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Dieser Artikel erschien
am 22.09.2000
im Freitag
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.Doitscher Sozialismus
  - In harter Konkurrenz um neue Verpackungen beerbt die Rechte altlinke Bestände

"Eine schwere wirtschaftliche Verfallserscheinung ist das...allmähliche Übergehen der gesamten Wirtschaft in das Eigentum von Aktiengesellschaften."

"Diese Globalisierung der Wirtschaft beruht auf dem überholten und falschen Ziel der maximalen Ausbeutung der Erde durch Schaffung von wirtschaftlichen Monokulturen."

"Die Börse beginnt zu triumphieren...ein Teil der Industrie fällt schließlich auch dem vereinigten Angriff des gierigen Finanzkapitals...zum Opfer."

"Das in Deutschland operierende Finanzkapital hat der deutschen Volkswirtschaft zu dienen."

"Die im kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftssystem florierende schrankenlose Vermehrung des Geldkapitals durch Subventions-, Steuer-, Kredit- und Zinsprivilegien führt zu gravierenden Fehlentwicklungen der Wirtschaft und muß deswegen eingedämmt werden."

"Investieren - nicht spekulieren!"

Natürlich ist eine solche Reihe von Zitaten politisch nicht statthaft, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen und die Tempi verändert sind. Man muss jedoch genau hinsehen: Handelt es sich um Versatzstücke aus Marxens Kapital, irgendwo versteckt im zweiten Band, den ohnehin niemand liest, weil es um Geld und den Zirkulationsprozess geht? Oder um irgendein Parteiprogramm, Indizien: "soll" und "muss"? Firmiert hier eine bisher unbekannte Abspaltung von den Grünen oder eine unternehmerfreundliche PDS-Ortgruppe?

Der Weltgeist scheint zu Scherzen aufgelegt zu sein. Nach dem Scheitern des realen Sozialismus fordern nur noch die Rechten ernsthaft seine Neuauflage. Die NPD setzt die soziale Frage auf die Tagesordnung und ködert damit vor allem Wähler aus den neuen Bundesländern. "Sozialismus ist machbar" - wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die Neonazis diese Parole von der Linken übernehmen würde? "Für einen linken Flügel bei den Rechten" - ein Appell des REP-Gründers Franz Schönhuber, der befolgt wurde. Kommunisten und Nationalisten - eine Kampffront! Das will auch Michael Koth, Ex-Vorsitzender der KPD/DDR, der mittlerweile mit offenen Armen von der NPD aufgenommen wurde.

Natürlich bedeutet der Begriff "Sozialismus" nach rechter Façon etwas anderes als in den bekannten Blauen Bänden: die nicht raffende, sondern schaffende Volksgemeinschaft wird biologistisch grundiert: "Sozialismus ist für uns Junge Nationaldemokraten das an die Volksgemeinschaft gebundene ordnungspolitische, in Gesellschaftspolitik umzusetzende Modell des Nationalismus", hieß es schon 1977. Es gilt, auch bei der NPD, die Nation als ius sanguinis. Die Nazis hatten gegen das immer noch aktuelle Verständnis der Nation als Abstammungs-, Schicksals- und Kulturgemeinschaft nie etwas auszusetzen.

So kommt die "soziale Frage" eben in einem rechten Kostüm daher. Die negativ besetzen verbalen Textilien "international" und "Globalisierung" wirken hier immer antisemitisch, ganz gleich, ob sie von Nazis oder von Linken gebraucht werden. "Dem Volke dienen", eine Parole, die in den siebziger Jahren von maoistischen Politsekten unter's Volk gestreut wurde, ist nun auch bei der NPD gelandet. Im Programm heißt es: "Das in Deutschland operierende Finanzkapital hat der deutschen Volkswirtschaft zu dienen. Die im kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftssystem florierende schrankenlose Vermehrung des Geldkapitals durch Subventions-, Steuer-, Kredit- und Zinsprivilegien führt zu gravierenden Fehlentwicklungen der Wirtschaft und muß deswegen eingedämmt werden."

"Sozialistisch" heißt: Auf der einen Seite strömt das vaterlandslose internationale Finanzkapital, getrieben von gewissenlosen Spekulanten, auf der anderen Seite stehen nationale Investoren, vor allem aus dem Mittelstand, die den Profit nicht verschleudern, sondern den Schulterschluss mit der Arbeiterklasse üben sollen. Globalisierung geht uns alle an, und es erhebt sich die politisch wenig korrekte Frage: Sind die Rechten oder die Linken gemeint? Die anti-globalistische Linke hält sich zurück, zur Zeit traut sich noch niemand, den Kampf gegen die "internationalen" Konzerne mit dem Kampf gegen den "Zionismus" zu verknüpfen.

Auch die NPD spricht das nicht aus. Eine Partei muss ihren Wählern nicht vorschreiben, was die zu denken haben, und ihr Programm liest ohnehin niemand. Eine Partei gibt aber den suggestiven Rahmen vor: Das Globale und Internationale ist unstrittig anonym und wird deshalb bei den Rechten verurteilt. Der Antisemitismus sucht sich stetig neue Denkformen. Die trübe Brühe des Judenhasses fließt in immer neue Gefäße: aus der "Aktiengesellschaft" in das "internationale Finanzkapital", von der "Zinsknechtschaft" in die Globalisierung, die sich dem nationalen Gemeinwohl verschließt, vom "Liberalismus", dem Hauptfeind der Neuen Rechten, zum "dekadenten amerikanischen Materialismus". Der Nationalsozialismus mutiert zum nationalen Sozialismus, gegen Euro, pro D-Mark. Kein Zufall, dass die Deutschmark-Groupies nur im südöstlichsten Zipfel Sachsens, in Zittau, eine relevante Stimmenzahl bekamen. Man muss nicht die NPD wählen, um gegen die Internationale zu sein. Man kann den Kampf gegen das Globale auch anders kodieren. Es zählt, was dabei herauskommt, und das ist auf jeden Fall national.

Hat die NPD Erfolg auf dem Weg zum Sozialismus? Kaum vorstellbar, aber sie besitzt einen Mythos. Die Rechte kann sich der Worthülse "Sozialismus" nur bedienen, weil sie in ein begriffliches Vakuum stößt. Das Alte ist vergangen und nur im nostalgischen Vereinsleben kommunistischer Plattformen und deren Kostümfesten präsent oder als Karikatur in sektiererischen Kuschelgruppen. Aber das neue anonyme "System" ist zu kompliziert, zu kalt, Demokratie im Kapitalismus lebt von der Initiative der Segmente und bietet kein übergreifendes ideologisches Dach, das den geistig Armen mentale Sicherheit bieten könnte.Wer gegen "das System" rebelliert wie die NPD, braucht sich um die Zukunft nicht zu sorgen. Wer einen vermeintlichen dritten Weg anbietet und den mit allem ausstaffiert, was der Markt der Welterklärungsmodelle links und rechts bietet, wirbt erfolgreich. Werbung lebt von der Verpackung, nicht vom Inhalt. Die NPD hat keine Inhalte, außer den seit ihrer Gründung nicht veränderten rassistischen und antisemitische Parolen. Die Verpackung jedoch ist neu und der Klientel angepasst.

Um das Rätsel des ersten Abschnitts aufzulösen: Alle Sätze stammen entweder aus "Mein Kampf" von Adolf Hitler oder dem aktuellen Parteiprogramm der NDP. Nur der letzte Satz, der Appell an Kapitalisten, an die Arbeit zu gehen, stammt von der PDS.

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