Lügenmärchen nehmen zu

Heise.de wiederkäut ein Interview mit BKA-Präsident Jörg Ziercke in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Das ist nur eine dpa-Meldung, und sogar bei Heise ohne Link auf das Original (pfui!). Ich habe mich geärget und im Forum rustikal fomuleirt, warum Heise die Lügenmärchen Zierckes unkritisch aufberieten müsse.

„‚Nach Schätzungen sind heute mehr als 750 000 Computer in Deutschland mit Schadprogrammen infiziert, etwa 150 000 Rechner werden von Kriminellen unbemerkt ferngesteuert‘, erklärte er.“ Ach ja? Und welche werden von Schäubles real gar nicht existierenden Bundestrojanern ferngesteuert? Ich glaube kein Wort davon. Und „dass der gesamte Bereich der Internet-Kriminalität weiter rasant zunehmen wird“, ist geschenkt. Wenn das nicht so wäre, brauchten die Sicherheitsbehörden keine neuen Stellen und Sachmittel fordern. Ziercke hätte auch sagen können: Es wird immer alles schlimmer, und wir brauchen natürlich mehr Geld, um das Böse allüberall bekämpfen zu können.

„‚Bilder und Filme, auf denen Kinder und sogar Babys brutal missbraucht werden, breiten sich im Internet rasend schnell aus.'“ So habe das BKA zum Beispiel in einem Verfahren in Deutschland fast 240.000 Zugriffe auf 4600 kinderpornografische Dateien festgestellt, erklärte Ziercke.“ Ach ja: War das die Operation Heiße Luft? Auch das halte ich für frei erfunden.

Eine Faustregel im Journalismus lautet: Veröffentliche nie etwas, wenn du nicht mindestens zwei unabhängige Quellen hast. Hier haben wir nur eine abhängige. Die Regel gilt übrigens nicht bei Propaganda-Thesen, die als solche zu erkennen sind wie: „Angela Merkel sagte, unter der weisen Führung der CDU werde die Welt immer schöner.“ Bei Pressemitteilungen des Bundeskriminalamtes, die sich als Interview von pieseligen Lokalzeitungen tarnen, gilt das auch. Zwar steht bei Heise „Laut BKA nehmen Schäden durch Phishing rasant zu“, aber das müsste erst nachgeprüft werden. bevor man es als Tatsache ausgibt.

Die indirekte Rede verlangt im Deutschen – wie hier in der Überschrift bei Heise – den Konjunktiv I, und dummerweise ist der bei „nehmen“ identisch mit dem Indikativ. Wäre ich Chefredakteur der Neuen OZ, ich hätte Ziercke die Ersatzform „würde zunehmen“ untergejubelt, um klar und angenehm zu sagen, was Sache ist. Ncoh schöner wäre „Kriminalität nähme zu“. Das suggerierte den Nachsatz: „wenn sich das Ziercke nicht nur ausgedacht hätte“.

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Kommentare

One Kommentar zu “Lügenmärchen nehmen zu”

  1. klaus am März 16th, 2008 12:22 pm

    Das ist doch vor allem ein Trommeln für das neue BKA-Gesetz. Wen man die lange Liste von Befugnissen durchdrücken will, muss man schon ein wenig tun dafür.

    – Online-Durchsuchung
    – heimlichen Betreten von Wohnungen
    – Lauschangriff
    – Einsatz verdeckter Ermittler
    – Unbeschränkter Zugriff auf Melde- und Steuerdaten
    – präventive Ermittlungen ohne justizielle und parlamentarische Kontrolle

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