NEONAZIS DÜRFEN DEMONSTRIEREN Zeichen setzen gegen Dumpfbacken!
Heute darf die NPD in Nürnberg Wahlkampf machen. Das Verwaltungsgericht Ansbach hob ein Verbot. dass die Stadt ausgesprochen hatte, wieder auf. Auchauf die Gefahr hin, die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser zulangweilen, weilwir das Thema gestern schon hatten, müssen wir uns heute leider noch einmal kurz mit der deutschen Leitkultur, dem Melden, Durchführen und Verbieten beschäftigen.
Die Rheinische Post hat gar nichts verstanden: "Rolle Rückwärts" titelt man dort. Das ist suggestiv: Der Leser hat irgendwie irgendwo gehört, dass wieder etwas verboten worden ist und muss jetzt mental auf das Gegenteil eingestimmt werden. Da prophylaktisch jede öffentliche Versammlung der kackbraunen Kameraden von den Lichterkettenträgern und Zeichensetzern verboten wird, sind die Medien in Deutschland voll von Berichten, wann das geschieht und warum nicht.
Um dem surfenden Publikum das Absurde klar zu machen: In den USA gibt es so gut wie keine Meldung über das Thema, dass die Bürgerinnen und Bürger, so ekelhaft ihre Meinungen auch wären, daran gehindert würden, ihr Bürgerrecht auf Versammlungsfreiheit zu praktizieren. Die exakte Zeichenkette Freedom of Speech ist in Deutschland immer nur selektiv (!) gemeint. Menschen- und Bürgerrechte bekommt man per Gnadenakt vom jeweiligen Innenminister verliehen, so stellt man sich das vor.
By the way: Die Rheinische Post mewldet am 19.08. um 21.06. Uhr: die Stadt Nürnberg werde nun beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde einlegen. Der SWR meldet: "Das Verwaltungsgericht Ansbach und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hoben das Verbot der Stadt Nürnberg am Freitag auf. Gegen das Urteil des VGH sind keine Rechtsmittel mehr möglich, sagte VGH-Sprecher Stephan Kersten." Wenn die RP eine Online-Redaktion hätte, die diesen Namen verdient, würde sie ihre Meldung ergänzen.
Mit deutschen Medien ist es wie mit den meisten DJV-Funktionären: "Alles Offliner", wie ein geschätzter Kollege zu sagen pflegt. Man streicht sich im Terminkalender mit roter Tinte an, wann man seine Mails mal wieder lesen muss. Vom Antworten, gar ohne Werbung für Freemailer, ganz zu schweigen. Aber wir schweifen ab - immerhin aus berechtigtem Zorn.
Übrigens: Die Neonazi-Seite altermedia.info interpretiert das Verbot, dass das Bundesverfassungsgericht ausgepsrochen hatte, durchaus korrekt: "Zwar handelt es sich dabei keineswegs um ein generelles Verbot solcher Veranstaltungen, doch machte das Gericht klar, daß über den eigentlichen Sachstand erst eine Hauptverhandlung stattfinden müsse." Man kann das nachlesen, wenn man auf der Startseite auf full story klickt. Har har. Wahrscheinlich hat der Netzgestalter (!) gedacht, volle Geschichte höre sich komisch an.
Interessant ist, dass im weltgrößten Neonazi-Forum, dem skadi.net, kontrovers darüber gestritten wird, ob tschechische Neonazis in Wunsiedel hätte reden dürfen. "Jürgen Rieger hat unsere Rede abgelehnt, weil wir nicht öffentlich sagen können: 'Wir treten tschechische Nationalisten für die Rückgabe des Sudentenlandes an die angrenzenden Länder Deutschland und Österreich'. Diese Erklärung ist die Zerstörung des tschechischen Strafgesetz und unser Redner würde in der Tschechische Republik für Landesverrat verhaftet."
Da das hier ein Blog ist, darf ich ständig abschweifen. Zurück zum Thema. besonders nervtötend am protestantisch-symbolischen "Kampf" gegen Rechts sind die allzubekannten Textbausteine, die sich immer nur wiederholen, wiederholen, wiederholen. Jede Werbeagentur würde entsetzt sein, gebrauchte der abgedroschene Floskeln wie "fröhliche Urständ feiern", "schwere Verwüstungen", "Fürs leibliche Wohl wurde. gut gesorgt", "unter den Nägeln brennen". Das ist verboten, weil jeder gleich wegzappt.
Das gilt aber auch für "Gesicht zeigen", und "Zeichen setzen". Wie darf man sich das Setzen von Zeichen vorstellen? Jemand rammt ein Landschaftsmerkmal in die Wüste Gobi? Einen Markierungsstab in Wattenmeer? Oder jemand hängt eine Lichterkette in den nächsten Apfelbaum? Die Zeichenkette (!) Zeichen setzen ist so beliebt, weil sie den Zeichensetzer von der lästigen Pflicht befreit, über den Sinn seines Tuns nachzudenken. Im Protestantismus wirft man eben nur mit Symbolen und Zeichen um sich, und das war's dann. Das gute Gewissen stellt sich zwingend ein - wie bei den Katholen erst nach der Absolution.
Ich setze mit diesem Blog ein Zeichen gegen die Dumpfbacken im Allgemeinen, Lichterkettenträger, kackbraune Kameraden, korrupte und unfähige Raffkes in Journalistenverbänden und wer mir sonst noch vor die Flinte kommt.
Abbildungen: Neonazis auf dem Münchener Marienplatz (oben). Klischee pur: Die Rheinische Post sieht immer nur Skinheads (Mitte). Website der NPD (unten): Der neuerliche Ostlandritt ist schon grafisch markiert. Auf die Rückeroberung des Elsass wird offenbar verzichtet.
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