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WAHLEN IM SACHSEN 320.000 Skinheads in SachsenVon Burkhard Schröder |
Rund neun Prozent wird die NPD in Sachsen bekommen. Fast so viel wie die SPD. Zeit für ein Fazit: Der Kampf gegen rechts ist gescheitert. Weitere Prognose: niemand wird das offen zugeben. Die gute Nachricht: der Osten wird "normal". Rund zehn Prozent aller deutschen Wähler sind offenbar manchmal bereit, ihre rassistische und antisemitische Einstellung in politisches Verhalten umzumünzen. Das war im alten Westen schon oft so. Das letzte Mal 1968 - auch damals war die NPD in diversen Landtagen.
Zyniker werden behaupten: wenn es die zahlreichen Initiativen "gegen Rechts" nicht gegeben hätte, wäre die NPD bei 20 Prozent. Oder umgekehrt: vielleicht ist gar der regierungsamtliche "Aufstand" der Anständigen am Erfolg der braunen Kameraden schuld? Zwei Dinge werden vermutlich nicht bestritten werden: Es geht nicht um "Jugend und Gewalt" - das Lieblingsthema der PfarrerInnen und SozialarbeiterInnen, und es geht nicht um Skinheads. Nicht alle der gut 300.000 Wähler der NPD in Sachsen haben eine Glatze.
Aber dieser Hinweis wird nichts fruchten: alle PolikerInnen bekunden, sie wollten sich jetzt (!) mit den "Rechtsextremisten" noch mehr auseinandersetzen. Nur: hat man das bisher nicht schon getan? Die Spitzenkandidatin der Grünen, Antje Hermenau, spricht von einer "kulturellen Kampfansage". Entscheidet sich der politische Kampf in der Kultur? Bob Marley gegen Frontalkraft?
Interessant wird das Kleingedruckte, das aber heute noch nicht analysiert werden kann: Die CDU hat ungefähr so viel verloren wie die NPD gewonnen hat. Woher kommen die Stimmen der NPD? Von den Nichtwählern, was oft der Fall ist, oder von denen, die das nur ein wenig "extremer" denken, was die Christdemokraten in abgeschwächter Form meinen? Bröckelt der rechte Rand ab - und wessen Rand?
Kein Grund zur Beunruhigung: in anderen Ländern, etwa in Belgien und Italien, sind die Kackbraunen und verwandte Organisationen wesentlich stärker als in Sachsen. Was wäre, wenn die Neonazis - wie in Antwerpen vor ein paar Jahren - 32 Prozent bekämen? Müsste dann die israelische Armee ins Tal der Ahnungslosen einmarschieren?
Die Anwort auf alle Fragen ist einfach: es geht immer um die Frage, wie die deutsche Nation aussehen soll - und wer dazugehört. Wie der Mainstream mit den Immigranten aller Generationen umgeht, zeigt sich am rechten Rand. Das Thema waren nie "die Ausländer", sondern immer soziale Grenzen zwischen Einwanderern und "Ureinwohnern". Die Rechten schüren Sozialneid, spielen mit der rassistischen Karte und geben im übrigen - das ist ohnehin ihre Leitidee - den Juden die Schuld für alles.
Für JournalistInnen heisst es jetzt: üben, üben üben. Wie redet man mit den braunen Kameraden? Und worüber? Das hat man bis jetzt tunlichst vermieden. "Neonazis" - das waren, vor allem in der Bebilderung einschlägiger Artikel, verhetzte Jugendliche, die Doofen, die "Gewaltbereiten". Das stimmt eben nicht: Neonazis, das ist Otto Normalverbraucher. Und das war schon immer so. Es ist an der Zeit, den moraltheologischen Diskurs, der sich in sinnfreier Symbolik "gegen Rechts" manifestierte, in politisches Handeln zu verwandeln. Das funktioniert nur, wenn man weiß, wie rassistischen Ideen in die Köpfe hineinkommen. Das geht nur, wenn man erklärt, warum Menschen Antisemiten geworden sind. Aber darüber will sich kaum jemand Gedanken machen.
By the way: ich will keine Springerstiefel in Artikel über die Ultrarechten sehen, und ich will auch keine Jugendlichen und keine "Skinheads" mehr sehen. Und dann warten wir ab, was den Medien zum Thema einfällt.
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