heute etwas über die Garifuna in Dangriga/Belize. Darüber habe ich im Januar 2007 gebloggt – samt Fotos.

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Hungert sie aus!

Die FAZ über Literaturförderung: „Warum aber erlebt die Literatur unter diesen paradiesischen Umständen keine ungekannte Blüte? Warum im Gegenteil diese Verschnarchtheit? Warum so viel Historisches und Unentschiedenes, so viel Impressionismus und Selbstbeschau? Weil ein Hindernis jeden Zug ins Große verhindert: die Subventionsmaschinerie selbst. Zutraulich geworden durch regelmäßige Fütterung, scheint der Literatur sogar das Bewusstsein dafür abhandengekommen zu sein, dass ihre innere Natur nicht die des Haustiers ist, sondern die der Bestie.“

Das beschreibt übrigens auch den Unterschied zwischen festen (mit öffentlich-rechtlichem Tunnelblick) und freien JournalistInnen. SCNR.

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GPF proudly presents

TOR

Die Server gpfTOR1 und gpfTOR3 sind unter den ersten 20 weltweit, gpfTOR2 hoppelt ein wenig hinterher….

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Bitte Spielen!

Ajax

Tölchen aka Ajax vom Teufelslauch möchte bespielt werden, kann aber bekanntlich nicht sprechen und legt deshalb den Kopf zwischen Herrchens Beine, Herrchen hingegen möchte arbeiten. Da muss man irgendeinen Kompromiss finden…

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Die Lehre aus den Krawallen in Hamburg

Ein Artikel von mir auf Telepolis: „Rechte und Linke haben sich gegenseitig verhauen und mit der Staatsmacht geprügelt. Zu erwarten ist daher ein medialer Diskurs mit den sattsam bekannten Textbausteinen über ‚gewaltbereite Chaoten‘ sowie Schuldzuweisungen an Justiz, Polizei und Politik. Das aber können nicht die Lehren des 1. Mai in Hamburg sein.“

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Kauft nicht bei Kopelke

Dieser Artikel von mir erschien am 03.05.2008 in der taz [Kommentare] unter der Überschrift „Blümchenshorts des Bösen“. Das ursprüngliche Manuskript wurde verschlimmbessert und ein wenig „entschärft“, daher hier das Original. Die taz setzt selbstredend auch keine Links.

Die Marke Thor Steinar ist eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte. Seit einem halben Jahrzehnt verkauft die Firma MediaTex Axel Kopelkes aus Königs Wusterhausen Textilien für die Dame, den Herrn und auch für Kinder. Die Symbole auf der Kleidung sind jedoch vielen Menschen ein Dorn im Auge. Sie sehen wie germanische Runen aus. Da muss man doch was tun?

Diese Zeichen – etwa die Tiwaz- oder die Gebo-Rune – bedeuten an sich nichts, sie sind genauso „nordisch“ oder „völkisch“ wie blondes Haar oder blaue Augen. Es könnte aber sein, befürchten die runenkundigen Gegner der Marke, dass Neonazis dabei etwas Neonazistisches denken und, trügen sie diese Textilien, sich gegenseitig als Neonazis erkennten. Das wäre wiederum nicht gut. Keinen Fußbreit den Faschisten undsoweiter. Man muss also mahnen, warnen, sich empören, entlarven und mindestens Lichterketten werfen gegen die Läden im Beitrittsgebiet, die das einschlägige Sortiment führen.

Es geht die Mär, dass durch Symbole rechtes Gedankengut in die Köpfe transportiert werden könnte. Im Land, das den protestantischen Bildersturm erfunden hat, ist ein Kampf um Symbole in der Regel in der Regel hoch emotionalisiert und regt die Leute mehr auf als politische Inhalte. Wer aber glaubt, dass Runen auf Hemden, Pullis und Jacken wie die von Thor Steinar politisch „wirken“, huldigt primitiver Magie und könnte genausogut an Gespenster glauben oder in eine katholische Messe gehen. Symbole unter Strafe zu stellen ist also eine Art Regenzauber wie der Internet-Disclaimer oder das Weihwasser.

Völkerkundler wissen das: Ein beliebiges Zeichen beeinflusst erst dann die Gruppendynamik, wenn die Mitglieder sich a priori und oft unbewusst darauf verständigt haben, beim Anblick der Symbole etwas zu empfinden. Ein Baby sieht bei einem Hakenkreuz schwarze Striche, ein Inder ein Symbol für Glück, und der Deutsche, gehört er zu den sittlich Gefestigten, gruselt sich, wie es sich moralisch gehört.

Zur Erinnerung, weil nicht immer stimmt, was in der Zeitung steht: Die Marke Thor Steinar war nie verboten. Das Tragen der Kleidung ist nie rechtskräftig zum Strafttatbestand erklärt worden. Keines der vom Label benutzen Symbole ist verfassungsfeindlich. Über 200 Strafverfahren wegen Thor Steinar wurden eingestellt. Der Verfassungsschutz hat nie behauptet, dass Rechtsextremisten der Firma angehörten. So what?

Für Werbefachleute wäre Thor Steinar ein Leckerbissen: Alles, was man einer Marke wünscht und was bei einer Marketingkampange viel Geld kostet, wurde dem Label durch seine Gegner gratis und frei Haus geliefert: Mediale Aufmerksamkeit durch ständige Proteste, Schärfung des Profils durch popkulturelles Geraune: „Rechter Schick“, „Kultmarke“ „Designermarke“, ein eigener Eintrag bei Wikipedia mit detaillierter Produktbeschreibung: „martialisch“, „Streetwear“, Neugier bei der potenziellen jugendlichen Kundschaft: „ein ehemaliger Mitarbeiter hat schon einmal ein Rechtsrock-Konzert besucht“, juristischer Persilschein, ein Gütesiegel durch die Dauerskandalbehörde Verfassungsschutz, Thor Steinar sei „identitätsstiftend“, als wichtigtes Merkmal für Attraktivität bei Underdogs: Im Bundestag und sogar im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist es verboten die Kleidung diesen Labels verboten zu tragen. Ein Sweatshirt aus Königswusterhausen ist offenbar gefährlicher als ein Taschenmesser – das würde einem im Parlament nicht abgenommen.

Was will man mehr: Wer trotz der öffentlichen Hysterie um Thor Steiner und der saftigen Preise die Textilien erwirbt, besitzt Kleidung, die es garantiert nie von der Stange und im Kaufhaus geben wird, sondern, wie auch die klassischen Labels der Skinheads – Fred Perry, Ben Sherman, Lonsdale oder Everlast -, den Träger zu einem Mitglied einer Gruppe von Eingeweihten macht, die sich untereinander erkennen. Sie fühlen sich behaglich wie Besitzer einer seltenen Automarke, die sich auf der Straße mit ihren Gefährten zufällig begegnen und sich flüchtig grüßen, obwohl sie sich nicht kennen. Thor Steinar – da weiß man, was man hat. Genau das beflügelt den Verkauf.

Schaut man sich das Thor-Steiner Angebot im Katalog an, ist erstaunlich, wie fantasielos die Produktpalette ist: Das „Top Turboelfe“ für „Mädels“ hört sich an wie ein Accessoire für Opel-Manta-Fahrer, „Shorts Sigrid“ klingt wie ein Regal einer schwedischen Möbelfirma, die wetterfeste Kleidung für Jungs besteht im wesentlichen aus aufgebrezelten Bomberjacken, die Feinstrickpullis erscheinen wie eine Mischung aus Matrose gewollt, aber nicht gekonnt und einem Outfit für Hooligans im Seniorenheim. Ganz mulitkulti kommen die Blümchenshorts (für Männer!) „Samoa“ und „Sansibar“ einher. Modebewusste Rechtsextremisten mit prallem Geldbeutel tragen offenbar kein Feinripp mehr. Das lässt immerhin hoffen für die doitsche Leitkultur. Dann gibt es noch die Farbauswahl schwarz, weiß und rot. Ein Schelm, wer überhaupt was dabei denkt.

Zugeben: Diejenigen, die sich an den Kampagnen gegen Thor Steinar beteiligen, meinen es gut. Das ist aber keine Ausrede: Die Zeugen Jehovas meinen es auch gut. In Wahrheit schlummert hinter der Attitude, eine clevere und politisch zynische Geschäftsidee mit Mitteln des Strafrechts oder gar mit Gewalt bekämpfen zu wollen, der typisch deutsche Obrigkeitsstaat, den auch die Linken und Lichterkettenträger allzugern immer wieder herbeiwünschen: Der Staat muss doch gegen das Böse, hier: Thor Steinar, hart durchgreifen?! Melde gehorsamst: Nazi-Kleidung und gefährliche ultrabraune Symbole entdeckt! Bitte Verbot durchführen!

Es dürfte sich auch bei der Räuber-und-Gendarm-Antifa herumgesprochen haben, dass mittlerweile eindeutig zweideutige Mimikri auch zum Reportoire der ganz braunen Kameraden gehört. Ein Rassist und Antisemit kann, wenn es hip sein soll, auch ein Che-Guevara-T-Shirt tragen, und ein Pali-Tuch sowieso. Es gibt keine subkulturelles Zeichen mehr, die politische Ideen eindeutig beschreiben. Das ist auch gut so: Wer Symbole umdeutet, sie flexibel einsetzt, schwächt ihre stringente Bedeutung im kulturellen Kontext. Was die Böhsen Onkelz für die Musik, ist Thor Steinar für Klamotten: Kompatibel für den rechten Rand, für den „White Trash“, für die Verlierer mit Trotzhaltung und für die nur gefühlt bösen Jungs, die am liebsten ihr Wohnzimmer mit deutscher Eiche ausstaffierten.

Wie sehen die Kunden von Thor Steinar sich selbst? Darauf gibt eine Umfrage auf der Website Auskunft: „Mit überwältigender Mehrheit stuften sich die Käufer der Marke als politisch uninteressiert oder in der Mitte der Gesellschaft befindlich ein.“ Was zu beweisen war: Wer Thor Steinar trägt, ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit für rechtspopulistische Parolen empfänglich und steht politisch genau dort, wo Rassismus und Antisemitismus ihre stärksten Wurzeln haben – mittendrin in Deutschland.

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Soul Sacrifice: Michael Shrieve

Musik-Tipp of the day: Michael Shrieves Schlagzeug-Performance mit Santana – Soul Sacrifice (Woodstock 1969).

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Schultheiss

Schultheiss

Credits und Copyright: Alex Friedrich.

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Infiltration von Meinung

Wie schon mehrfach an anderer Stelle, halte ich Netzwerk Recherche, wie andere Journalisten-Vereine auch, für eine Organisation primär zur Selbstbeweihräucherung der jeweiligen Vorstände. In diesem Fall trifft das ganz besonders zu (ich bin übrigens dort Mitglied). Die Tatsache als solche überrascht nicht, viel mehr jedoch, dass JournalistInnen offenbar in Deutschland völlig unfähig sind, innerhalb von Verbänden Selbstkritik zu üben. Wer einmal ein Amt hat, verliert damit automatisch die Eigenschaft des berechtigten Widerspruchs gegen heiße Luft und eitles Gespreize.

Aktuell schreibt Michael Hanfeld in der FAZ über „Quoten, Klicks & Kohle“ von Thomas Leif: „Denn nach einem solch peinlichen Stück der Selbstbeweihräucherung und einem solchen Ausmaß manipulativer Techniken muss man lange suchen.“

Wetten, dass bei Netzwerk Recherche niemand offen ein deutliches Wort der Kritik über den großen Vorsitzenden Leif und seine journalistische Arbeit verliert? Dazu sind die alle viel zu feige. Ich setze eine Kiste Bier!

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Quick Scan

Auf security-check.ch kann man Browser und System auf Sicherheitslücken online testen lassen. Empfehlenswert!

Auch schön: Wie Personal Firewalls ausgetrickst werden können, c’t-Browsercheck, CERT Tech tips und vor allem die Hardcore-Version von Lutz.

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John the Ripper

Passwortknacker: „John the Ripper is a fast password cracker, currently available for many flavors of Unix (11 are officially supported, not counting different architectures), Windows, DOS, BeOS, and OpenVMS. Its primary purpose is to detect weak Unix passwords.“

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Böhmische Dörfer

space station

Seit gestern bin ich Bürger von Berlin-Neukölln, genauer: Rixdorfer. Das kömmt mir wie ein Böhmisches Dorf vor…

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Space Station

space station

Meine „Raumstation“ in Second Life, aktueller Stand: Rechts unten ist der Steampunk Dreamliner angedockt. In der MItte ist die Rakete (vgl. „Nachtflug„) zu erkennen, die auf 4000 „Meter“ Höhe eine weitere, kleine Station installiert. Auf dem obersten Niveau findet der interessierte Avatar den Konferenzraum und die Bar, auf dem mittleren den Borg-Inkubator und die Kommandozentrale, unten die Privaträume und das Atelier. Die diversen Fluggeräte verteilen sich auf die Landebahnen. Einige habe ich jetzt unten im Space Center – gegenüber meinem virtuellen Büro in Chokki – ausgestellt.

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Offener Brief Susanne Härpfers an die Journaille

Liebe Kollegen,

normalerweise schreiben wir über andere. Die Selbstdarstellung überlassen wir Showgrößen in Talkshows. Eine Ausnahme sei gestattet, wenn wir Bücher vorstellen. Ansonsten sind Journalisten nur noch in Spielfilmen die Helden. Um so mehr bin ich gerührt, dass es offenbar in der Welt der blogs noch die Solidarität gibt, wie sie in den Hollywoodstreifen idealisiert wird: Politiker will kritische Berichterstattung verhindern – doch weltweit wird die Information verbreitet. Die Schweigespirale, sie greift nicht. Nicht alle Journalisten lassen sich mundtot machen. Klingt pathetisch? Vielleicht. Aber um nichts weniger geht es hier. Um die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Um die Einflussnahme auf redaktionelle Unabhängigkeit. Und um den Glücksfall, dass dieser Fall öffentlich wird. Denn wie oft mögen Politiker und Beamte einschlägiger Behörden mit festangestellten Redakteuren sprechen und freie Kollegen diffamieren, Desinformationen streuen und Gerüchte in die Welt setzen mit dem Ergebnis, dass diese keine Aufträge mehr bekommen; jedoch nicht die wahren Hintergründe bzw. Hintermänner erfahren. Denn wer von uns macht schon stets und ohne Ansehen der Person einen breiten Rücken und pocht auf die Beleglage, wenn ihm erzählt wird, „hast Du schon gehört, der soundso hat doch xxx“.

Um so mehr möchte ich mich auf diesem Weg bei dem mir nicht persönlich bekannten Kollegen von Radio Eins des RBB bedanken für das herrliche Interview mit Herrn Edathy. Das dazu passende ideo auf youtube hat mich zum Lachen gebracht. Dank auch an Fefe – die Einladung des Chaos Computer Clubs nehme ich hiermit gerne an.

Danke an Rechtsanwalt Riethmüller für seine kenntnisreiche Schilderung der Hintergründe auf seiner Seite des R-Archivs. Viele Journalisten bedienen sich gerne seiner Information, doch oops, vergessen allzu häufig, die Quelle zu nennen. Daher an dieser Stelle: danke. Vor allem aber natürlich ein großes Dankeschön an Burkhard Schröder, der als erster den Fall aufgriff, aufwändig recherchierte und Stellungnahmen in einem Umfang einholte, als sei dies bereits der Auftakt für die Staatsaffäre. Ich betone dies so, damit nicht der Eindruck entsteht, ich würde mich nicht in blogs äußern.

Ich habe lange nicht auf die falschen Tatsachenbehauptungen des Herrn Edathy und die unzutreffenden Darstellungen von Zeit/online reagiert. Ich wollte nicht in einen Kleinkrieg um Nebensätze hineingezogen werden, der den Hauptvorfall vergessen mache würde. Vor allem aber: ich habe leider nicht die Zeit, die Herr Edathy und sein Mitarbeiterstab offenbar zu haben scheint. Ich bin eine freie Journalistin, die obendrein noch investigativ arbeitet, (…) und das angesichts von Honoraren von € 120 bis € 180, wie sie selbst große Verlage für online-Texte zahlen. (…)

Oder wie anders ist es zu bezeichnen, wenn für mehrere Tage Arbeit, Beschaffen Nicht-öffentlicher Papiere ein Honorar gezahlt wird, dessen Stundensatz dem einer Putzfrau entspricht? Dazu bei Gelegenheit mehr. Nur, wenn ich dies jetzt schreibe, heißt dies, dieser Tag fehlt mir, um bei Redaktionen nachzuhaken, was aus meinen Vorschlägen geworden ist, die Zeit fehlt, um bestehende Aufträge abzuarbeiten, oder den Anforderungen der staatlichen Bürokratie zu genügen, oder um neue Themen zu finden, (…) wir bezahlen diejenigen am schlechtesten, die angeblich die wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft wahrnehmen. Trotz all der beschworenen angeblichen Terrorgefahr verdienen ausgerechnet die Wachleute nur € 5 die Stunde, und die Wächter der Demokratie, die investigativen Journalisten, verdienen noch weniger, zumindest, wenn sie frei sind.

Wolfgang Michal wies darauf hin, dass ich für den Henri Nannen Preis nominiert war, weil ich bereits 2003 über das berichtet habe, was u.a. durch meine Berichterstattung später zum Visa-Skandal wurde. Deshalb vermutete ich auch einen späten Racheakt des Herrn Edathy wegen meiner Recherche in Sachen Visa. Doch dann erhielt ich das Schreiben des Herrn Edathy, und mir schien möglich, dass er den Visaskandal längst verdrängt hatte, meinen Namen noch nicht einmal gegoogelt hatte. (…)

Ich habe als freie Journalistin das Thema Postdatenübermittlung entdeckt, recherchiert und u.a. Zeit online angeboten, die anbissen, es veröffentlichten und angesichts der „Klick-Furore“, die mein erster Artikel zum Thema machte, mir den Auftrag gaben, das Thema weiterzuverfolgen. Ich musste also davon ausgehen, dass dies auch nach der nicht-öffentlichen Innenausschußsitzung der Fall sein würde; in diesem Kontext habe ich mit Herrn Edathy gesprochen. Würde ich den kompletten Verlauf seiner Antworten im Telefonat veröffentlichen, er sähe noch weitaus uninformierter und unvorteilhafter aus, als im Heise-Artikel.

Zusammenfassend lässt sich sagen: meine Berichterstattung Anfang dieses Jahres für und bei Zeit online zum Thema Postdatenübermittlung hat wohl verhindert, dass die USA sich mit dem Vorstoß, künftig auch alle Briefdaten elektronisch zu erfassen und vorab an die Strafverfolgsbehörden der USA zu übermitteln, in einem Gremientreffen vorbei an jeglicher (parlamentarischer) Öffentlichkeit durchgesetzt hätte; wie dieses zuvor 2002 geschehen ist, als einfach ohne die (parlamentarische) Öffentlichkeit zu informieren, der US Trade Act in Deutschland in Bezug auf Express-Sendungen umgesetzt wurde.

(…) Immerhin ist u.a. bis heute die Frage ungeklärt, wer von der rot-grünen Regierung damals die klammheimliche Umsetzung des US Trade Acts auf Express-Sendungen billigend in Kauf nahm. Und das Treffen des Weltpostvereins u.a. zu diesem Thema steht im Sommer dieses Jahres an. Auf das sich nicht dasselbe wiederholen möge, was mit den biometrischen Sicherheitsmerkmalen geschah. Über die habe ich nämlich 1989 erstmals geschrieben – für den Spiegel – damals war ich noch Studentin, und erhielt 1200 Deutsche Mark für den Artikel. Doch niemand griff das Thema auf, und so kam es, dass zwei deutsche Beamte zur Tagung der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO nach Kanada flogen, und für die Einführung der Pässe mit biometrischen Daten votierten. Ein Beschluß der ICAO muß umgesetzt werden. Man hätte es vorher wissen können, statt hinterher Technikfolgeabschätzung zu betreiben. Man hätte es verhindern können. Wenn man denn nur gewollt hätte.

Von ähnlichen Erfahrungen berichteten mir diejenigen, die sich auf europäischer Ebene mit Datenschutzfragen beschäftigen. Es habe sehr, sehr lange gedauert, bis man Journalisten für das Thema Fluggastdaten habe interessieren können, und als es so weit war, war die Maßnahme längst beschlossen. Für frühzeitige Berichterstattung müsste man lesen, sehr viel lesen. Das aber kostet Zeit. Die müsste bezahlt werden. Der Aufwand müsste anerkannt und wertgeschätzt werden. Heute aber wird nicht derjenige belohnt, der diesen Aufwand betreibt. Im Gegenteil. Wer für eine solche Recherche rund eine Woche benötigt, erhält die gleichen € 180, wie jemand, der binnen einer Stunde über Sex in Budapest schreibt. Wer recherchiert, wird doppelt bestraft. Denn heute gilt in Redaktionen oft derjenige als „king“, der ein sogenanntes Telefonbuch hat, also jemanden anruft, der ihm erzählt, was er zu denken und zu schreiben hat. Beleglage, Gesetzestexte, Dienstanweisungen, Texte selber aufzufinden, lesen und recherchieren, das ist zur Ausnahme geworden, und wird eher misstrauisch bis ungläubig beäugt, ja sogar unterschwellig wird vermittelt, wer lange braucht, sei nicht gut genug. Manchmal werden auch Stellungnahmen verlangt für Sachverhalte, die Reporter auch selbst recherchieren können. Doch dies wird immer weniger gewollt, „Experten“ müssen das formulieren, was auch durch Nachdenken Journalisten selbst schlussfolgern könnten. Aber auch dies wird nicht bezahlt. (…)

Die 4. Gewalt ist pleite.
Aber wie gesagt, dies ist eine weiteres Thema. Wie wollen wir Menschen dafür gewinnen, Missstände in Unternehmen und Behörden offenzulegen, wenn wir dies in Wahrheit gar nicht wertschätzen? Wenn wir selbst nicht den Mumm haben, für redaktionelle Unabhängigkeit einzustehen? Den Einflussnahmen von Unternehmen oder Politikern
entgegenzutreten. Ein breites Kreuz zu haben. Für einander einzustehen, statt Gerüchten zu glauben. Einfach einmal „nein“ zu sagen. (…)

[Von mir leicht gekürzt. Burks]

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