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Burkhard Schr�ders [Burks] Forum - f�r Kosmopoliten und Kaltduscher
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
Beiträge: 6757
Wohnort: Berlin-Neukoelln
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Verfasst am:
10.12.2004, 00:24 |
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| [NETZ]KULTUR | | Aktuell | 09. Dezember 2004 |
| | | VON DER KRAFT ZIVILEN UNGEHORSAMS Wunderbare AnarchieVon Burkhard Schröder |
Wo war eigentlich zu DDR-Zeiten "Willis Eiland"? Wo fand noch vor der Wiedervereinigung die erste freie Wahl statt? Wer gründete im Knast von Bautzen II einen Gefangenenrat, in welcher Einheit der NVA wurde der "Erste Matrosen- und Soldatenrat" initiiert? Warum säten Soldaten der Volksarmee Lupinensamen auf dem Mauerstreifen aus? Und welcher Gemüsehändler aus Erfurt setzte im Alleingang die Währungsunion durch? Wer schrieb im September 1989 in Arnstadt ein illegales Flugblatt, um zu einer ebenso illegalen Kundgebung aufzurufen? Und welcher Bürgermeister wagte es noch zu DDR-Zeiten, seinen Ort zur "freien Republik" nach eidgenössischem Vorbild auszurufen? Und welche Glocke in welcher Kirche wurde aus dem Metall von 1250 Kalaschnikows, 174 Maschinengewehren, 87 Panzerbüchsen und 171 Pistolen gegossen?
Ich empfehle heute ein Buch, in dem Antworten auf alle diese Fragen zu finden sind: Das wunderbare Jahr der Anarchie - Von der Kraft zivilen Ungehorsams 1989/90, erschienen im Ch. Links Verlag. Über die letzten Monate der DDR, bevor sie zum Beitrittsgebiet wurde, sind zahlreiche Bücher erschienen. Dieses hat mir besonders gut gefallen, nicht nur, weil man den Deutschen alle Bücher, in denen es um Ungehorsam geht und wie dieser zu erlernen und zu praktizieren sei, dringend ans Herz legen muss. Auch die Überschrift des Vorworts: "Es war verboten, aber wir haben es trotzdem gemacht" würde die deutsche Leitkultur, macht diese Haltung Schule, bis in ihre Grundfesten erschüttern.
Das Buch trägt Dutzende von Geschichten zusammen, Erinnerungen der kleinen Leute, die plötzlich merkten, dass die Staatsmacht auf tönernen Füßen stand und des Kaisers Kleider fehlten und die Obrigkeit nackt war. Wer etwas über Revolutionen in Deutschland wissen will, für den ist das Werk Pflicht. Der Umsturz der Verhältnisse kommt nicht mit großen Gesten, nicht mit kleinen Taten einher: es reicht, wenn plötzlich einige Menschen einfach das tun, was richtig ist und sich um Vorschriften und Ausführungsbestimmungen einen Dreck scheren.
Gemüsehändler gelten nicht als Revoluzzer oder gar Aufrührer. Peter Voigt aus Erfurt fragte sich zu Jahresbeginn 1990: warum eigentlich gibt es in der DDR keine Bananen? Die Grenze war auf, und im Kapitalismus nebenan alias der Edeka-Markt im Nachbarort lagen sie in großen Mengen herum. Aber das staatliche Monopol für den Devisenhandel musste zunächst gebrochen werden, damit die Südfrüchte für Westgeld über den Ladentisch gehen konnten. Und die Obrigkeit sah weit reichende individuelle "Maßnahmen für eine selbständige Tätigkeit im Außenhandel" mit Misstrauen. Und der Gemüsehändler handelte nach dem eigentlich selbstverständlichen Motto: "Man darf nicht warten, bis von oben etwas entschieden wird. Du musst die Dinge selbst in die Hand nehmen."
Von dieser Maxime kann auch mancher Wessi noch etwas lernen. Auch wenn er Mitglied in einer Journalistengewerkschaft ist.
Das Bild Mitte zeigt den Wehrdienstverweigerer Werner Ablaß, kurzzeitig Staatssekretär im Ministerium für Abrüstung und Verteidung: er entließ im September 1990 die letzten 24 Generale und Admirale der DDR.
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