Türkisches Gericht lässt das Meer auspeitschen

Beim Lesen der Meldung auf heise.de von gestern musste ich schmunzeln: „Türkisches Gericht lässt Google Groups sperren“. Die Nachricht wurde über dpa verbreitet und nur in der Volksstimme Magdeburg wiedergekäut.

Heise, die eigentliche Quelle Anadolu Ajansi kann man auch verlinken – dann hat man auch gleich den richtigen Namen der Agentur. Auch ohne Türkisch zu können, findet man sogar die Original-Nachricht: „Google yetkililerince yapılan açıklamada, google gruplarına (google.groups) erişimin engellenmesi kararının alınmasına neden olan dava konusunun incelendiği belirtildi.“

Das wird jetzt kompliziert: Wollte das Gericht das Usenet sperren oder nur die Suchmaschine, die es mit einem Web-Interface anzeigt? Und wie soll das Sperren funktionieren? Das ist so, als wollte unsere Regierung den Zugang zum Bundeskanzleramt sperren und verböte den Autoverkehr. Aber dann nehme ich doch den Bus? fragten sich dann die Leute. Ja, so ist es auch mit dem Usenet: Man liest Newsgroups nicht über groups.google.com, sondern mit einem Newsreader und sucht sich die Newsgroups natürlich selbst aus. Das Usenet kann niemand sperren. Aber dazu war das türkische Gericht selbstredend zu dämlich.

Mein Schmunzeln war übrigens vergeblich: Ich hatte darauf gehofft lesen zu können, wie deutsche Medien ihren Lesern das Usenet beschreiben. Sie hätten den Unterschied zwischen dem World Wide Web und den anderen Diensten im Internet erklären müssen und wie man das Usenet liest und dass man dort das Internet im Jahr 1984 besichtigen kann. Aber welche deutsche Journalist weiß schon, was das Usenet ist? Und deswegen hat sich auch keiner an die Nachricht herangetraut, was gesperrt worden ist und dass die Sperrung ungefähr technisch so sinnvoll ist wie die Aktion Xerxes‘, der das Meer auspeitschen ließ, weil seine Leute keine Brücke bauen konnten. Von der Gegend her stimmt es auch – es war bei den Dardanellen.