Blutrache | Schlicht, schlichter, am Schlichtesten

Ein aufmerksamer Leser dieses kleinen Blogs wies mich auf einen Artikel der Berliner Morgenpost hin, der ein „Problem“ in Berlin-Neukölln behandelt: „Familienfehden und Blutrache: Hassan Allouche schlichtet“.

„Für den Migrationsbeauftragten des Bezirks Neukölln, Arnold Mengelkoch, sind Friedensrichter Teil des Problems. ‚Diese Tradition aus arabischen Ländern läuft vorbei an unserer Polizei, unserem Jugendamt und unserer Justiz.‘ Gerade ausländische Familien mit niedrigem Bildungsgrad hätten wenig Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat. In ihren Heimatländern hätten sie die Polizei oft als korrupt erlebt und als ihren Feind wahrgenommen. Zudem kennen sich laut Mengelkoch viele Migranten nicht mit dem hiesigen Rechtssystem aus. Allouche begleitet sie auch bei Behördengängen.“

Ist doch super. Woher sollen Einwanderer aus arabischen Ländern denn wissen, dass die deutsche Polizei nicht korrupt ist? Außerdem empfiehlt das Quartiersmanagement am Rchardplatz Berlin-Neukölln „Schlichter“. Die Kiezzeitung Richard schreib in ihrer Ausgabe Mai/2008: „Konflikt-Sprechstunde: Im Kiezcafé bieten die Kiezmediatoren einmal monatlich eine Sprechstunde an. Die Gruppe ‚Schlichter Richard‘ will helfen, Konflikte zwischen Nachbarn im Kiez friedlich zu lösen. jeden 1. Dienstag im Monat: 16-17 Uhr(…) Koordinatorin Marion Moustache-Borchers: Tel. 0157-74210513, schlichter-richard@gmx.de.“

[Natürlich kann ich mir den absolut blöden Witz nicht verkneifen: Wer so heißt, kann bestimmt gut schlichten.]

Vielleicht sollte sich Hassan Allouche [Youtube] „Mediator“ nennen, damit das ZDF nicht so herumblödelt. Übrigens halte ich die schusssichtere Weste für eine bloße Attitude und die Geschichte mit der „Blutrache“ für frei erfunden. Aber das ZDF hat sie nicht recherchiert, sondern erzählt sie unkritisch nach. Für mich ist das ein Märchen eines orientalischen Geschichtenerzählers, dem das ZDF und andere Medien auf den Leim gegangen sind.

Zu den Traditionen des Rechts im Orient und zur Blutrache, die eindeutig vor-islamisch ist, gibt es wissenschaftliche Aufsätze online. Aber das überfordert deutsche Medien natürlich. Zum Beispiel „Konflikte und Konfliktregelung in Gesellschaften des Nahen Ostens“: „Darüber hinaus ist jedoch bei der Ausgestaltung der Sanktionen das Spektrum an Elementen von Vergeltung, Mediation und Strafe genauso variabel wie im Strafrecht der westlichen Industriegesellschaften“. Oder der „Untersuchungsbericht Staatenlose Kurden aus dem Libanon“, der konstatiert, dass viele Menschen aus de Türkei in den Libanon geflüchtet sind, weil sie dort – im Libanon! – vor der Blutrache sicher sind, in der Türkei aber nicht. Aber ich wohne ja sehr bald selbst in Neukölln und kann dort vor Ort recherchieren.

Interessant übrigens die Statistik melderechtlich regististrierte Ausländer in Neukölln (2006). Ein knappes Viertel aller Neuköllner hat keinen deutschen Pass. Ich sag’s noch einmal: Wir haben zwar nicht genug Einwanderer, aber zu viele Ausländer. Bei den Rassisten und Völkischen flackert jetzt die trübe Birne im Gehirn, falls überhaupt vorhanden, kurz auf und verlischt dann mit enem leisen „Plopp“, weil sie dieser Satz intellektuell überfordert – wie ein kräftiger Fußtritt einen Flipper.

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Kommentare

One Kommentar zu “Blutrache | Schlicht, schlichter, am Schlichtesten”

  1. MH am Mai 14th, 2008 7:43 pm

    Warum sollte man auch die vielen „ausländische[n] Familien mit niedrigem Bildungsgrad“ Einbürgern?? Der Wirtschaft nützen die nichts. Dann ist doch der status ausländer sinnvoll, wenn sie (in welcher form auch immer) „stören“ werden sie ausgewiesen. Und als ausländer können sie immerhin noch zur bereicherung der Kultur usw. hochgehalten werden. :)

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