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Verfasst am:
13.10.2004, 20:48 |
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| [NETZ]KULTUR | | Aktuell | 11. Oktober 2004 |
| | | 10000 JURISTEN AUF DEM MEERESGRUND Links sind doch strafbarVon Burkhard Schröder |
Alvar Freude von odem.org ist wegen seiner Links zu böhsen Seiten in erster Instanz verurteilt worden. Das Gericht war der Meinung, bei den vom Medienkunstpreisträger gesetzten Links handele es sich um Verbreitung von "Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen" (§ 86 StGB) und "Volksverhetzung" (§ 130 StGB)." Hinreichende Rechtfertigung durch staatsbürgerliche Aufklärung, Kunst oder auch Meinungs- und Informations(zugangs)freiheit sehe es nicht.
Hunderte von Blogs haben den Prozess kommentiert Ich empfehle zur Lektüre Freudes Materialsammlung, Simon's Blawg sowie den guten Artikel von Oliver Gassner bei Telepolis: "Das Stuttgarter Linkurteil: Eine Verschwörung dummer Juristen?" Empfehlenswert auch Mario Sixtus: "Volksverhetzer oder Bürgerrechtler?" "Mit der Website "FreedomFone" veralbert er Büssow und seine Idee eines "regulierten" Internets. Unter einer plakativen 0190-Rufnummer steht dort: "Nennen Sie uns eine Internetseite - wir lesen Sie Ihnen vor." Dieses Angebot richte sich an alle Nutzer aus Ländern, in denen sich nur noch eingeschränkt surfen lasse, wie beispielsweise "Nordrhein-Westfalen oder China", so Freude. Kurz darauf startete Freude unter "ODEM - Internet-Zensur in Deutschland?" eine umfangreiche Dokumentation über die Sperrbestrebungen von Regierungspräsident Büssow." Karl-Friedrich Lenz beschäftigt sich aus juristischer Sicht mit der "Haftung von Links."
Aus journalistischer Sicht dürfe ich über den Fall nicht schreiben: Alvar und ich gehören zu Initiatoren der "Erklärung gegen die Einschränkung der Informationsfreiheit" und betrachten uns vermutlich als "Netzaktivisten" und eingefleischte Gegner der selbsternannten schmallippigen Block-, Jugendschutz- und anderer Warte vorwiegend deutscher Provenienz. Zensur jeder Art, auch wenn es die Bösen trifft, ist mir ohnehin zutiefst zuwider. Ich bin daher befangen.
Jeder Mensch mit einem gesunden Menschenverstand versteht sofort, dass die Ankündigung, Websites vorzulesen, nichts als Satire ist und nur solche. Aber Juristen denken eben anders. Und wenn es sich um deutsche Juristen handelt, stehen sie in einer Tradition, die Kurt Tucholsky als "politische Justiz gebrandmarkt hat. Ob sie das wollen oder nicht. Das Recht spiegelt die Machtverhältnisse wider. Mit Gerechtigkeit muss das nicht unbedingt etwas zu tun haben, wissen der Machiavelli-Leser, der Zyniker und die geneigten Leserinnen und wohlwollenden Leser dieses kleinen frauenfreundlichen und zensurfeindlichen Familienforums ohnehin.
Das Urteil hat vermutlich den Effekt, dass sich die juristische Glaubensgemeinschaft Heiliger Disclaimer der letzten TageTM wieder in ihrer Irrlehre bestätigt fühlt, ein so genannter "Haftungsausschluss" bewirke irgendetwas Magisch-Rituelles, oder der Hamburger-Landgericht-Hoax (HALAHOTM) sei zu etwas nütze. Ähnlich wie der kleinere Bruder des besagten Hoax: "SPIEGEL ONLINE ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten." Wer würde sich das je zu erkühnen behaupten - und warum?
Gegen meine Linksammlung burks.de/nazis.de gab es auch schon ein Ermittlungsverfahren - im Zuge des Großen Vaterländischen Medienhypes gegen Rechtsextremismus vor vier Jahren. Die Heise-Meldung vom Dezember 2001 muss jetzt aber widerrufen werden: "Links nach rechts doch nicht strafbar". Im Fall Alvar Freudes war es offenbar nicht so. Die meisten Kommentatoren sind sich einig, dass die nächsten Instanzen anders urteilen werden und dass die Strategie der Verteidigung überdacht werden könnte.
Was bleibt? Solange die Guten, also die Linken, in Deutschland fordern, dass "Nazi-Websites" verboten werden müssten, ist an einen Kampf gegen Zensur nicht ernsthaft zu denken. Und natürlich müssen alle Gesetze, die politische Meinungen einschränken, seien sie auch noch so widerlich, in die Tonne geworfen werden. I have a dream: Tausende von Demonstranten, die nicht "Ho Ho Ho Chi Minh" rufen, sondern: "First, First, First Amendment". Aber das zu erreichen, ist in Deutschland eine anspruchsvolle Aufgabe für Berufsrevolutionäre wie Admin Burks, der jedoch zugeben muss, dass es vermutlich erst die Enkel besser ausfechten werden.
By the way: Netzaktivisten aller Länder, vereinigt euch!
Foto oben: Alvar Freude (rechts) und sein Anwalt. (Foto von Dr. Walter Simon, mit freundlichen Erlaubnis.)
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