VOLKSERZIEHUNG IM TV Richter Alexander Hold und die NeonazisVon Burkhard Schröder
Bekanntlich ist das Fernsehen da, um das Volk zum Schönen, Guten und Wahren zu erziehen. Das geht nur, wenn Authentizität vorgegaukelt wird. Die Soap Opera stand am Beginn einer langen Reihe von Formaten, die mit möglichst wenig Aufwand das Banale des Alltags in Form einfacher Klischees reproduzieren. Die Talkshow, in der der - in den USA korrekt bezeichnete - White Trash aufmarschiert, ist nicht anderes als ein Zuschauerblog im Fernsehformat. Das Publikum sendet gnadenlos zurück, und das kommt an. Gegen die US-amerikanischen Vorbilder ist das bräsige deutsche TV jedoch ein Kindergarten.
"Richter Alexander Hold" ist so eine Sendung. Dort imitiert man Justiz und Rechtssprechung. Die Gerichtsshow (ich bin ein großer Fan derselben) ist ein getreues Abbild dessen, wie der moraltheologische Diskurs in Deutschland funktioniert: Ein sinnfreier Textbaustein wird an den anderen gereiht. Das funktioniert bei allen Themen, bei denen es mitnichten um eine politische Kontroverse oder den Austausch mehr oder minder rationaler Argumente geht, sondern nur um die Moral von der Geschicht': Drogen, Sekten, Pornografie, Rechtsextremismus. Nichts also, worüber man in den Medien ernsthaft streitet. Das Ergebnis der Botschaft steht am Beginn schon fest. Seit der Kinder vom Bahnhof Nirgendwo dreht der Diskurs sich im Kreis wie der Mond um die Erde.
Gestern ging es beim Richter Alexander H. um Neonazis. Irgendeine abstruse Story: Der Angeklagte sollte jemanden verhauen haben, der ehemaliger Nazi war. Es endete so, wie der wohlwollende Stammseher schon vorher enträtseln und vermuten konnte: Der Plot war ein Beziehungsproblem, ein Mädel war von Neonazis entführt und in einem Keller versteckt worden, sie wurde befreit, hatte schreckliche Angst, wurde beruhigt und sagte vor dem gestrengen Richter endlich so aus, dass das Gute siegte. Quod erat demonstrandum. So kompliziert wie Grimms Märchen.
Interessant, wie die Figuren des Puppenspiels ausstaffiert waren. Die eine Sorte - die Guten - erschienen so, wie ein Pfarrer sich einen Punk vorstellt: Wirre Haare und/oder Irokesenfrisur, und zur Krönung ein Anarcho-A auf der Brust. "Die Anarchisten", formuliert ein "Anwalt". Die jagen ständig Neonazis, wie man aus der Antifa-Lyrik weiß. Die Nazis trugen grüne Bomberjacken, was sonst, kurze Haare und pöbelten herum. Wie der Spießbürger hinter dem Jäger- und Maschendrahtzaun sich eben einen Nazi vorstellt. Es fehlte noch der ältere Drahtzieher, der in jedem Tatort auftaucht, um ja kein Klischee auszulassen.
Ich habe sogar ein paar Sentenzen notiert, weil sich ein Klischee an das andere reihte, so dass es kaum noch auszuhalten war. Man muss allerdings befürchten - und das ist der volkserzieheriche und prophylaktische Auftrag und Sinn dieses Blogs -, dass die Mehrheit der Deutschen genau so dämlich denkt wie der Drehbuchautor und der Ausstatter dieser Gerichtsshow.
Ein Nazi brüllt herum und droht. Der Richter blickt äusserst streng und greift, wie zu erwarten war, hart durch. Aus dem Saal mit ihm! Gut, dass die Staatsmacht Härte zeigt. Beckstein, ick hör dir trapsen. Am besten auspeitschen oder einstweilig erschießen, das Pack. Melden, durch den Gerichtssaal führen, verbieten. "Sie haben ja sogar einen Sozialversicherungsausweis. Sie scheinen zu arbeiten. Das hätte ich nicht gedacht," murmelt Alexander Hold sinngemäß. Das wussten wir schon: Nazis sind arbeitslos. Überhaupt kommt das Nazimäßige davon, dass die braunen Kameraden sich so langweilen und so schreckliche Mucke hören.
Und noch eine Figur in diesem moraltheologischen Theaterstück war präsent: Die Aussteiger-Beraterin. Mittlerweile ist das "Aussteigerprogramm" und das dazu passende Personal in den öffentlichen Diskurs so eingesickert wie der Landgericht-Hamburg-Hoax und der Disclaimer in die deutschsprachige Folklore. Alles sinnlos, aber man kriegt es nicht mehr weg. Man kann darauf waren, dass die Aussteiger-Beraterin demnächst beim Heiteren Beruferaten auftaucht. Typische Handbewegung: Zärtlich die jugendliche Glatze polieren. |