Die dpa-Meldung, von den deutschen Medien meistens nur abgekupfert, lautet: "Nach 44 Jahren haben China und Indien am Donnerstag den Grenzpass Nathu La auf der historischen Seidenstraße wiedereröffnet. Auf beiden Seiten der Grenze wurde die jeweilige Nationalflagge gehisst und die Nationalhymne gespielt, meldeten die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua und ihr privates indisches Pendant PTI. Vertreter des indischen Bundesstaates Sikkim und der Tibetischen Autonomiebehörde durchschnitten bei einer feierlichen Zeremonie ein rotes Seidenband und eröffneten damit den früher bedeutenden Handelsweg neu."
Heute ist Samstag, ich fühle mich wohl und ich möchte jetzt ein Blog schreiben, das mir selbst sehr gefällt, irgendetwas Spannendes, ein Rätsel, das gelöst werden will. China.org.cn gibt den ersten Hinweis: Der Nathu La Pass liegt auf 4545 Metern Höhe und ist 460 Kilometer von Lhasa und 550 Kilometer von der indischen Hafenstadt Kalkutta entfernt." Die Ortsangabe ist relativ ungenau: Dortmund liegt 500 Kilometer westlich von Berlin oder so ähnlich. Die wohlwollenden Leserinnen und Leser ahnen schon, was jetzt kommt: Ich möchte den Pass von oben sehen - als Luftaufnahme.
Übrigens: Die chinesische Website setzt, im Gegensatz zu deutschen "Online"-Medien, sogar einen Link, einen sehr politischen: "Tibet" wird auf der verlinkten Seite als "Chinas autonomes Gebiet" bezeichnet, damit das surfende Publikum gar nicht erst auf die Idee kommt, die Wikipedia-Version zu suchen, auf der das Thema "Tibet" etwas differenzierter diskutiert wird.
Das Handelsblatt bietet mehr Infos: "Erst vor wenigen Tagen wurde die erste Eisenbahnverbindung auf das Dach der Welt eröffnet. Die umstrittene Zugverbindung soll wie die neue Seidenstraße einen florierenden Handel nach Tibet bringen. Kritiker fürchten jedoch, dass Tibet, das von China 1951 annektiert wurde, über diese Anbindungen seine Autonomie und Kultur verlieren wird. Bei der Annäherung zwischen den asiatischen Riesen China und Indien ist die Wirtschaft der Politik längst voraus: Die Volksrepublik ist inzwischen Indiens wichtigster Handelspartner nach den USA." Das wissen wir doch. Im Kapitalismus zählt der Primat des Profits, nicht der der Politik.
Mir hat es natürlich zunächst Spaß gemacht, exotische Zeitungen zum Thema zu studieren - die detaillierte Hindustan Times, die PTI-Meldung auf der indischen Tribune, aus Chandigarh, Ohmy News aus Südkorea und - das einzige Medium weltweit mit mehreren schönen und aussagekräftigen Fotos - BBC News. Natürlich muss man auch den wunderbaren Wikipedia-Artikel über die Seidenstrasse lesen. Man stelle sich das vor: "Den Verlauf der Nordroute, die nördlich des Tarim-Beckens verlief, hat Herodot um 430 v. Chr. detailliert beschrieben, wobei er die Stationen der Route mit den Namen der dort ansässigen Völker bezeichnet." Seit mindestens zweieinhalb Jahrtausenden reisen die Menschen über diese Straße!
Wo ist nun dieser Pass zu finden? India eNews erwähnt "Sherathang, about 47 km east of Sikkim’s capital Gangtok, will be the main business hub..." Eine Satelliten-Aufnahme der Seidenstrasse, verglichen mit der Karte, gibt zusätzliche Hinweise. Und, what the heck, wo war noch mal gleich Sikkim? Diesen komischen Zipfel der Landkarte kann man sich gut merken, wenn man mit Google Maps sucht - gleich links neben Bhutan. Rund 50 Kilometer von Sikkims Hauptstadt Gangtok (hätten Sie's gewusst? Da sieht es nett aus - ) entfernt - aber in welcher Richtung? Laut Wikipedia ging und geht die Seidenstrasse durch Gangtok - auf Google Maps ist die Stadt aber nicht eingezeichnet.
Recht viel Mühe hatte ich mit der interaktiven Karte Sikkims bei Yahoo. Die suggeriert aber, dass es sich nur um die Straße handeln kann, die von Gangtok nach Osten bzw. Nordosten führt; andere, die die Grenze zu China überqueren, sind entweder zu weit weg oder die Route führt jenseits Sikkims ins Nirgendwo. Die Sikkim East District Map bestätigt aber das, was ich vermutete. Endlich der Beweis: Auf einer Karte von nepal.com ist "Nathu La" eingezeichnet, nördlich des Gebirgszuges "Pandia Range". (Sherathang gibt es dort aber nicht.)
Über den Ort Kupup, der der Grenze an nächsten liegt, haben einige Zeitungen früher schon einmal berichtet: "...the tiny village of Kupup. Perched at an altitude of more than 13,000 feet, it is barely four km away from the Nathu La pass and India's border with China. (...) Kupup's 150-odd Sherpa-dominated population - mainly labourers engaged with the Border Roads Organisation in repairs and maintenance work on the road that snakes up the mountains to Nathu La.." The Hindu berichtet auch detailliert über die Gründe, warum die einheimische Sherpa-Bevölkerung vehement gegen den Plan war, den Pass wieder zu öffnen. Davon hätte ich gern in der aktuellen Berichten etwas wiedergefunden. Aber dazu hätte man zehn Minunten recherchieren müssen.
Zwischen Kupup und Natu La liegt das Baba Harbhajan Memorial", für das es bei Google nur noch einen (!) weiteren Treffer gibt. Dort erfahren wir übrigens, dass die indische Border Roads Organisation "Hakenkreuz" heißt.
Auf traveljournals.net bekommen wir die genauen Koordinaten für Kupup: Latitude (DMS): 27° 21' 0 N, Longitude (DMS): 88° 50' 60 E - nur ein wenig nördlich des Dreiländerecks Sikkim - China - Bhutan. Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, dass die Route der Seidenstraße, wie sie auf Wikipedia beschreiben wird, gar nichts mit der neuen Passstraße zu tun hat, letztere ist viel zu weit südlich. Der Pass wird laut indiatravelogue.com auch "Natula-Pass" geschrieben. Jetzt müssten alle Informationen beisammen sein, um per maps.google.com loslegen zu können.
Wenn man die Karte als Vergleich immer wieder heranzieht, ist die Suche nach einiger Zeit von Erfolg gekrönt. Auf der chinesischen Seite sind die Passstraße und ein kleiner Ort, der direkt an der Grenze liegen müsste, gut zu erkennen. Links davon - auf Google Maps - als heller Fleck einige Kilometer westlich des großen Bergschattens - liegt Kapup. Ich lasse mich von den wohlwollenden Leserinnen und geneigten Lesern aber gern eines Besseren belehren - vielleicht ist ja die Windoof-Version von Google Earth genauer. |