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Dieser Artikel erschien am
18.5.1991 in der
Berliner Zeitung
.Aufnahme in die Bruderschaft
  - Die Freimaurer bilden die älteste bruderschaftliche Organisation der Welt
Ein schwarz gestrichener Raum, flackerndes Kerzenlicht, ein Totenschädel. Auf dem Tisch rinnt eine Sanduhr, Symbol der Vergänglichkeit alles Irdischen.

Die Freimaurer nennen dieses Verlies die "Kammer der verlorenen Schritte". Ein "Suchender", der in eine Loge aufgenommen werden will, soll sich hier noch einmal überlegen, ob er sich traut, das Einweihungsritual zu überstehen. Dabei weiss er nicht, was ihm bevorsteht.

Auch ich hatte keine Ahnung, was die Freimaurer in ihren Berlinern Tempeln treiben. Kein Wunder, denn über ihre Sitten und Gebräuche hüllen sie sich in eisernes Schweigen. Deshalb meine Bewerbung - inkognito - um Aufnahme im Logenhaus in der Emser Straße in Wilmersdorf. Die künftigen Mitbrüder prüften mich, den "Suchenden" ein Jahr lang, ob ich zu den "guten und aufrichtigen Männern" gehören darf, nicht ",sittenlos", " von gutem Ruf" und nicht "übelbeleumdet", bin. Nach vielen "Gästeabenden", persönlichen Gesprächen und einer geheimen Abstimmung, ob der Neuling genehm erscheint, ist der Zeitpunkt für das feierliche Einweihungsritual erreicht.

Nichts werde geschehen, sagt man mir, was "gegen die männliche Ehre" verstoße. Ein Hosenbein wird hochgekrempelt, und der rechte Schuh muss einem Pantoffel weichen, so dass der junge Mann hinkt - eine symbolische Körperbehinderung, aus vielen männerbündischen Ritualen bekannt: Mit einem Bein steht er noch in der Welt der Mütter, mit dem anderen schon dort, wo er ein ganzer Kerl sein darf.

Frauen haben ohnehin keine Chance auf Aufnahme in eine Loge. Das bestimmt der immer noch gültige Kodex, die "Alten Pflichten" aus dem Jahre 1723. Die Begründung: Es könnte sich "Eros" in den fest geschlossenen Männerreihen einnisten, was gefährlich ist. "Es gibt zwar viele Frauen" so ein Freimaurer, "die ganz geschlechtslos wirken, aber von dieser Wirkung kann man nicht die Aufnahme abhängig machen." Damit sicher ist, dass sich keine Dame einschleichen will, wird dem "Suchenden" sein Hemd ausgezogen und so verknotet, dass eine Brustwarze frei bleibt. Und, eine Vorsichtsmaßnahme gegen magische Kräfte: Geld, Schlüssel, Gürtelschnalle bleiben in der schwarzen Kammer zurück.

Früher, als Siegfried gegen den Zwerg Alberich kämpfte und die König Artus Schwerter aus Felsen zog, galt der, der mit Metallen und Erzen umgehen konnte, als Zauberer. Der Initiand soll aber dass Ritual demütig über sich ergehen lassen und dem Hokuspokus nichts hinzufügen. Oberstes gebot der Freimaurer ist die Geheimhaltung. Der alte Schwur droht, im Falle des Eidbruchs auf sich zu nehmen" "dass mir die Kehle durchschnitten, dass mir die Zunge ausgerissen und im Sand des Meeres eingegraben wird." Gegner der Freimaurer setzten das Gerücht in die Welt, Wolfgang Amadeus Mozart habe deshalb so früh sterben müssen, weil er in der Oper "Die Zauberflöte" Details des Einweihungsrituals ausgeplaudert hatte.

Aus der dunklen Kammer werde ich jetzt ans Licht geführt, immer noch mit der Binde vor den Augen. Der "Suchende" muss dem Zeremonienmeister so hartnäckig wie eine Drehtühr folgen. "Freundeshand wird sie begleiten" flüstert eine Stimme. Der junge Mann kniet neider. Er hält einen Zirkel in der linken Hand, mit der Rechten fühlt er das kühle Metall eines Winkels, der quer über einem Buch, der Bibel, liegt. Es dient als Symbol für die Nächstenliebe, die die Härte des kapitalistischen Dschungels mildern soll. Ein Hohn, wenn man weiss, dass die gut 20000 deutschen Freimaurer unter der kulturellen Hegemonie von Juristen und Steuerberatern stehen.

Jetzt wird der "Suchende" auf die Reise geschickt, Am Händchen des Zeremonienmeisters umrundet er drei Mal das Innere des Tempels. Er begegnet einem Bunsenbrenner, der fast seine Nase versengt. Der Initiand denkt: altgriechischer Mythos vom Feuer, das klaute Prometheus, der schlug Zeus, dem entschlüpfte Athene, die Frau wird also vom Mann gezeugt... Plötzlich spritzt Wasser ins Gesicht, eines der vier Elemente. Ein Ethnologe über die Bedeutung dieses Zeremoniells: "Die Intrauterine Existenz wiederherzustellen, wo das Kind in einem kleinen dunklen Raum eingeschlossen und von Flüssigkeit umgeben ist." Schliesslich fällt die Binde, und der "Suchende" sieht sich in einer Kette von Männern mit weißen Schlipsen und Sonntagsanzügen. Sie halten sich bei den Händen, schunkeln und singen: "Brüder reicht die Hand zum Bundes!" Und weiter: "Seid auf diesem Stern die Besten!"

Freimaurerei will noch heute verstanden werden als ein Beitrag zu einer menschlichen Welt durch die Stärkung der Kräfte des Individuums. Ihre Mitglieder nennen sich Brüder und haben sich die Aufgabe auferlegt, "durch ehrwürdige rituelle Handlungen sittliche Festigung, Pflege echter Menschlichkeit und geistige Vertiefung anzustreben."

Zwei Herren spielen "Aufseher". Sie tragen ein Senkblei und eine Bleiwaage mit sich, der Zeremonienmeister hält einen Stab, der Logenmeister ein Schwert. Auch die Sitzordnung ist symbolisch: Die verschiedenen Ämter bilden ein Dreieck, in der Alchemie das Zeichen der Vollkommenheit. Auf dem Teppich sehe ich alles, was für Freimaurer wichtig ist und mir jetzt "gedeutet" wird: schwarz-weißes Pflaster für die Wechselfälle des Lebens, zwei Sälen, Jakin und Boas - die hat König Salomon erfunden - , stehen für die Männlich- und Weiblichkeit.

Dann erfährt der frischgebackene Maurer die geheimen Handzeichen und Passworte und wie er über den Teppich zu springen hat, damit er als Logenbruder erkannt wird, Ausserdem bekomme ich einen Orden und zwei paar weße Handschuhe, eines für mich und das andere für "die Dame, die meinem Herzen am nächsten steht."

Hinter dem, was hier als esoterischer Firlefanz und Selbsterfahrung in der Gruppe erscheint, verbirgt sich ein Geheimbund, der Männer seit Jahrhunderten fasziniert: Kaiser Wilhelm und Kurt Tucholsky, Gotthold Ephrahim Lessing und Salvador Allende, Kemal Atatürk und Carl von Ossietzky, Holger Bölger Börner und Ho Chi Minh, der sich 1917 als Student in Paris einweihen ließ - alle dieser Männer waren Freimaurer.

Die Geschichte der Freimaurer geht ins frühe Mittelalter zurück. Damals schlossen sich die Steinmetze zu Bruderschaften, den "Bauhütten" zusammen, um ihre Berufsgeheimnisse zu bewahren. Aus dieser Zeit stammen auch die Zeichen, wie der Fingerdruck auf den Handknöchel, und Passworte wie der biblische Name "Tubelkain". Im 16. Jahrhundert nahmen die verschworenen Brüder auch Laien auf, die sogenannten "Angenommenen Mauer". Im absolutistischen Staat waren die Logen der Aufklärung und Toleranz verpflichtet, natürlich im Interesse des männlichen Bürgertums. Der Dichter Lessing auf die Frage eines Freimaurers, ob er in der Loge etwas staatsfeindliches gefunden habe: "Leider nicht."

Anders als in der Bundesrepublik waren die Freimaurer in der DDR - wie auch unter dem Nazi-Regime - verboten. Aber wie die Wiedereröffnung der Weimarer Loge - hier war Goethe Mitglied - und das rege Interesse an dem Informationsabend im ehemaligen Logenhaus von Potsdam zeigt, hat das staatliche Verbot den Freimaurer-Geist nicht völlig ersticken lassen.

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