Kauft nicht bei Kopelke

Dieser Artikel von mir erschien am 03.05.2008 in der taz [Kommentare] unter der Überschrift „Blümchenshorts des Bösen“. Das ursprüngliche Manuskript wurde verschlimmbessert und ein wenig „entschärft“, daher hier das Original. Die taz setzt selbstredend auch keine Links.

Die Marke Thor Steinar ist eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte. Seit einem halben Jahrzehnt verkauft die Firma MediaTex Axel Kopelkes aus Königs Wusterhausen Textilien für die Dame, den Herrn und auch für Kinder. Die Symbole auf der Kleidung sind jedoch vielen Menschen ein Dorn im Auge. Sie sehen wie germanische Runen aus. Da muss man doch was tun?

Diese Zeichen – etwa die Tiwaz- oder die Gebo-Rune – bedeuten an sich nichts, sie sind genauso „nordisch“ oder „völkisch“ wie blondes Haar oder blaue Augen. Es könnte aber sein, befürchten die runenkundigen Gegner der Marke, dass Neonazis dabei etwas Neonazistisches denken und, trügen sie diese Textilien, sich gegenseitig als Neonazis erkennten. Das wäre wiederum nicht gut. Keinen Fußbreit den Faschisten undsoweiter. Man muss also mahnen, warnen, sich empören, entlarven und mindestens Lichterketten werfen gegen die Läden im Beitrittsgebiet, die das einschlägige Sortiment führen.

Es geht die Mär, dass durch Symbole rechtes Gedankengut in die Köpfe transportiert werden könnte. Im Land, das den protestantischen Bildersturm erfunden hat, ist ein Kampf um Symbole in der Regel in der Regel hoch emotionalisiert und regt die Leute mehr auf als politische Inhalte. Wer aber glaubt, dass Runen auf Hemden, Pullis und Jacken wie die von Thor Steinar politisch „wirken“, huldigt primitiver Magie und könnte genausogut an Gespenster glauben oder in eine katholische Messe gehen. Symbole unter Strafe zu stellen ist also eine Art Regenzauber wie der Internet-Disclaimer oder das Weihwasser.

Völkerkundler wissen das: Ein beliebiges Zeichen beeinflusst erst dann die Gruppendynamik, wenn die Mitglieder sich a priori und oft unbewusst darauf verständigt haben, beim Anblick der Symbole etwas zu empfinden. Ein Baby sieht bei einem Hakenkreuz schwarze Striche, ein Inder ein Symbol für Glück, und der Deutsche, gehört er zu den sittlich Gefestigten, gruselt sich, wie es sich moralisch gehört.

Zur Erinnerung, weil nicht immer stimmt, was in der Zeitung steht: Die Marke Thor Steinar war nie verboten. Das Tragen der Kleidung ist nie rechtskräftig zum Strafttatbestand erklärt worden. Keines der vom Label benutzen Symbole ist verfassungsfeindlich. Über 200 Strafverfahren wegen Thor Steinar wurden eingestellt. Der Verfassungsschutz hat nie behauptet, dass Rechtsextremisten der Firma angehörten. So what?

Für Werbefachleute wäre Thor Steinar ein Leckerbissen: Alles, was man einer Marke wünscht und was bei einer Marketingkampange viel Geld kostet, wurde dem Label durch seine Gegner gratis und frei Haus geliefert: Mediale Aufmerksamkeit durch ständige Proteste, Schärfung des Profils durch popkulturelles Geraune: „Rechter Schick“, „Kultmarke“ „Designermarke“, ein eigener Eintrag bei Wikipedia mit detaillierter Produktbeschreibung: „martialisch“, „Streetwear“, Neugier bei der potenziellen jugendlichen Kundschaft: „ein ehemaliger Mitarbeiter hat schon einmal ein Rechtsrock-Konzert besucht“, juristischer Persilschein, ein Gütesiegel durch die Dauerskandalbehörde Verfassungsschutz, Thor Steinar sei „identitätsstiftend“, als wichtigtes Merkmal für Attraktivität bei Underdogs: Im Bundestag und sogar im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist es verboten die Kleidung diesen Labels verboten zu tragen. Ein Sweatshirt aus Königswusterhausen ist offenbar gefährlicher als ein Taschenmesser – das würde einem im Parlament nicht abgenommen.

Was will man mehr: Wer trotz der öffentlichen Hysterie um Thor Steiner und der saftigen Preise die Textilien erwirbt, besitzt Kleidung, die es garantiert nie von der Stange und im Kaufhaus geben wird, sondern, wie auch die klassischen Labels der Skinheads – Fred Perry, Ben Sherman, Lonsdale oder Everlast -, den Träger zu einem Mitglied einer Gruppe von Eingeweihten macht, die sich untereinander erkennen. Sie fühlen sich behaglich wie Besitzer einer seltenen Automarke, die sich auf der Straße mit ihren Gefährten zufällig begegnen und sich flüchtig grüßen, obwohl sie sich nicht kennen. Thor Steinar – da weiß man, was man hat. Genau das beflügelt den Verkauf.

Schaut man sich das Thor-Steiner Angebot im Katalog an, ist erstaunlich, wie fantasielos die Produktpalette ist: Das „Top Turboelfe“ für „Mädels“ hört sich an wie ein Accessoire für Opel-Manta-Fahrer, „Shorts Sigrid“ klingt wie ein Regal einer schwedischen Möbelfirma, die wetterfeste Kleidung für Jungs besteht im wesentlichen aus aufgebrezelten Bomberjacken, die Feinstrickpullis erscheinen wie eine Mischung aus Matrose gewollt, aber nicht gekonnt und einem Outfit für Hooligans im Seniorenheim. Ganz mulitkulti kommen die Blümchenshorts (für Männer!) „Samoa“ und „Sansibar“ einher. Modebewusste Rechtsextremisten mit prallem Geldbeutel tragen offenbar kein Feinripp mehr. Das lässt immerhin hoffen für die doitsche Leitkultur. Dann gibt es noch die Farbauswahl schwarz, weiß und rot. Ein Schelm, wer überhaupt was dabei denkt.

Zugeben: Diejenigen, die sich an den Kampagnen gegen Thor Steinar beteiligen, meinen es gut. Das ist aber keine Ausrede: Die Zeugen Jehovas meinen es auch gut. In Wahrheit schlummert hinter der Attitude, eine clevere und politisch zynische Geschäftsidee mit Mitteln des Strafrechts oder gar mit Gewalt bekämpfen zu wollen, der typisch deutsche Obrigkeitsstaat, den auch die Linken und Lichterkettenträger allzugern immer wieder herbeiwünschen: Der Staat muss doch gegen das Böse, hier: Thor Steinar, hart durchgreifen?! Melde gehorsamst: Nazi-Kleidung und gefährliche ultrabraune Symbole entdeckt! Bitte Verbot durchführen!

Es dürfte sich auch bei der Räuber-und-Gendarm-Antifa herumgesprochen haben, dass mittlerweile eindeutig zweideutige Mimikri auch zum Reportoire der ganz braunen Kameraden gehört. Ein Rassist und Antisemit kann, wenn es hip sein soll, auch ein Che-Guevara-T-Shirt tragen, und ein Pali-Tuch sowieso. Es gibt keine subkulturelles Zeichen mehr, die politische Ideen eindeutig beschreiben. Das ist auch gut so: Wer Symbole umdeutet, sie flexibel einsetzt, schwächt ihre stringente Bedeutung im kulturellen Kontext. Was die Böhsen Onkelz für die Musik, ist Thor Steinar für Klamotten: Kompatibel für den rechten Rand, für den „White Trash“, für die Verlierer mit Trotzhaltung und für die nur gefühlt bösen Jungs, die am liebsten ihr Wohnzimmer mit deutscher Eiche ausstaffierten.

Wie sehen die Kunden von Thor Steinar sich selbst? Darauf gibt eine Umfrage auf der Website Auskunft: „Mit überwältigender Mehrheit stuften sich die Käufer der Marke als politisch uninteressiert oder in der Mitte der Gesellschaft befindlich ein.“ Was zu beweisen war: Wer Thor Steinar trägt, ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit für rechtspopulistische Parolen empfänglich und steht politisch genau dort, wo Rassismus und Antisemitismus ihre stärksten Wurzeln haben – mittendrin in Deutschland.

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Kommentare

6 Kommentare zu “Kauft nicht bei Kopelke”

  1. Marko am Mai 3rd, 2008 12:51 pm

    Also hier muss ich doch sehr stark widersprechen.
    Die Böhsen Onkelz sind keine Nazi Band.
    Ok sie haben in der Vergangenheit Lieder wie Türken raus rausgebracht die wirklich rassistisch waren aber das ist vergangenheit.
    Bis zu ihrer Auflösung hat sich diese Band immer vom Rechten und Linken Rand distanziert.
    http://de.youtube.com/watch?v=JlWXSYBQFU4
    Auch dieses Video beweist das die Onkelz keine Naziband sind. http://de.youtube.com/watch?v=l6E60QbVDOc&feature=related
    Im übrigen empfehle ich mal in diesem Zusammenhang das Buch Buch der Erinnerungen von Klaus Farin zu lesen.

  2. admin am Mai 3rd, 2008 2:53 pm

    Hat auch niemand behauptet, dass die Onkelz eine Nazi-Band seien.

  3. Marko am Mai 3rd, 2008 3:45 pm

    Was die Böhsen Onkelz für die Musik, ist Thor Steinar für Klamotten: Kompatibel für den rechten Rand, für den “White Trash”, für die Verlierer mit Trotzhaltung und für die nur gefühlt bösen Jungs, die am liebsten ihr Wohnzimmer mit deutscher Eiche ausstaffierten. Zitat ende.
    Hier wird indirekt der Eindruck erweckt das die Böhsen Onkelz doch irgentwie rechtsextrem seien.

  4. oblomow am Mai 3rd, 2008 4:27 pm

    Eleganter Artikel, steckt viel Witz und feine Polemik darin. Hab deswegen mal auf der Thor Steinar gestöbert, da gibt es in der Herrensektion noch so interessante Shirts wie z.B. Luftlandedivision ( für unsere feschen Militaristen) oder Hasting 1066 ( der erste Sieg der Normannen nebst Eroberung der Insel, getreu dem Motto was dem Wilhelm der Langbogen, war Hitler die V1 oder Wüstenfuchs ( ist dann laut Wiki wahlweise Beiname Rommels, der neue Schützenpanzer der Bundeswehr, auch Fennek(sic!) oder der echte Fennek). Na wenn das mal alles keine Indizien für eine handfeste Affinität der Marke zur Mitte der Gesellschaft sind. In Thor Steinar Klamotten fühlt sich der faschophile Underdog ebensowohl wie das rechte Schlitzohr. Dumm nur das infolge des von dir beschriebenen Prozesses, diese eigentlich gehypten Läden eine kurzhaarige Kundschaft anziehen wie Motten das Licht. Frage, wie würdest du eigentlich einen Thor Steinar Laden in der O-Strasse oder am Karl-Marx Platz finden.

  5. admin am Mai 3rd, 2008 5:15 pm

    Am Karl-Marx-Platz, das hätte was… :-) Am besten aber am Thälmann-Park.
    @marko: Nein, auch nicht irgendwie. Jedenfalls nicht mehr als Richard Wagner.

  6. Symbolmagie. Verbieten! « Seitenhiebe am Mai 6th, 2008 10:19 am

    […] Symbolmagie. Verbieten! Es geht die Mär, dass durch Symbole rechtes Gedankengut in die Köpfe transportiert werden könnte. Im Land, das den protestantischen Bildersturm erfunden hat, ist ein Kampf um Symbole in der Regel in der Regel hoch emotionalisiert und regt die Leute mehr auf als politische Inhalte. Wer aber glaubt, dass Runen auf Hemden, Pullis und Jacken wie die von Thor Steinar politisch “wirken”, huldigt primitiver Magie und könnte genausogut an Gespenster glauben oder in eine katholische Messe gehen. Symbole unter Strafe zu stellen ist also eine Art Regenzauber wie der Internet-Disclaimer oder das Weihwasser. (burks) […]

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