JAVA ANON PROXY Paranoia-SurfenVon Burkhard Schröder
Nun gut, ich könnte jetzt ein langweiliges Blog schreiben mit der Überschrift: Von einem, der sich von Windows lossagte und bei Linux landete und dabei gar erschröckliche Abenteuer erlebte. Das erwartet der gewöhnliche DAU und Bill-Gates-Fan. Aber es ist gar nicht so. Seitdem ich Windows-freie Rechner habe, sitze ich mitnichten vor einem schwarzen Bildschirm mit grüner Schrift und hämmere Kommandozeilen ein wie grep -c arctan\(.*) +.c oder chmod 644 /etc/fstab oder so ähnlich. Es ginge wohl, aber ich mache es nicht. Ubuntu-Linux ist, und jetzt beginnt Schleichwerbung für ein Gratis-Produkt, ziemlich genial, benutzerfreudlich und idiotensicher, also einfach zu bedienen. Es ist genau das Gegenteil von dem, was man als Linuxer gewöhnt ist: Man muss sich Mühe geben, damit es wirklich kompliziert ist. Man kann noch nicht einmal einfach so als root, also als höheres Wesen des Rechners, irgendetwas kaputtmachen.
Nachdem ich eine störungsfreie Woche mit Linux verbracht habe (was war noch mal gleich eine "allgemeine Schutzverletzung"?), traute ich mir heute zu, die höheren Weihen der Rechnerbeherrschungskunst zu erlangen. Als Desktop benutze ich Gnome, und als Browser Firefox, natürlich ohne Javascript, ActiveX und andere durchlöcherte Präservative. Und wer welche Cookies platziert, bestimme ich.
In den Tiefen schlummert aber noch Galeon, ein Browser wie ein Rennrad aus Titan, gegen die der Internet Explorer sich ausnimmt wie ein Rhinozeros gegen eine Gazelle. Da beschloss ich, Politiker zu w...äh....Galeon für Paranoia-Surfen einzurichten, mir also eine virtuelle Tarnkappe zuzulegen.
Dazu eignet sich der Java Anon Proxy, kurz JAP genannt. Die wohlwollende Stammleserin und der geneigte Stammleser dieses kleinen frauen- und anonymitätsfreundlichen Forums sind bekanntlich medienkompetent, werden also kurz die Anleitung des JAP studieren und dann brav zurückkehren.
So, nun sind Sie wieder da. Diese Treue zu spiggel.de macht Sie ja so sympathisch. Mir erging es jetzt so: Nicht ganz ohne Stolz surfte ich die Linux-Version an, aber auch mit einer klammheimlichen Furcht im Herzen, jetzt würde es reichlich kompliziert.
"Starten Sie eine Shell." Das hat nicht mit Benzinsorte aus den Niederlanden zu tun. Ein Linux-Besitzer weiß, dass die shell ein so genannter Kommandozeileninterpreter ist, ein Wort, bei dem jetzt die Hälfte aller SurferInnen schleunigst das Weite sucht. Der Rest beißt die Zähne zusammen und schwört grimmig: Ich halte durch, ich will das jetzt verstehen!
Der Interpreter ist ein kleines Programm, das, wie der Name schon sagt, zahllose Befehle interpretiert, die man eingibt, wüsste man denn, um welche es sich handelt. Will jemand die digitalen Innereien des Rechers neu verknoten, Dateien suchen, finden, bearbeiten, verknüpfen und alles Mögliche mehr, wie zum Beispiel im Linux-Sprech "den Kernel kompilieren" (eine Operation am offenen Herzen): alles mit der shell. Read the fucking manual. Bei Linux ist es viel einfacher als bei Windows, Programme aufzurufen: Man muss nur den Namen des Programms in die shell eingeben, und - schwupps - ist es da. Meistens jedenfalls. Klicken geht natürlich auch.
"Geben Sie folgenden Befehl java -version ein und betätigen die Enter-Taste." Aaaaahh! "java version "1.5.0_02" Java(TM) 2 Runtime Environment, Standard Edition (build 1.5.0_02-b09) Java HotSpot(TM) Client VM (build 1.5.0_02-b09, mixed mode, sharing)" Ich weiß zwar nicht genau, was das bedeutet, aber es sieht so aus, als wenn der Rechner behauptete, er besäße etwas wie das ominöse java.
Nächster Schritt. Bis jetzt ist nichts zerhauen worden. "Legen Sie einen neuen Programm-Ordner für den JAP an." Das darf ich nur als Gott, wenn ich nicht in meinem eigenen Nutzerverzeichnis bin. Root-Shell, Passwort eingeben. Jetzt muss ich in den Eingeweiden herumspielen. Aber wie heißt noch mal der Befehl - mkdir wie beim Microsoft Disk Operating System? Jawohl. Gott-Status verlassen, wieder normal werden.
"Laden Sie die folgenden Dateien in den angelegten Ordner". Schön gesagt. Der neu angelegte und noch gähnend leere Ordner ist eben nicht in meinem "Burks"-Verzeichnis, sondern woanders. Und dort darf ich als Burks nicht zugreifen, geschweige denn etwas hineindröseln. Verflixte Sicherheit. Was tun? Aber da ist noch der chmod-Befehl, der die Zugriffsrechte von Dateien und Verzeichnissen ändert. Soll ich diese Anleitung etwa verstehen? Wo sind die pädagogisch wertvollen Beispiele?
Ich habe hier noch ein gewichtiges Linux-Handbuch, etwa doppelt so dick wie der Koran, von Michael Kofler. Da ist alles hübsch erklärt. chmod 755 jap. Aaaaaahh! Jetzt geht es.
Nur so zum Spaß: Die Testseite von leader.ru sollte zum Pflichtprogramm eines jeden DAUs gehören, der bekanntlich nichts zu verbergen hat - wie deutsche Journalisten.
Und nun den Browser konfigurieren. Wie war das noch gleich? Irgendwo findet man in den Voreinstellungen Netzwerk-Proxy. Das weiß ich noch auswendig: Der Browser soll nicht direkt mit dem weltweiten Internet kommunizieren, sondern "mit sich selbst", das heißt mit der JAP-Software. Die gaukelt dem Browser vor, sie habe die IP-Adresse 127.0.0.1. Dazu gibt es den bekannten Hacker-Witz , der schon zu den urban legends gehört, in dem jemand einen Rechner mit eben dieser IP-Adresse hackt - den eigenen, bis der den Geist aufgibt. Oder man lässt jemanden wie bei Asterix den Schlüssel für den Armbrustschießstand holen.
Also: # Adresse des HTTP-Proxy : 127.0.0.1 # Port des HTTP-Proxy : 4001 Alles klar? Puls und Atmung normal? Ist überhaupt noch jemand hier? Jedenfalls läuft mein JAP wunderbar. Sieht mich jemand im Internet? Otto? |