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UNSERE ONLINE-MEDIEN UND DAS INTERNET "Weltnetz" ohne LinksVon Burkhard Schröder |
Als Klassiker der Werbebranche gilt der Slogan: Ignore this sign. Humanistisch Gebildete kennen die lateinische Form: Contradictio in adjecto. Die deutschen Medien in ihren so genannten "Online"-Ausgaben gehen mit den braunen Kameraden im Internet in Form eines Oxymorons um: die sittlich vermutlich nicht gefährdeten Journalisten berichten über das Böse im Weltnetz, verraten aber den geneigten Leserinnen und wohlwollenden Lesern nicht, wo sich dasselbe befindet. Der geschätzte Kollege Frank Patalong hat im investigativsten aller Nachrichtenmagazine einen wie gewohnt gut recherchierten Artikel verfasst: "Ruck im Weltnetz". Thema: was sagen die kackbraunen Kameraden online zu ihren jüngsten Wahlerfolgen? Vermutlich aus moraltheologischen Gründen wird ganz auf die berühmt-berüchtigten Links verzichtet. Zitat: "Dieser Artikel nimmt Bezug auf zahlreiche rechte Foren und Webseiten. Wir verzichten darauf, die Internet-Adressen zu nennen."
Eine der ungelösten Medien- und Menschheitsfragen muss daher hier gestellt werden: was ist das Motiv, über das Internet ohne das Internet zu berichten, dazu noch in einem "Online"-Magazin? Der zitierte Hinweis scheint an einen geheimnisvollen common sense des surfenden Publikums zu appellieren, als wüsste man automatisch, wozu das gut sei. Ich weiß es nicht. Und denke an Wilhelm Busch: "Aber wehe, wehe, wenn ich auf die Links jetzt sehe." Wer also, so kann man nur rätseln, auf rechte "Verweise" klickt, wird zum Neonazi, oder geht mindestens ein hohes weltanschauliches Risiko ein?
Das ist natürlich ganz im Sinne der dunkelbraunen Agitprop-Kader. Die gängige Praxis deutscher Medien, die Quellen zu verschweigen, wenn es denn um rechte Websites geht, speist sich aus der unausgesprochenen These, rechte Propaganda im Internet wirke. Das ist jedoch strittig. Oder, in abgeschwächter Form: Man möchte es dem Publikum nicht allzu leicht machen, das Böse zu finden. Journalisten gehen vermutlich zu recht davon aus, dass eine gepflegte Boolsche Algebra, derer man sich bei Suchmaschinen bedienen sollte, dem Publikum nicht bekannt ist. Sie schließen von sich auf andere.
In alter Zeit war es so, dass Journalisten mehr wussten als ihre Leser. Daraus rührte der volkspädagogische Impetus: man müsse und könne die unwissenden Rezipienten-Massen aufklären. Diese Attitude ist heute obsolet. Nur hat das in Deutschland noch keiner gemerkt. Kein Wunder, denn niemand gibt gern zu, dass die Hierarchie des Wissens zwischen Journalisten und Lesern durch das Internet eingeebnet worden ist. Jemand, der sich über das Treiben der Neonazis informieren will, wird vermutlich gleich bei Wikipedia nachschauen, natürlich in der englischen Version. Und dort findet man einen Link zu einer Website, die den hiesigen geneigten Leserinnen und wohlwollenden Lesern nicht unbekannt sein dürfte - [Werbeblock]www.burks.de/nazis.html[/Werbeblock].
Die Attitude, rechte Websites nicht zu verlinken, entspricht der, den braunen Kameraden das Mikrophon abzustellen oder sie nicht ausreden zu lassen, wenn sie die Chance nutzen wollen, wie nach der Sachsen-Wahl, im Fernsehen ihre Sprechblasen abzulassen. Frei nach dem Motto: spiel' nicht mit den Schmuddelkindern. Das geht immer schief. Und macht dazu einen hilflosen, also schlechten Eindruck. Unjournalistisch ist es ohnehin.
Eines muss an dem Spiegel online Artikel korrigiert werden. "Die Wahlerfolge von DVU und NPD in Brandenburg und Sachsen haben eine lange Vorgeschichte im Web." Die Vorgeschichte ist länger als lang. Neonazis haben auch im Usenet ihre Ideen verbreitet, und das schon Mitte der neunziger Jahre. Und dann gab es noch das Thule-Netz, ein System von Mailboxen mit dem dazu passenden Medienhype, also mit den fast identischen Artikeln wie heute. Und die NPD nutze schon Anfang der neunziger Jahre den BTX-Dienst der Telekom.
Fazit: Neonazis nutzen schon wieder das Internet - aber bitte nicht nicht hinschauen! Ignoriert die Nazis, wo ihr sie trefft im Internet. Oder so ähnlich. Dann doch bitte gleich konsequent: Neonazi-Websites melden, durchführen und verbieten!
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BURKS ONLINE 23.09.2004 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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