Prolog

    Dieses Buch ist ein Buch über Mythen. Mythen enthalten einen wahren Kern, sind aber erfundene Geschichten, die Moral zu stärken. Der öffentliche Diskurs in Deutschland zum Thema "Rechtsextremismus" besteht aus populären Mythen, die sowohl von konservativen Hardlinern als auch von gut meinenden AntifaschistInnen verbreitet werden: Die Nazis und ihre Strukturen müssen verboten werden. Der Staat muss gegen die Gefahr von rechts hart durchgreifen und Flagge zeigen. Die Nazis sind jugendliche Skinheads, die sich bei Alkohol und verbotener Musik zu Gewalttaten aufstacheln. Pop ist gut und links, und Musik "gegen rechts" wirkt gegen rechts. Die schwarzen Uniformen der SS wirken erotisierend auf Frauen und Männer. Lichtdome sprechen die deutsche Seele an und sind weltanschaulich neutral. Neonazis nutzen immer mehr das Internet, um das Böse immer mehr und immer öfter zu verbreiten. Unsere armen Kinder müssen vor dem Hass im Netz geschützt werden. Journalisten recherchieren, bevor sie uns über rechte und linke Chaoten informieren. Den Ossis geht es schlecht, und wenn es dem Deutschen schlecht geht, geht er - so ist er eben - Fidschis und Neger klatschen. Die Flagge, das Gesicht oder den gestreckten Mittelfinger zeigen nützt irgendetwas gegen rechts.

    Dieses Buch kämpft gegen Windmühlenflügel. Es argumentiert gegen gut gemeinte Vorurteile, und die sind bekanntlich gegen Argumente immun. Dieses Buch will beweisen, dass sich, trotz des sommerlichen Wortschwalls zum Thema Rechtsextremismus, nichts in Deutschland geändert hat, weil kaum jemand begriffen hat, worum es geht. Der Autor hofft, die richtigen Fragen zu stellen. Es wird nur jemand zuhören, wenn kognitive Dissonanz im Spiel ist. Bücher zum Thema Neonazis sind langweilig, pädagogisch wertvoll, werden von Leuten gelesen, die weder Rassisten noch Antisemiten sind und bestärken den gruppendynamischen Zusammenhalt in der antifaschistischen Kuschelgruppe. Die Autoren hochwertiger Literatur über Rechtsextremismus halten "MTV" für eine französische Automarke, "Eminem" für eine türkische Anrede und einen "Url" für einen Wolpertinger.

    Dieses Buch richtet sich ausschliesslich an Jugendliche über siebzig Jahre, die die schärfste und effektivste Waffe der Demokratie gegen ihre Feinde zu führen und sich ihrer zu bedienen wissen: Die Freiheit der Rede und der Meinung.

Berlin-Kreuzberg, September 2000