Durchführung gewaltextremistischer Aktivitäten

Quark

Vom Chef-Zyniker Karl Kraus stammt der Satz: „Es genügt nicht, keine Meinung zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“ Ein pädagogisch lehrreiches Beispiel für das Unvermögen, verständliches Deutsch zu schreiben, ist der Heise-Text von gestern „Schweizer Regierung will gewaltextremistische Websites stärker bekämpfen“. Einen schlechter redigierten Text habe ich selten gelesen; wäre ich dort Lektor, bekäme der Autor sein Elaborat um die Ohren gehauen mit der Maßgabe, Deutsch für Profis zu lesen, in Hexameter umzuformen und bei der nächsten Redaktionskonferenz auswendig vorzusingen. Man kann den Text gar nicht korrigieren – fast jedes zweite Wort ist stilistisch schlecht, falsch oder Blödsinn.

„Gewaltextremistisch“: Man spürt, dass der Schöpfer dieses Wortungetüms das allzu böse „Extreme“ noch steigern möchte. Ich schlage vor: „ultrabösegewaltdschihadistischextremistisch“. „Aktivitäten“ gibt es nicht: Die Aktivität bezeichnet die Summe mehrerer Taten und kennt keinen Plural.

Jedes Wort, das auf -ung oder -keit endet, ist verboten. Ausnahmen müssten in vierfacher Ausfertigung dem Chefredakteur in den 20. Stock gebrachten werden, ohne den Fahrstuhl benutzen zu dürfen – in der Hoffnung auf Erlösung vom Nominalstil. Ung und Keit hören sich einfach blöd an – wie das Neue Deutschland vor dreißig Jahren. Wenn man den Schreiber zwänge (ja, diese Form gibt es!), nachzudenken, bevor er seine verbale Schmiere in die Tasten hämmerte, käme etwas heraus, was die Leser verstünden – das ist hier nicht der Fall.

Die Schweizer Regierung will etwas gegen den Terror (welchen?) tun und das Internet überwachen. Gut, das zu wissen. Ich wäre nicht drauf gekommen. Bis hierhin ist es Agitation und Propaganda a.k.a Pressesprecher-Gewäsch. Damit muss man nicht das Internet vollschreiben. Was sind „explizite neue Strafrechtsnormen“? Ausdrückliche neue? Das ist Bläh-Deutsch – wird gestrichen. Auch die „verschiedenen“ Vorstöße wollen wir nicht lesen – überflüssig. Man diskutierte dieses und jenes – aber versteht sich das nicht von selbst?

Die Regierung verneinte „einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf“. Welch ein Sprach-Geschwulst! Die Regierung will keine neue Gesetze. Das wussten wir schon. Gestrichen wird auch „in diesem Bereich“ – „Bereich“ sagt nichts aus und klingt so schön wie „die Mutter tut kochen.“ Was war noch mal der Unterschied zwischen der „Schule“ und dem schulischen Bereich? Richtig, jenes ist ein Wort und dieses verschwiemeltes Soziologen-Gequake.

Die Regierung „beantragte daher die parlamentarische Ablehnung von fünf der insgesamt sieben in diese Richtung zielenden Motionen.“ Ungungung. Wie könnte man das in lesbares und verständliches Deutsch übersetzen? Sieben der vom Parlament geplanten Gesetze widmen sich der Kriminalität im Internet. Die Regierung beantragte, fünf davon abzulehnen. Ist das gemeint? Ich weiß es nicht – der Originaltext ist so verdrechselt, dass man lange überlegen muss, was der Autor sagen will und doch zu keinem Fazit kommt.

„Ressourcen für die Überwachung und Auswertung dschihadistischer und gewaltextremistischer Websites“. Man wüsste gern, welcher Art diese „Ressourcen“ sind – technischer oder gar humanioder? Das klingt wie die einheimische Software-generierte Verfassungsschutz-Lyrik: „Die Bösen nutzen immer öfter das Internet.“ Die Schlapphüte fläzen sich vor ihren Monitoren herum, studieren gar fürchterbare Websites in zahllosen arabischen Dialekten und rufen „hurrra“, wenn sie etwas verstehen. Deutsch ist das nicht. Und keine der Tussen, die am Rockzipfel Heidi Klums hängen, könnte diesen Wortsalat fehlerfrei über die Lippen bringen.

Hinweis: Kein Satz fänge mit „denn“ oder „doch“ oder „schließlich“ an. Ich befehle es hiermit.

Der weiße Schimmel wird immer heller: „…kam die Regierung insgesamt zum Schluss“. Der Autor sagt uns jetzt irgendwie zum dritten Mal, dass die Schweizer Regierung meint, es bedürfe keiner neuen Gesetze. Ich langweile mich.

Die „rasche technologischen Entwicklung“ wird ebenso untersagt. „Technologie“ ist bekanntlich kein deutsches Wort und zudem holperig: Technik heißt englisch technology. Ich sehe keinen dringenden Bedarf, das lautmalerisch einzudeutschen. Zwei Silben sind besser als vier – verstanden? „Die technische Entwicklung“ hört sich aber immer noch bescheiden an. Man merkt, dass hier nur Sprechblasen vor sich hin blubbern, die lautlos zerplatzten, stäche man sie auf, um zu sehen, was darinnen ist. Wir benutzen jetzt ein Fremdwort: Gesetze werden schnell obsolet, weil die Technik sie überholt und damit überflüssig macht. Oder so ähnlich – ich müsste mehr als eine Minute überlegen, um den sprachlichen Fürzen Geschmack abzugewinnen. „Verantworlichkeit“ gibt es nicht – es heißt Verantwortung. Das ist auch schlecht, weil mit -ung. Wer verantwortet also was?

Der „Anpassungsbedarf“ werde „vertieft geprüft“ – es ist zum Kotzen. Wie kann man nur dieses Bürokratengewäsch in einen journalistisch gemeinten Artikel hineindröseln? Vertieft geprüft und verflacht geschrieben. „Die Umsetzung der Konvention sei damit bereits in die Wege geleitet worden“. Man hat also damit begonnen, die Konvention umzusetzen? Ja, aber das wäre viel zu kurz, wird der Autor sich gedacht haben – und das Risiko zu hoch, dass die Leser das sinnfreie Propaganda-Gefasel der Schweizer Regierung als ein solches entlarvten.

Mit Verlaub, der Text ist ganz große Scheiße! In die Tonne damit.